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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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vom Reichskanzler Mit vom Reichstage.

Reihenfolge, nach der sie auftreten und die Regierung und ihre Vertheidiger
verarbeiten sollten. Man stimmte in den Zeitungsredactionen schon die Instru¬
mente zu dein großen Tusch, mit dem der Sieg der parlamentarischen Freiheits¬
kämpfer über die "Reaction," der natürlich gar nicht ausbleiben konnte, begriißt
werden sollte. Für eine Claque mit derben, breiten Händen und ein kräftiges
Echo der Claque war gleichermaßen Sorge getragen. DaS Schicksal aber, oder,
da dieses sich wohl um solche absurde Schau- und Spektakelstücke nicht viel
kümmert, ein den Regisseuren nicht wohlgesinnter Kobold aus dem Hausboden
des Theaters wollte es anders, und so fiel der schöngedachte Plan in den
Brunnen, und statt der männermvrdeuden Schlacht, die man arrangirt hatte,
kam es nicht einmal zu einem Zweikampfe, sondern nur zu einem Monologe,
der unerwiedert blieb. Das Warum wird vielleicht offenbar werden, ehe die
Todten auferstehen, vielleicht auch nicht. Mittlerweile wird in der Presse, je
nach der Partei, der man dient, gerathen: Unfähigkeit und Unentschlossenheit
der Geguer, die sich zum Worte gemeldet, Ueberflüssigkeit einer Entgegnung auf
Phrasen und Allgemeinheiten, die längst schon dagewesen, und die auch nur mit
oft gehörten allgemeinen Redensarten hätten erwiedert werden können -- einerlei,
was es war, wenn die Regierung und die conservativen Redner zu den Lei¬
stungen des Herrn Richter schwiegen. Die Unmöglichkeit, auf seine Ausfälle
zu antworten, seiue Taschenspielcrkunststücke mit den Zahlen des Budgets als
solche zu enthüllen, seine sophistischen Gruppirungen der Thatsachen ins rechte
Licht zu stelle" und die darauf gebauten Trugschlüsse zu widerlegen, war es
sicherlich nicht, und so darf mau sich freuen, daß es so gekommen, wie sehr sich
nun auch die Fvrtschrittsblätter und ihre Vettern und Gevattern die Hände
reiben und die imposante Schneidigkeit ihres Wortführers und die erdrückende
Wucht seiner Beweise rühmen mögen. Wir können warten. Die Specialbe-
rathung des Budgets wird diesem Triumphe bald genug ein Ende machen, und
inzwischen wollen wir mit Genugthuung die Thatsache genießen, daß mit solchen
Nichtigkeiten, die doch lediglich zum Fenster hinausgeredet werden, nicht der
Sache, sondern nur der Eitelkeit des betreffenden Rhetors dienen, niemand über¬
zeugen und einzig und allein parlamentarische Neulinge nicht langweilen, nur
ein paar Stunden und nicht, wie der Plan der Liberalen wollte, drei ganze
schone Tage verwüstet worden sind.

Selbstverständlich nach dem gesagten ist, daß auch wir uns nicht zu einer
Widerlegung des Richterschen Geredes herbeizulassen gedenken. Auch wir haben
besseres zu thun. Doch mögen ein paar Worte über die Klage hier angebracht
sein, daß der Kanzler das persönliche Eintreten des Kaisers für die Reformpläne
seiner Regierung herbeigeführt oder uicht verhindert habe. Hiergegen ist zweierlei
zu bemerken. Erstens wußte die Partei Herrn Richters bisher nicht genug Worte
zu finden, um das angebliche Verhältniß zu tadeln und zu verurtheilen, nach
welchem der Kanzler seine Politik wie ein Hausmeier neben dem Monarchen


vom Reichskanzler Mit vom Reichstage.

Reihenfolge, nach der sie auftreten und die Regierung und ihre Vertheidiger
verarbeiten sollten. Man stimmte in den Zeitungsredactionen schon die Instru¬
mente zu dein großen Tusch, mit dem der Sieg der parlamentarischen Freiheits¬
kämpfer über die „Reaction," der natürlich gar nicht ausbleiben konnte, begriißt
werden sollte. Für eine Claque mit derben, breiten Händen und ein kräftiges
Echo der Claque war gleichermaßen Sorge getragen. DaS Schicksal aber, oder,
da dieses sich wohl um solche absurde Schau- und Spektakelstücke nicht viel
kümmert, ein den Regisseuren nicht wohlgesinnter Kobold aus dem Hausboden
des Theaters wollte es anders, und so fiel der schöngedachte Plan in den
Brunnen, und statt der männermvrdeuden Schlacht, die man arrangirt hatte,
kam es nicht einmal zu einem Zweikampfe, sondern nur zu einem Monologe,
der unerwiedert blieb. Das Warum wird vielleicht offenbar werden, ehe die
Todten auferstehen, vielleicht auch nicht. Mittlerweile wird in der Presse, je
nach der Partei, der man dient, gerathen: Unfähigkeit und Unentschlossenheit
der Geguer, die sich zum Worte gemeldet, Ueberflüssigkeit einer Entgegnung auf
Phrasen und Allgemeinheiten, die längst schon dagewesen, und die auch nur mit
oft gehörten allgemeinen Redensarten hätten erwiedert werden können — einerlei,
was es war, wenn die Regierung und die conservativen Redner zu den Lei¬
stungen des Herrn Richter schwiegen. Die Unmöglichkeit, auf seine Ausfälle
zu antworten, seiue Taschenspielcrkunststücke mit den Zahlen des Budgets als
solche zu enthüllen, seine sophistischen Gruppirungen der Thatsachen ins rechte
Licht zu stelle» und die darauf gebauten Trugschlüsse zu widerlegen, war es
sicherlich nicht, und so darf mau sich freuen, daß es so gekommen, wie sehr sich
nun auch die Fvrtschrittsblätter und ihre Vettern und Gevattern die Hände
reiben und die imposante Schneidigkeit ihres Wortführers und die erdrückende
Wucht seiner Beweise rühmen mögen. Wir können warten. Die Specialbe-
rathung des Budgets wird diesem Triumphe bald genug ein Ende machen, und
inzwischen wollen wir mit Genugthuung die Thatsache genießen, daß mit solchen
Nichtigkeiten, die doch lediglich zum Fenster hinausgeredet werden, nicht der
Sache, sondern nur der Eitelkeit des betreffenden Rhetors dienen, niemand über¬
zeugen und einzig und allein parlamentarische Neulinge nicht langweilen, nur
ein paar Stunden und nicht, wie der Plan der Liberalen wollte, drei ganze
schone Tage verwüstet worden sind.

