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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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gerthor auf 15'/2 Pfd., der Gesammtvachtschilling also auf 356 Pfd. -- Den
zweiten Einnahmetitel bilden die Abgaben der Frauenhäuser. Dieselben
waren Eigenthum der Stadt -- darauf läßt wenigstens der Umstand schließen,
daß ihre bauliche Unterhaltung der Stadtkasse zur Last fällt -- und standen
unter scharfer obrigkeitlicher Kontrolle. Das große Stadtrecht vom Jahre
1276 trifft bereits bezüglich ihrer Überwachung mehrfache Anordnungen.
Darnach waren sie in jener frühesten Zeit unter die Aufsicht des Henkers ge¬
stellt, dem eine jede Dirne ("fahrendes Fräulein" nennt sie das Statut) jede"
Sonnabend Abend zwei Pfenninge zu entrichten verpflichtet war. Im Jahre
1391 bestanden nicht weniger als acht Frauenhäuser in der Stadt, die zu¬
sammen eine Abgabe von 53 ib. 18 Schilling bezahlten. So überraschend auf
den ersten Blick die Thatsache wirken mag, daß der Rath eine solche Anzahl
öffentlicher Unzuchtsanstalteu nicht nnr duldet, sondern sie geradezu unter
seinen Schutz stellt, so werden wir doch im Hinblick auf die sozialen Zustände
des Mittelalters diesen getroffenen Ausweg noch für den richtigsten anerkennen
müssen. Bei der Rücksichtslosigkeit, mit welcher man damals der Wollust
fröhnte, waren die Frauenhäuser eine Nothwendigkeit, und zwar uicht uur
zum Schutz ehrbarer Mädchen und Frauen, soudern auch damit die Unsittlich-
keit einigermaßen überwacht werdeu konnte. -- Als dritte Einnahmequelle
fungirt die Stadtmühle mit 26 ib. 19 Schilling. Daun kommt ein summa¬
rischer Titel "nmiMü. reeeM", unter welchem die verschiedenartigsten Ein¬
nahmen vorgetragen sind. Eine Haupteinnahme wurde durch Getreideverkäufe
erzielt, indem die Stadt nicht nur selbst im Besitz eines ausgedehnten land¬
wirtschaftlichen Grundbesitzes war, sondern auch eine Menge Zehnten und
Renten in naturu geliefert erhielt. Für das Jahr 1391 betrug der Erlös des
verkauften Getreides 2315^ ib. Wir bemerken dabei, daß damals das Schafs
Roggen einen Preis von 2^--3, das Schafs Korn einen solchen von 3"/j ib.
hatte. --

Sehr beträchtliche Summen warf sodann das Umgeld ab, das jetzt nicht
mehr, wie im dreizehnten Jahrhundert, als Eiugangssteuer der verschieden¬
artigsten Waaren, sondern nur noch als eine Steiler aus Getränke, Salz und
Weberwaareu von den Wirthen und Kaufleuten erhoben wurde.*) Für die



Goldes in Silber 3 Thaler 7 Sgr., des rheinischen Gulden --S Thlr. 3>/z Sgr. Unter
Gulden ohne weiteren Beisatz ist stets der ungarische Gulden zu verstehen. Die Regens¬
burger Pfenninge hatten einen geringeren Feingehalt als die Augsburger. Größere Zahlun¬
gen wurden gewöhnlich in Gold(Gulden) gemacht, dabei aber fortwährend in Silber, ib.,
Schilling und Deu,, gerechnet.
Das Getränlenngcld wurde wohl theils nach dem Ausmaß der Fässer, welches der
Visircr beim Einlegen des Getränks aufnahm und dem Umgelder zum Zweck der Versteue-
rung angab, theils nach der Qualität des Getränks bestimmt.

gerthor auf 15'/2 Pfd., der Gesammtvachtschilling also auf 356 Pfd. — Den
zweiten Einnahmetitel bilden die Abgaben der Frauenhäuser. Dieselben
waren Eigenthum der Stadt — darauf läßt wenigstens der Umstand schließen,
daß ihre bauliche Unterhaltung der Stadtkasse zur Last fällt — und standen
unter scharfer obrigkeitlicher Kontrolle. Das große Stadtrecht vom Jahre
1276 trifft bereits bezüglich ihrer Überwachung mehrfache Anordnungen.
Darnach waren sie in jener frühesten Zeit unter die Aufsicht des Henkers ge¬
stellt, dem eine jede Dirne („fahrendes Fräulein" nennt sie das Statut) jede»
Sonnabend Abend zwei Pfenninge zu entrichten verpflichtet war. Im Jahre
1391 bestanden nicht weniger als acht Frauenhäuser in der Stadt, die zu¬
sammen eine Abgabe von 53 ib. 18 Schilling bezahlten. So überraschend auf
den ersten Blick die Thatsache wirken mag, daß der Rath eine solche Anzahl
öffentlicher Unzuchtsanstalteu nicht nnr duldet, sondern sie geradezu unter
seinen Schutz stellt, so werden wir doch im Hinblick auf die sozialen Zustände
des Mittelalters diesen getroffenen Ausweg noch für den richtigsten anerkennen
müssen. Bei der Rücksichtslosigkeit, mit welcher man damals der Wollust
fröhnte, waren die Frauenhäuser eine Nothwendigkeit, und zwar uicht uur
zum Schutz ehrbarer Mädchen und Frauen, soudern auch damit die Unsittlich-
keit einigermaßen überwacht werdeu konnte. — Als dritte Einnahmequelle
fungirt die Stadtmühle mit 26 ib. 19 Schilling. Daun kommt ein summa¬
rischer Titel „nmiMü. reeeM", unter welchem die verschiedenartigsten Ein¬
nahmen vorgetragen sind. Eine Haupteinnahme wurde durch Getreideverkäufe
erzielt, indem die Stadt nicht nur selbst im Besitz eines ausgedehnten land¬
wirtschaftlichen Grundbesitzes war, sondern auch eine Menge Zehnten und
Renten in naturu geliefert erhielt. Für das Jahr 1391 betrug der Erlös des
verkauften Getreides 2315^ ib. Wir bemerken dabei, daß damals das Schafs
Roggen einen Preis von 2^—3, das Schafs Korn einen solchen von 3»/j ib.
hatte. —

Sehr beträchtliche Summen warf sodann das Umgeld ab, das jetzt nicht
mehr, wie im dreizehnten Jahrhundert, als Eiugangssteuer der verschieden¬
artigsten Waaren, sondern nur noch als eine Steiler aus Getränke, Salz und
Weberwaareu von den Wirthen und Kaufleuten erhoben wurde.*) Für die



Goldes in Silber 3 Thaler 7 Sgr., des rheinischen Gulden —S Thlr. 3>/z Sgr. Unter
Gulden ohne weiteren Beisatz ist stets der ungarische Gulden zu verstehen. Die Regens¬
burger Pfenninge hatten einen geringeren Feingehalt als die Augsburger. Größere Zahlun¬
gen wurden gewöhnlich in Gold(Gulden) gemacht, dabei aber fortwährend in Silber, ib.,
Schilling und Deu,, gerechnet.
Das Getränlenngcld wurde wohl theils nach dem Ausmaß der Fässer, welches der
Visircr beim Einlegen des Getränks aufnahm und dem Umgelder zum Zweck der Versteue-
rung angab, theils nach der Qualität des Getränks bestimmt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/72>, abgerufen am 04.06.2024.