Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Politische Rückblicke und Ausblicke.

daß unter den Franzosen lange Jahre von Vergeltung für Waterloo die Rede
war, ohne daß etwas dabei herausgekommen wäre, daß es mit der Vergeltung
für sedem sich ähnlich gestalten wird, und es ist an seinem Theile bereit, alles,
was möglich ist, zu einer solchen Beruhigung beizutragen. Es hat reichliche
Beweise dafür gegeben, daß es Frankreich wohlwill, und daß es keine Allianzen
zu einen? Angriff auf dasselbe erstrebt. Auf neue Bündnisse zur Erhaltung des
Friedens dagegen wird es, so lange Fürst Bismarck am Ruder steht, immer
die besten Aussichten haben.

So lange das Bündniß zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn Be¬
stand hat -- und wir hoffen und glauben zuversichtlich, daß es lange Dauer
haben wird --, hat Mitteleuropa keine Combination zu erwarten, die gefährlich
wäre. Wenn unser südöstlicher Nachbar für uns ein werthvoller Freund ist,
so ist unsre Freundschaft ihm eine unumgängliche Nothwendigkeit. Keinerlei
politische Veränderung wird es, soweit menschlicher Blick reicht, einer von beiden
Mächten empfehlen, sich andre Freunde im Osten oder Westen zu suchen und
den alten deshalb zu verlassen. Das aber schließt ein gutes Verhältniß zu
solchen Mächten nicht aus, deren wahre Interessen und deren Absichten nicht
gegen ein Verbleiben Deutschlands an der Seite Oesterreich-Ungarns sprechen.
Wenn in Wien oder Pest, wie behauptet wurde, Zweifel daran aufgetaucht
sind, so kann das von den maßgebenden Kreisen in keiner Weise gelten. Der
deutsche Kaiser und seine Regierung hatten durchaus keine Ursache, in die von
Rußland gebotne Hand nicht einzuschlagen. Ein enges Freundschaftsverhältniß
zwischen Berlin und Wien ist natürlich und nützlich. Ein friedliches und freund¬
nachbarliches Verhältniß aber zwischen uns, Oesterreich-Ungarn und Rußland
wird jeder verständige Politiker für besser erklären müssen.

Wenden wir uns endlich dem Süden zu, so ist vielfach von der Absicht
Italiens die Rede gewesen, sich dem Bündnisse zwischen Deutschland und Oester¬
reich-Ungarn anzuschließen, und zu gleicher Zeit wurde von einem Plane des
Königs Humbert berichtet, einen Besuch am Wiener, wie andre Zeituugscor-
respondeuzen meldeten, auch am Berliner Hofe zu machen und dadurch jene
Absicht vor der Oeffentlichkeit zu documentiren. Unter anderm wollte der Ber¬
liner Berichterstatter der Times in der dritten Augustwoche in Erfahrung ge¬
bracht haben, daß die vorläufigen Verhandlungen über diese Angelegenheit, welche,
vom Quirinal angeregt, seit einiger Zeit zwischen diesem und dem Wiener Ca-
binet geschwebt, nunmehr insoweit zu einem Einverständnisse geführt hätten, als
Kaiser Franz Josef dem ihm vom Könige von Italien ausgesprochenen Wunsche
zugestimmt habe, ihm in Wien einen Besuch abzustatten. So versichere man
zu Berlin "in wohlunterrichteten Kreisen," mit denen vermuthlich die der eng¬
lischen Botschaft gemeint waren. Der Correspondent fuhr dann fort, die Zu¬
sammenkunft der beiden Monarchen, die wahrscheinlich in einem der nächsten'
Monate, im Verlaufe der ersten Herbstwochcn stattfinden werde, gelte in der


Politische Rückblicke und Ausblicke.

daß unter den Franzosen lange Jahre von Vergeltung für Waterloo die Rede
war, ohne daß etwas dabei herausgekommen wäre, daß es mit der Vergeltung
für sedem sich ähnlich gestalten wird, und es ist an seinem Theile bereit, alles,
was möglich ist, zu einer solchen Beruhigung beizutragen. Es hat reichliche
Beweise dafür gegeben, daß es Frankreich wohlwill, und daß es keine Allianzen
zu einen? Angriff auf dasselbe erstrebt. Auf neue Bündnisse zur Erhaltung des
Friedens dagegen wird es, so lange Fürst Bismarck am Ruder steht, immer
die besten Aussichten haben.