Selbstverständlich nach dem gesagten ist, daß auch wir uns nicht zu einer
Widerlegung des Richterschen Geredes herbeizulassen gedenken. Auch wir haben
besseres zu thun. Doch mögen ein paar Worte über die Klage hier angebracht
sein, daß der Kanzler das persönliche Eintreten des Kaisers für die Reformpläne
seiner Regierung herbeigeführt oder uicht verhindert habe. Hiergegen ist zweierlei
zu bemerken. Erstens wußte die Partei Herrn Richters bisher nicht genug Worte
zu finden, um das angebliche Verhältniß zu tadeln und zu verurtheilen, nach
welchem der Kanzler seine Politik wie ein Hausmeier neben dem Monarchen


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[0397] vom Reichskanzler Mit vom Reichstage. Reihenfolge, nach der sie auftreten und die Regierung und ihre Vertheidiger verarbeiten sollten. Man stimmte in den Zeitungsredactionen schon die Instru¬ mente zu dein großen Tusch, mit dem der Sieg der parlamentarischen Freiheits¬ kämpfer über die „Reaction," der natürlich gar nicht ausbleiben konnte, begriißt werden sollte. Für eine Claque mit derben, breiten Händen und ein kräftiges Echo der Claque war gleichermaßen Sorge getragen. DaS Schicksal aber, oder, da dieses sich wohl um solche absurde Schau- und Spektakelstücke nicht viel kümmert, ein den Regisseuren nicht wohlgesinnter Kobold aus dem Hausboden des Theaters wollte es anders, und so fiel der schöngedachte Plan in den Brunnen, und statt der männermvrdeuden Schlacht, die man arrangirt hatte, kam es nicht einmal zu einem Zweikampfe, sondern nur zu einem Monologe, der unerwiedert blieb. Das Warum wird vielleicht offenbar werden, ehe die Todten auferstehen, vielleicht auch nicht. Mittlerweile wird in der Presse, je nach der Partei, der man dient, gerathen: Unfähigkeit und Unentschlossenheit der Geguer, die sich zum Worte gemeldet, Ueberflüssigkeit einer Entgegnung auf Phrasen und Allgemeinheiten, die längst schon dagewesen, und die auch nur mit oft gehörten allgemeinen Redensarten hätten erwiedert werden können — einerlei, was es war, wenn die Regierung und die conservativen Redner zu den Lei¬ stungen des Herrn Richter schwiegen. Die Unmöglichkeit, auf seine Ausfälle zu antworten, seiue Taschenspielcrkunststücke mit den Zahlen des Budgets als solche zu enthüllen, seine sophistischen Gruppirungen der Thatsachen ins rechte Licht zu stelle» und die darauf gebauten Trugschlüsse zu widerlegen, war es sicherlich nicht, und so darf mau sich freuen, daß es so gekommen, wie sehr sich nun auch die Fvrtschrittsblätter und ihre Vettern und Gevattern die Hände reiben und die imposante Schneidigkeit ihres Wortführers und die erdrückende Wucht seiner Beweise rühmen mögen. Wir können warten. Die Specialbe- rathung des Budgets wird diesem Triumphe bald genug ein Ende machen, und inzwischen wollen wir mit Genugthuung die Thatsache genießen, daß mit solchen Nichtigkeiten, die doch lediglich zum Fenster hinausgeredet werden, nicht der Sache, sondern nur der Eitelkeit des betreffenden Rhetors dienen, niemand über¬ zeugen und einzig und allein parlamentarische Neulinge nicht langweilen, nur ein paar Stunden und nicht, wie der Plan der Liberalen wollte, drei ganze schone Tage verwüstet worden sind. Selbstverständlich nach dem gesagten ist, daß auch wir uns nicht zu einer Widerlegung des Richterschen Geredes herbeizulassen gedenken. Auch wir haben besseres zu thun. Doch mögen ein paar Worte über die Klage hier angebracht sein, daß der Kanzler das persönliche Eintreten des Kaisers für die Reformpläne seiner Regierung herbeigeführt oder uicht verhindert habe. Hiergegen ist zweierlei zu bemerken. Erstens wußte die Partei Herrn Richters bisher nicht genug Worte zu finden, um das angebliche Verhältniß zu tadeln und zu verurtheilen, nach welchem der Kanzler seine Politik wie ein Hausmeier neben dem Monarchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/397>, abgerufen am 29.05.2024.