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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Julius Moseii.

Welche äußern Momente diesen Traum förderten, läßt sich nicht mehr klar
erkennen. Mosen hatte aber damals das für einen jungen Dichter unschätzbare
Glück, das Auge Goethes auf sich zu lenken. Dr. Reinhard Mosen theilt in
seiner biographischen Skizze mit, daß sein Vater ein von Goethe mit dem ersten
Preise gekröntes Festgedicht verfaßt habe, und setzt hinzu: "Gedicht und Veran¬
lassung zu demselben habe ich noch nicht auffinden können." Nach einer Mit¬
theilung, für deren Zuverlässigkeit wir freilich nicht unbedingt einstehen können,
hat es sich um ein Gedicht zur Jubelfeier Karl Augusts von Weimar als Rector
der Universität Jena gehandelt. Professor Hand, Mosers Landsmann und
Gönner, ließ dasselbe auf eigene Kosten drucken, Goethe erklärte es für das
beste unter allen aus diesem Anlaß entstandenen Gedichten, und Mosen erhielt
bei der von Hand bewirkten Einsendung seines Festliedes an den Weimarischen
Hof eine kleine Summe, welche den Grundstock zu seiner Reisekasse bildete.
Eine weitere außerordentliche Einnahme erwuchs ihm aus dem Honorar für
die Mitwirkung an der Greifswalder Gesammtausgabe der Dichtungen Ludwig
Theodul Kosegartens, mit der ihn der Sohn des Dichters, Johann Gottfried
Ludwig Kosegarten, welcher bis 1824 Professor der orientalischen Sprachen an
der Universität Jena war, betraut hatte. Mosen vertauschte für den Augenblick
sein Jus mit dem eifrigen Studium der italienischen Sprache und wurde bei
dieser Gelegenheit mit dein reichen Dr. August Kluge befreundet, der auch ein
wenig Italien und den Orient sehen und nebenbei Abenteuer aufsuchen wollte.

Es bleibt, wie gesagt, höchst bedauerlich, daß Mosers "Erinnerungen"
bis zu diesem wichtigsten Abschnitt seines Jugendlebens nicht gelangt sind.
Das wenige, was wir von seiner 1825 angetretenen Reise vernehmen, klingt
wie ein Nachcapitel von Goethes "Wilhelm Meister" und eines von Tiecks
"Sternbald." Die biographische Skizze Reinhard Mosers betont, daß Julius
Mosen ursprünglich nur Tirol habe sehen wollen und erst auf Kluges Zureden
über die Alpen gegangen sei. Nach andern Erzählungen wäre die Reise der
Freunde von Jena aus gemeinsam unternommen worden; in München fühlte
sich Kluge, ganz im Geiste der romantischen Jugend, gedrängt, sich einer wandern¬
den Schauspielertruppe anzuschließen, stärkte aber des Freundes Reisekasse in
zartsinniger Weise so, daß dieser seiner geheimen Sehnsucht solgen und den
poetischen Pilgergang nach Rom antreten konnte, wo er später wieder mit Kluge
zusammentraf. Es war noch die Zeit, wo verhältnißmäßig wenige Italien sahen
und genossen, die Eindrücke des italienischen Lebens waren stärker, mächtiger,
als sie jetzt sein können, und Mosers gesäumtes späteres Schaffen legt Zeug¬
niß davon ab, wie die lebendige Anschauung des Landes, die Erinnerungen an
Rom und Florenz in seiner Phantasie nachwirkten.

Ein unmittelbares poetisches Resultat der Reise erwuchs ihm durch den Fund


Julius Moseii.

Welche äußern Momente diesen Traum förderten, läßt sich nicht mehr klar
erkennen. Mosen hatte aber damals das für einen jungen Dichter unschätzbare
Glück, das Auge Goethes auf sich zu lenken. Dr. Reinhard Mosen theilt in
seiner biographischen Skizze mit, daß sein Vater ein von Goethe mit dem ersten
Preise gekröntes Festgedicht verfaßt habe, und setzt hinzu: „Gedicht und Veran¬
lassung zu demselben habe ich noch nicht auffinden können." Nach einer Mit¬
theilung, für deren Zuverlässigkeit wir freilich nicht unbedingt einstehen können,
hat es sich um ein Gedicht zur Jubelfeier Karl Augusts von Weimar als Rector
der Universität Jena gehandelt. Professor Hand, Mosers Landsmann und
Gönner, ließ dasselbe auf eigene Kosten drucken, Goethe erklärte es für das
beste unter allen aus diesem Anlaß entstandenen Gedichten, und Mosen erhielt
bei der von Hand bewirkten Einsendung seines Festliedes an den Weimarischen
Hof eine kleine Summe, welche den Grundstock zu seiner Reisekasse bildete.
Eine weitere außerordentliche Einnahme erwuchs ihm aus dem Honorar für
die Mitwirkung an der Greifswalder Gesammtausgabe der Dichtungen Ludwig
Theodul Kosegartens, mit der ihn der Sohn des Dichters, Johann Gottfried
Ludwig Kosegarten, welcher bis 1824 Professor der orientalischen Sprachen an
der Universität Jena war, betraut hatte. Mosen vertauschte für den Augenblick
sein Jus mit dem eifrigen Studium der italienischen Sprache und wurde bei
dieser Gelegenheit mit dein reichen Dr. August Kluge befreundet, der auch ein
wenig Italien und den Orient sehen und nebenbei Abenteuer aufsuchen wollte.

Es bleibt, wie gesagt, höchst bedauerlich, daß Mosers „Erinnerungen"
bis zu diesem wichtigsten Abschnitt seines Jugendlebens nicht gelangt sind.
Das wenige, was wir von seiner 1825 angetretenen Reise vernehmen, klingt
wie ein Nachcapitel von Goethes „Wilhelm Meister" und eines von Tiecks
„Sternbald." Die biographische Skizze Reinhard Mosers betont, daß Julius
Mosen ursprünglich nur Tirol habe sehen wollen und erst auf Kluges Zureden
über die Alpen gegangen sei. Nach andern Erzählungen wäre die Reise der
Freunde von Jena aus gemeinsam unternommen worden; in München fühlte
sich Kluge, ganz im Geiste der romantischen Jugend, gedrängt, sich einer wandern¬
den Schauspielertruppe anzuschließen, stärkte aber des Freundes Reisekasse in
zartsinniger Weise so, daß dieser seiner geheimen Sehnsucht solgen und den
poetischen Pilgergang nach Rom antreten konnte, wo er später wieder mit Kluge
zusammentraf. Es war noch die Zeit, wo verhältnißmäßig wenige Italien sahen
und genossen, die Eindrücke des italienischen Lebens waren stärker, mächtiger,
als sie jetzt sein können, und Mosers gesäumtes späteres Schaffen legt Zeug¬
niß davon ab, wie die lebendige Anschauung des Landes, die Erinnerungen an
Rom und Florenz in seiner Phantasie nachwirkten.

Ein unmittelbares poetisches Resultat der Reise erwuchs ihm durch den Fund


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/22>, abgerufen am 15.05.2024.