So lange das Bündniß zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn Be¬
stand hat — und wir hoffen und glauben zuversichtlich, daß es lange Dauer
haben wird —, hat Mitteleuropa keine Combination zu erwarten, die gefährlich
wäre. Wenn unser südöstlicher Nachbar für uns ein werthvoller Freund ist,
so ist unsre Freundschaft ihm eine unumgängliche Nothwendigkeit. Keinerlei
politische Veränderung wird es, soweit menschlicher Blick reicht, einer von beiden
Mächten empfehlen, sich andre Freunde im Osten oder Westen zu suchen und
den alten deshalb zu verlassen. Das aber schließt ein gutes Verhältniß zu
solchen Mächten nicht aus, deren wahre Interessen und deren Absichten nicht
gegen ein Verbleiben Deutschlands an der Seite Oesterreich-Ungarns sprechen.
Wenn in Wien oder Pest, wie behauptet wurde, Zweifel daran aufgetaucht
sind, so kann das von den maßgebenden Kreisen in keiner Weise gelten. Der
deutsche Kaiser und seine Regierung hatten durchaus keine Ursache, in die von
Rußland gebotne Hand nicht einzuschlagen. Ein enges Freundschaftsverhältniß
zwischen Berlin und Wien ist natürlich und nützlich. Ein friedliches und freund¬
nachbarliches Verhältniß aber zwischen uns, Oesterreich-Ungarn und Rußland
wird jeder verständige Politiker für besser erklären müssen.

