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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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techniker das Wasser, diesem Gesetz entsprechend, in solche Formen, daß es
im Stande ist, seine Tragkraft möglichst intensiv zu bethätigen. Da sich bei
rasch zu Thale niederfließenden Gewässern größere Wassertiefen und mit ihnen
größerer Tiefgang für Schiffsgefäße nicht erreichen läßt, so baut die Natur
den Gewässern Stromschwellen und Wehre entgegen, staut sie zu Seen an und
bildet aus einem ununterbrochen niederfließenden Gewässer und seinem Thale
eine Reihe hinter- bez. untereinanderliegeuder Seen, von denen jeder obere den
unter ihm liegenden speist, und zwar mit dem Wasser, welches er zu viel hat
und welches er über die niedrigste Stelle des natürlichen Stauwehres abfließe"
läßt. Diese Seen füllen sich zwar nach und nach mit den Sinkstoffen und
sedimentären Ablagerungen aus dem Wasser, die Stauwehre werde" zwar nach
und nach immer tiefer eingesägt und zu immer breiteren und flacheren Sätteln
ausgewaschen, aber tausende von Jahrtausenden gehören zu solchen Leistungen.

Wie wir in unserem vorigen Artikel über "Entstehung der Thäler und
Stromrinnen" auf die Donau in ihrem Urzustande erläuternd hingewiesen haben,
so kann für den vorliegenden der Rhein und sein Stromgebiet ein lehrreiches
Beispiel abgeben. Bei einem Stromlauf von nahezu 1390 Kilometer Länge
umfaßt der Rhein mit seinen mehr als 12 200 Nebenflüssen und -Bächen ein
Niederschlags- und Abschwemmuugsgebiet von etwa 197 600 in Kilometer. Die
geologische Karte des Rheins von Dechen läßt deutlich erkennen, wie das ganze
Land, welches jetzt das Stromgebiet des Rheins und seiner Nebenflüsse bildet,
in den mannigfaltigsten Formen von festeren Gebirgsarten quer durchsetzt ist.
Diese gebirgigen Durchsetzungen, welche jetzt zum größten Theil breit aus- und
weggewaschen sind, müssen dereinst die niederfließenden Wasserläufe in unzäh-
ligen Absätzen aufgestaut und dadurch eine große Anzahl kleinerer und größerer
Wasserbecken gebildet haben. Das größte dieser natürlichen Stauwehre besteht
heute noch; es ist der Jura, der als Felsenwehr den Rhein bei Schaffhausen
27 Mer. hoch aufstand, von dessen früherer ungleich gewaltigerer Mächtigkeit
aber noch heute vier stehengebliebene Felspyramiden Zeugniß geben; sie bekun¬
den, daß der Bodensee in grauer Vorzeit einen weit größeren Flüchenraum ein¬
genommen haben muß, als heute. Daß solche Durchsetzungen aber auch weiter
hinab dereinst den Rhein zur Bildung von Seebecken gezwungen haben, macht
die Dechensche Karte ebenfalls Kar ersichtlich. Der nächste See reichte von Basel
bis Breisach, der folgende von Breisach bis Worms, endlich einer von Worms
bis Bingen. Aber auch die Nebenflüsse des Rheins haben einst solche Seen
und Seenschnüre gebildet, ja die Annahme ist durchaus keine gewagte, daß der
größte Theil der schweizer Seen mit dem Bodensee bis nach Waldshut hin
ehemals eine einzige zusammenhängende Wasserflüche gebildet haben.

In weiser Sparsamkeit also speichert die Natur die wässrigen Niederschläge


techniker das Wasser, diesem Gesetz entsprechend, in solche Formen, daß es
im Stande ist, seine Tragkraft möglichst intensiv zu bethätigen. Da sich bei
rasch zu Thale niederfließenden Gewässern größere Wassertiefen und mit ihnen
größerer Tiefgang für Schiffsgefäße nicht erreichen läßt, so baut die Natur
den Gewässern Stromschwellen und Wehre entgegen, staut sie zu Seen an und
bildet aus einem ununterbrochen niederfließenden Gewässer und seinem Thale
eine Reihe hinter- bez. untereinanderliegeuder Seen, von denen jeder obere den
unter ihm liegenden speist, und zwar mit dem Wasser, welches er zu viel hat
und welches er über die niedrigste Stelle des natürlichen Stauwehres abfließe»
läßt. Diese Seen füllen sich zwar nach und nach mit den Sinkstoffen und
sedimentären Ablagerungen aus dem Wasser, die Stauwehre werde» zwar nach
und nach immer tiefer eingesägt und zu immer breiteren und flacheren Sätteln
ausgewaschen, aber tausende von Jahrtausenden gehören zu solchen Leistungen.

