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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Aus der Zeit nach dein Tilsiter Frieden,

zu beschwichtigen. In keinem Falle werde sich der Kaiser Franz dazu verstehen,
die getrvffnen Anordnungen zurückzunehmen. Auf die Fortdauer der Sympathien
des Königs von Preußen lege derselbe das größte Gewicht. Der gegenwärtige
Augenblick sei zwar nicht darnach angethan, förmliche Verträge abzuschließen,
allein man hoffe, der König werde in keine Abmachungen willigen, die den In¬
teressen Oesterreichs zuwiderliefen. Hrubi ging sodann auf die Anhäufung fran¬
zösischer Truppen in Schlesien über und berührte dabei noch einmal die Be¬
deutung der Festungen Cosel, Silberberg und Glatz. Nach einer Bemerkung
Stations fürchtete man in Wien noch immer, die Franzosen würden versuchen,
sich dieser Plätze zu bemächtigen, und hegte sogar den Verdacht, der General
Grciwert werde ihnen dabei behilflich sein. Goltz stellte das sehr entschieden in
Abrede und erklärte, wenn der Krieg ausbrechen sollte, so werde Graf Götzen
in Schlesien das Commando übernehmen. Der preußische Minister fügte dem
hinzu, das Hauptbestreben des Königs sei, sich freie Hand gegenüber Frankreich
zu bewahren, weshalb er auch seinen Bruder angewiesen habe, mit Napoleon
nicht mehr über einen Allianzvertrag, sondern nur noch über die Räumung des
Landes zu verhandeln.

Als der Vertreter Oesterreichs Stein hierüber befragte, erhielt er die Ant¬
wort, der König denke genau so, wie Goltz ihm gesagt. Das feste Benehmen
des Wiener Hoff in der Frage wegen der Rüstungen verdiene lebhafte Aner¬
kennung, er erblicke darin mit dem Könige den Geist, der allein noch imstande
sei, Deutschland von der Knechtschaft zu befreien, unter der- es seufze. Oester¬
reichs eigne Selbsterhaltung erheische Benutzung des jetzigen günstigen Standes
der Dinge; denn es sei zu weit gegangen, um sich nicht Napoleons Feindschaft
für immer zugezogen zu haben. Preußen werde die erste schickliche Gelegenheit
ergreifen, um zu dem erhabenen Zwecke thätig mitzuwirken.

Alexander scheint von diesen Erörterungen nichts erfahren zu haben. Aber
Friedrich Wilhelm wiederholte ihm jetzt mündlich seinen Entschluß, von dem er
it)in zuletzt geschrieben, lieber sein Glück mit Oesterreich zu versuchen, als die
unerträglichen Forderungen Napoleons über sich ergehen zu lassen. Auch ließ
u>an es nicht an Bemühungen fehlen, den Zaren umzustimmen und ihn für die
Sache Preußens und Oesterreichs zu gewinnen, und Stein überreichte ihm zu
dem Zwecke die aus Pertz' Leben Steins (II., 227) bekannte Denkschrift. Allein
bei Alexander fanden diese Vorstellungen keinen Eingang. Er erklärte von neuem,
was er dem Wiener Cabinet hatte auseinandersetzen lassen: der Zeitpunkt für
den Kampf sei noch nicht gekommen, und.man müsse abwarten, bis Napoleon
sich tiefer in die spanischen Dinge verstrickt habe. Dagegen versprach er aber¬
mals mit Entschiedenheit, von jenem gewissenhafte Ausführung des Tilsiter
Friedens, namentlich in den Preußen angehenden Punkten, zu verlangen und
uicht eher zu ruhen, als bis er eine Ermäßigung der Bedingungen Napoleons,
die inzwischen in Königsberg nach allen Einzelnheiten bekannt geworden waren,'


Grenzboten IV. 1881. "
Aus der Zeit nach dein Tilsiter Frieden,

zu beschwichtigen. In keinem Falle werde sich der Kaiser Franz dazu verstehen,
die getrvffnen Anordnungen zurückzunehmen. Auf die Fortdauer der Sympathien
des Königs von Preußen lege derselbe das größte Gewicht. Der gegenwärtige
Augenblick sei zwar nicht darnach angethan, förmliche Verträge abzuschließen,
allein man hoffe, der König werde in keine Abmachungen willigen, die den In¬
teressen Oesterreichs zuwiderliefen. Hrubi ging sodann auf die Anhäufung fran¬
zösischer Truppen in Schlesien über und berührte dabei noch einmal die Be¬
deutung der Festungen Cosel, Silberberg und Glatz. Nach einer Bemerkung
Stations fürchtete man in Wien noch immer, die Franzosen würden versuchen,
sich dieser Plätze zu bemächtigen, und hegte sogar den Verdacht, der General
Grciwert werde ihnen dabei behilflich sein. Goltz stellte das sehr entschieden in
Abrede und erklärte, wenn der Krieg ausbrechen sollte, so werde Graf Götzen
in Schlesien das Commando übernehmen. Der preußische Minister fügte dem
hinzu, das Hauptbestreben des Königs sei, sich freie Hand gegenüber Frankreich
zu bewahren, weshalb er auch seinen Bruder angewiesen habe, mit Napoleon
nicht mehr über einen Allianzvertrag, sondern nur noch über die Räumung des
Landes zu verhandeln.

Als der Vertreter Oesterreichs Stein hierüber befragte, erhielt er die Ant¬
wort, der König denke genau so, wie Goltz ihm gesagt. Das feste Benehmen
des Wiener Hoff in der Frage wegen der Rüstungen verdiene lebhafte Aner¬
kennung, er erblicke darin mit dem Könige den Geist, der allein noch imstande
sei, Deutschland von der Knechtschaft zu befreien, unter der- es seufze. Oester¬
reichs eigne Selbsterhaltung erheische Benutzung des jetzigen günstigen Standes
der Dinge; denn es sei zu weit gegangen, um sich nicht Napoleons Feindschaft
für immer zugezogen zu haben. Preußen werde die erste schickliche Gelegenheit
ergreifen, um zu dem erhabenen Zwecke thätig mitzuwirken.

Alexander scheint von diesen Erörterungen nichts erfahren zu haben. Aber
Friedrich Wilhelm wiederholte ihm jetzt mündlich seinen Entschluß, von dem er
it)in zuletzt geschrieben, lieber sein Glück mit Oesterreich zu versuchen, als die
unerträglichen Forderungen Napoleons über sich ergehen zu lassen. Auch ließ
u>an es nicht an Bemühungen fehlen, den Zaren umzustimmen und ihn für die
Sache Preußens und Oesterreichs zu gewinnen, und Stein überreichte ihm zu
dem Zwecke die aus Pertz' Leben Steins (II., 227) bekannte Denkschrift. Allein
bei Alexander fanden diese Vorstellungen keinen Eingang. Er erklärte von neuem,
was er dem Wiener Cabinet hatte auseinandersetzen lassen: der Zeitpunkt für
den Kampf sei noch nicht gekommen, und.man müsse abwarten, bis Napoleon
sich tiefer in die spanischen Dinge verstrickt habe. Dagegen versprach er aber¬
mals mit Entschiedenheit, von jenem gewissenhafte Ausführung des Tilsiter
Friedens, namentlich in den Preußen angehenden Punkten, zu verlangen und
uicht eher zu ruhen, als bis er eine Ermäßigung der Bedingungen Napoleons,
die inzwischen in Königsberg nach allen Einzelnheiten bekannt geworden waren,'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/71>, abgerufen am 31.05.2024.