Wenden wir uns endlich dem Süden zu, so ist vielfach von der Absicht
Italiens die Rede gewesen, sich dem Bündnisse zwischen Deutschland und Oester¬
reich-Ungarn anzuschließen, und zu gleicher Zeit wurde von einem Plane des
Königs Humbert berichtet, einen Besuch am Wiener, wie andre Zeituugscor-
respondeuzen meldeten, auch am Berliner Hofe zu machen und dadurch jene
Absicht vor der Oeffentlichkeit zu documentiren. Unter anderm wollte der Ber¬
liner Berichterstatter der Times in der dritten Augustwoche in Erfahrung ge¬
bracht haben, daß die vorläufigen Verhandlungen über diese Angelegenheit, welche,
vom Quirinal angeregt, seit einiger Zeit zwischen diesem und dem Wiener Ca-
binet geschwebt, nunmehr insoweit zu einem Einverständnisse geführt hätten, als
Kaiser Franz Josef dem ihm vom Könige von Italien ausgesprochenen Wunsche
zugestimmt habe, ihm in Wien einen Besuch abzustatten. So versichere man
zu Berlin „in wohlunterrichteten Kreisen," mit denen vermuthlich die der eng¬
lischen Botschaft gemeint waren. Der Correspondent fuhr dann fort, die Zu¬
sammenkunft der beiden Monarchen, die wahrscheinlich in einem der nächsten'
Monate, im Verlaufe der ersten Herbstwochcn stattfinden werde, gelte in der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0010" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/150732"/>
          <fw type="header" place="top"> Politische Rückblicke und Ausblicke.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_8" prev="#ID_7"> daß unter den Franzosen lange Jahre von Vergeltung für Waterloo die Rede<lb/>
war, ohne daß etwas dabei herausgekommen wäre, daß es mit der Vergeltung<lb/>
für sedem sich ähnlich gestalten wird, und es ist an seinem Theile bereit, alles,<lb/>
was möglich ist, zu einer solchen Beruhigung beizutragen. Es hat reichliche<lb/>
Beweise dafür gegeben, daß es Frankreich wohlwill, und daß es keine Allianzen<lb/>
zu einen? Angriff auf dasselbe erstrebt. Auf neue Bündnisse zur Erhaltung des<lb/>
Friedens dagegen wird es, so lange Fürst Bismarck am Ruder steht, immer<lb/>
die besten Aussichten haben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_9"> So lange das Bündniß zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn Be¬<lb/>
stand hat &#x2014; und wir hoffen und glauben zuversichtlich, daß es lange Dauer<lb/>
haben wird &#x2014;, hat Mitteleuropa keine Combination zu erwarten, die gefährlich<lb/>
wäre. Wenn unser südöstlicher Nachbar für uns ein werthvoller Freund ist,<lb/>
so ist unsre Freundschaft ihm eine unumgängliche Nothwendigkeit. Keinerlei<lb/>
politische Veränderung wird es, soweit menschlicher Blick reicht, einer von beiden<lb/>
Mächten empfehlen, sich andre Freunde im Osten oder Westen zu suchen und<lb/>
den alten deshalb zu verlassen. Das aber schließt ein gutes Verhältniß zu<lb/>
solchen Mächten nicht aus, deren wahre Interessen und deren Absichten nicht<lb/>
gegen ein Verbleiben Deutschlands an der Seite Oesterreich-Ungarns sprechen.<lb/>
Wenn in Wien oder Pest, wie behauptet wurde, Zweifel daran aufgetaucht<lb/>
sind, so kann das von den maßgebenden Kreisen in keiner Weise gelten. Der<lb/>
deutsche Kaiser und seine Regierung hatten durchaus keine Ursache, in die von<lb/>
Rußland gebotne Hand nicht einzuschlagen. Ein enges Freundschaftsverhältniß<lb/>
zwischen Berlin und Wien ist natürlich und nützlich. Ein friedliches und freund¬<lb/>
nachbarliches Verhältniß aber zwischen uns, Oesterreich-Ungarn und Rußland<lb/>
wird jeder verständige Politiker für besser erklären müssen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_10" next="#ID_11"> Wenden wir uns endlich dem Süden zu, so ist vielfach von der Absicht<lb/>
Italiens die Rede gewesen, sich dem Bündnisse zwischen Deutschland und Oester¬<lb/>
reich-Ungarn anzuschließen, und zu gleicher Zeit wurde von einem Plane des<lb/>
Königs Humbert berichtet, einen Besuch am Wiener, wie andre Zeituugscor-<lb/>
respondeuzen meldeten, auch am Berliner Hofe zu machen und dadurch jene<lb/>
Absicht vor der Oeffentlichkeit zu documentiren. Unter anderm wollte der Ber¬<lb/>
liner Berichterstatter der Times in der dritten Augustwoche in Erfahrung ge¬<lb/>
bracht haben, daß die vorläufigen Verhandlungen über diese Angelegenheit, welche,<lb/>
vom Quirinal angeregt, seit einiger Zeit zwischen diesem und dem Wiener Ca-<lb/>
binet geschwebt, nunmehr insoweit zu einem Einverständnisse geführt hätten, als<lb/>
Kaiser Franz Josef dem ihm vom Könige von Italien ausgesprochenen Wunsche<lb/>
zugestimmt habe, ihm in Wien einen Besuch abzustatten. So versichere man<lb/>
zu Berlin &#x201E;in wohlunterrichteten Kreisen," mit denen vermuthlich die der eng¬<lb/>
lischen Botschaft gemeint waren. Der Correspondent fuhr dann fort, die Zu¬<lb/>
sammenkunft der beiden Monarchen, die wahrscheinlich in einem der nächsten'<lb/>
Monate, im Verlaufe der ersten Herbstwochcn stattfinden werde, gelte in der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0010] Politische Rückblicke und Ausblicke. daß unter den Franzosen lange Jahre von Vergeltung für Waterloo die Rede war, ohne daß etwas dabei herausgekommen wäre, daß es mit der Vergeltung für sedem sich ähnlich gestalten wird, und es ist an seinem Theile bereit, alles, was möglich ist, zu einer solchen Beruhigung beizutragen. Es hat reichliche Beweise dafür gegeben, daß es Frankreich wohlwill, und daß es keine Allianzen zu einen? Angriff auf dasselbe erstrebt. Auf neue Bündnisse zur Erhaltung des Friedens dagegen wird es, so lange Fürst Bismarck am Ruder steht, immer die besten Aussichten haben. So lange das Bündniß zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn Be¬ stand hat — und wir hoffen und glauben zuversichtlich, daß es lange Dauer haben wird —, hat Mitteleuropa keine Combination zu erwarten, die gefährlich wäre. Wenn unser südöstlicher Nachbar für uns ein werthvoller Freund ist, so ist unsre Freundschaft ihm eine unumgängliche Nothwendigkeit. Keinerlei politische Veränderung wird es, soweit menschlicher Blick reicht, einer von beiden Mächten empfehlen, sich andre Freunde im Osten oder Westen zu suchen und den alten deshalb zu verlassen. Das aber schließt ein gutes Verhältniß zu solchen Mächten nicht aus, deren wahre Interessen und deren Absichten nicht gegen ein Verbleiben Deutschlands an der Seite Oesterreich-Ungarns sprechen. Wenn in Wien oder Pest, wie behauptet wurde, Zweifel daran aufgetaucht sind, so kann das von den maßgebenden Kreisen in keiner Weise gelten. Der deutsche Kaiser und seine Regierung hatten durchaus keine Ursache, in die von Rußland gebotne Hand nicht einzuschlagen. Ein enges Freundschaftsverhältniß zwischen Berlin und Wien ist natürlich und nützlich. Ein friedliches und freund¬ nachbarliches Verhältniß aber zwischen uns, Oesterreich-Ungarn und Rußland wird jeder verständige Politiker für besser erklären müssen. Wenden wir uns endlich dem Süden zu, so ist vielfach von der Absicht Italiens die Rede gewesen, sich dem Bündnisse zwischen Deutschland und Oester¬ reich-Ungarn anzuschließen, und zu gleicher Zeit wurde von einem Plane des Königs Humbert berichtet, einen Besuch am Wiener, wie andre Zeituugscor- respondeuzen meldeten, auch am Berliner Hofe zu machen und dadurch jene Absicht vor der Oeffentlichkeit zu documentiren. Unter anderm wollte der Ber¬ liner Berichterstatter der Times in der dritten Augustwoche in Erfahrung ge¬ bracht haben, daß die vorläufigen Verhandlungen über diese Angelegenheit, welche, vom Quirinal angeregt, seit einiger Zeit zwischen diesem und dem Wiener Ca- binet geschwebt, nunmehr insoweit zu einem Einverständnisse geführt hätten, als Kaiser Franz Josef dem ihm vom Könige von Italien ausgesprochenen Wunsche zugestimmt habe, ihm in Wien einen Besuch abzustatten. So versichere man zu Berlin „in wohlunterrichteten Kreisen," mit denen vermuthlich die der eng¬ lischen Botschaft gemeint waren. Der Correspondent fuhr dann fort, die Zu¬ sammenkunft der beiden Monarchen, die wahrscheinlich in einem der nächsten' Monate, im Verlaufe der ersten Herbstwochcn stattfinden werde, gelte in der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/10
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/10>, abgerufen am 15.05.2024.