Wie wir in unserem vorigen Artikel über „Entstehung der Thäler und
Stromrinnen" auf die Donau in ihrem Urzustande erläuternd hingewiesen haben,
so kann für den vorliegenden der Rhein und sein Stromgebiet ein lehrreiches
Beispiel abgeben. Bei einem Stromlauf von nahezu 1390 Kilometer Länge
umfaßt der Rhein mit seinen mehr als 12 200 Nebenflüssen und -Bächen ein
Niederschlags- und Abschwemmuugsgebiet von etwa 197 600 in Kilometer. Die
geologische Karte des Rheins von Dechen läßt deutlich erkennen, wie das ganze
Land, welches jetzt das Stromgebiet des Rheins und seiner Nebenflüsse bildet,
in den mannigfaltigsten Formen von festeren Gebirgsarten quer durchsetzt ist.
Diese gebirgigen Durchsetzungen, welche jetzt zum größten Theil breit aus- und
weggewaschen sind, müssen dereinst die niederfließenden Wasserläufe in unzäh-
ligen Absätzen aufgestaut und dadurch eine große Anzahl kleinerer und größerer
Wasserbecken gebildet haben. Das größte dieser natürlichen Stauwehre besteht
heute noch; es ist der Jura, der als Felsenwehr den Rhein bei Schaffhausen
27 Mer. hoch aufstand, von dessen früherer ungleich gewaltigerer Mächtigkeit
aber noch heute vier stehengebliebene Felspyramiden Zeugniß geben; sie bekun¬
den, daß der Bodensee in grauer Vorzeit einen weit größeren Flüchenraum ein¬
genommen haben muß, als heute. Daß solche Durchsetzungen aber auch weiter
hinab dereinst den Rhein zur Bildung von Seebecken gezwungen haben, macht
die Dechensche Karte ebenfalls Kar ersichtlich. Der nächste See reichte von Basel
bis Breisach, der folgende von Breisach bis Worms, endlich einer von Worms
bis Bingen. Aber auch die Nebenflüsse des Rheins haben einst solche Seen
und Seenschnüre gebildet, ja die Annahme ist durchaus keine gewagte, daß der
größte Theil der schweizer Seen mit dem Bodensee bis nach Waldshut hin
ehemals eine einzige zusammenhängende Wasserflüche gebildet haben.

In weiser Sparsamkeit also speichert die Natur die wässrigen Niederschläge


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[0047] techniker das Wasser, diesem Gesetz entsprechend, in solche Formen, daß es im Stande ist, seine Tragkraft möglichst intensiv zu bethätigen. Da sich bei rasch zu Thale niederfließenden Gewässern größere Wassertiefen und mit ihnen größerer Tiefgang für Schiffsgefäße nicht erreichen läßt, so baut die Natur den Gewässern Stromschwellen und Wehre entgegen, staut sie zu Seen an und bildet aus einem ununterbrochen niederfließenden Gewässer und seinem Thale eine Reihe hinter- bez. untereinanderliegeuder Seen, von denen jeder obere den unter ihm liegenden speist, und zwar mit dem Wasser, welches er zu viel hat und welches er über die niedrigste Stelle des natürlichen Stauwehres abfließe» läßt. Diese Seen füllen sich zwar nach und nach mit den Sinkstoffen und sedimentären Ablagerungen aus dem Wasser, die Stauwehre werde» zwar nach und nach immer tiefer eingesägt und zu immer breiteren und flacheren Sätteln ausgewaschen, aber tausende von Jahrtausenden gehören zu solchen Leistungen. Wie wir in unserem vorigen Artikel über „Entstehung der Thäler und Stromrinnen" auf die Donau in ihrem Urzustande erläuternd hingewiesen haben, so kann für den vorliegenden der Rhein und sein Stromgebiet ein lehrreiches Beispiel abgeben. Bei einem Stromlauf von nahezu 1390 Kilometer Länge umfaßt der Rhein mit seinen mehr als 12 200 Nebenflüssen und -Bächen ein Niederschlags- und Abschwemmuugsgebiet von etwa 197 600 in Kilometer. Die geologische Karte des Rheins von Dechen läßt deutlich erkennen, wie das ganze Land, welches jetzt das Stromgebiet des Rheins und seiner Nebenflüsse bildet, in den mannigfaltigsten Formen von festeren Gebirgsarten quer durchsetzt ist. Diese gebirgigen Durchsetzungen, welche jetzt zum größten Theil breit aus- und weggewaschen sind, müssen dereinst die niederfließenden Wasserläufe in unzäh- ligen Absätzen aufgestaut und dadurch eine große Anzahl kleinerer und größerer Wasserbecken gebildet haben. Das größte dieser natürlichen Stauwehre besteht heute noch; es ist der Jura, der als Felsenwehr den Rhein bei Schaffhausen 27 Mer. hoch aufstand, von dessen früherer ungleich gewaltigerer Mächtigkeit aber noch heute vier stehengebliebene Felspyramiden Zeugniß geben; sie bekun¬ den, daß der Bodensee in grauer Vorzeit einen weit größeren Flüchenraum ein¬ genommen haben muß, als heute. Daß solche Durchsetzungen aber auch weiter hinab dereinst den Rhein zur Bildung von Seebecken gezwungen haben, macht die Dechensche Karte ebenfalls Kar ersichtlich. Der nächste See reichte von Basel bis Breisach, der folgende von Breisach bis Worms, endlich einer von Worms bis Bingen. Aber auch die Nebenflüsse des Rheins haben einst solche Seen und Seenschnüre gebildet, ja die Annahme ist durchaus keine gewagte, daß der größte Theil der schweizer Seen mit dem Bodensee bis nach Waldshut hin ehemals eine einzige zusammenhängende Wasserflüche gebildet haben. In weiser Sparsamkeit also speichert die Natur die wässrigen Niederschläge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/47>, abgerufen am 21.05.2024.