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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Zu Goethes Leipziger Studentenzeit.

Nach unsrer Chronik handelte es sich dabei nicht um einen einmaligen
Unfug, sondern um eine ganze Reihe von Excessen, die sich durch die Sommer¬
monate des Jahres 1768 hinzogen. Den Anfang machte ein mutwilliger Streich,
den eine Anzahl Studenten am Abend des 29. Juli verübt hatten, nachdem das
Vogelschießen der Schützengesellschaft mit dem üblichen Feuerwerk geschlossen
worden war.

"Da nun dieses Vergnügen ein Ende hatte -- erzählt der Chronist --,
so giengen einige stucliosi, nach Plagwitz in die Geßnerische schmale, und wurde
eine Studenten Wache vor dieselbe geleget, und wann "w<I<zudem hineinwolteu,
so von der ^ümre nichts wüsten, wurden sie in die andere schmale zu gehen
beordert, letztere ist alsdeu so voll worden, daß kein Mensch mehr hineingehen
könne"; Handwercks Pursche und ander liederlich Gesinde! haben sich r";willen
müßen, und haben sich die Pursche gantz ruhig gehalten. Nach 12. Uhr in-u-odiren
200. Pursche in die Geßnerische schmale, wie aber die Wirthin siehet, daß die
Pursche so starck ankommen, entspringet sie mit ihrer I'u,nil1i<z, nnterdeßen aber
zerschmeißen die stnäkntcn alles was ihnen vorkommt, Krüge, Gläser, Fenster
und den Ofen. Es kamen auch die Bauern der Schenckin zu Hülfe, welche aber
durch 50. Studenten zurück getrieben worden. Wie alles ruiniret war, giengen die
Pursche geruhig in die andere schmale. Der Schaden wurde ans 80 reht. an^timiret.

Den 31. als Sotttags Abends giengen 50. bis 60. Studenten durch das
Peters Thor, welche kein Thor Geld geben wollen, da kam es mit denen Stadt
Soldaten zum Hand Gemenge, ein Soldat aber so die Wache hatte, wurde von
denen Studenten auf den Peters Kirchhofs getragen, die Flinte genommen, und
mit Schlägen übel ti-Ävtiret, als bat er um seine Flinte, daß mau sie ihm geben
solte, so haben die Studenten solche mit dem grösten Ungestüm auf die Erde
geworffen, und gieng alles nach Hause.

>Den dritten Angustj giengen 5 Studenten dnrch das Grimmische Thor,
als daßelbe geschloßen war, viere bezahlten das Thor Geld, Malern als das
Haupt wolte solches nicht geben, sondern wiedersetzte sich der Wache, und ent¬
blößte den Degen. Wie die andern 4. dieses hören, kamen sie wieder zurück,
der eine davon stach die Schildwache in die Hand, zwey entkamen, Malern und
noch einer wurden sogleich in die Hauptwache gebracht, und andern Tages durch
die Pedells abgehohlet und auf das (üarc-kr gebracht. Wie Malern ins Verhör
kam, gab er 2. andere, so Anführer im Peters Thore gewesen seyn sollen, an,
welche Schicßler und Seyfert waren, solche ließen Ihr. NÄg-mit'. der Hr. livotor
auch gleich hohlen und ins <Ig.ro"r setzen. Als dies geschehen, wurde eine Wache
von Stadt Soldaten an das Oareizr in dem Zwinger gestellt. Von dieser Zeit
an mußten 50. Mann Feld-Soldaten die Nacht hindurch ius Schloß auf das
!^<in6t, ziehen.

Den 11. war vor die Leipziger ^.o^äkimsten ein trauriges Schauspiel. Es
hatte nehmlich der In<me.öttcmt Olroiin mit den Stadt Hauptmcm dem Kaufmanne


Zu Goethes Leipziger Studentenzeit.

Nach unsrer Chronik handelte es sich dabei nicht um einen einmaligen
Unfug, sondern um eine ganze Reihe von Excessen, die sich durch die Sommer¬
monate des Jahres 1768 hinzogen. Den Anfang machte ein mutwilliger Streich,
den eine Anzahl Studenten am Abend des 29. Juli verübt hatten, nachdem das
Vogelschießen der Schützengesellschaft mit dem üblichen Feuerwerk geschlossen
worden war.

„Da nun dieses Vergnügen ein Ende hatte — erzählt der Chronist —,
so giengen einige stucliosi, nach Plagwitz in die Geßnerische schmale, und wurde
eine Studenten Wache vor dieselbe geleget, und wann «w<I<zudem hineinwolteu,
so von der ^ümre nichts wüsten, wurden sie in die andere schmale zu gehen
beordert, letztere ist alsdeu so voll worden, daß kein Mensch mehr hineingehen
könne»; Handwercks Pursche und ander liederlich Gesinde! haben sich r«;willen
müßen, und haben sich die Pursche gantz ruhig gehalten. Nach 12. Uhr in-u-odiren
200. Pursche in die Geßnerische schmale, wie aber die Wirthin siehet, daß die
Pursche so starck ankommen, entspringet sie mit ihrer I'u,nil1i<z, nnterdeßen aber
zerschmeißen die stnäkntcn alles was ihnen vorkommt, Krüge, Gläser, Fenster
und den Ofen. Es kamen auch die Bauern der Schenckin zu Hülfe, welche aber
durch 50. Studenten zurück getrieben worden. Wie alles ruiniret war, giengen die
Pursche geruhig in die andere schmale. Der Schaden wurde ans 80 reht. an^timiret.

Den 31. als Sotttags Abends giengen 50. bis 60. Studenten durch das
Peters Thor, welche kein Thor Geld geben wollen, da kam es mit denen Stadt
Soldaten zum Hand Gemenge, ein Soldat aber so die Wache hatte, wurde von
denen Studenten auf den Peters Kirchhofs getragen, die Flinte genommen, und
mit Schlägen übel ti-Ävtiret, als bat er um seine Flinte, daß mau sie ihm geben
solte, so haben die Studenten solche mit dem grösten Ungestüm auf die Erde
geworffen, und gieng alles nach Hause.

>Den dritten Angustj giengen 5 Studenten dnrch das Grimmische Thor,
als daßelbe geschloßen war, viere bezahlten das Thor Geld, Malern als das
Haupt wolte solches nicht geben, sondern wiedersetzte sich der Wache, und ent¬
blößte den Degen. Wie die andern 4. dieses hören, kamen sie wieder zurück,
der eine davon stach die Schildwache in die Hand, zwey entkamen, Malern und
noch einer wurden sogleich in die Hauptwache gebracht, und andern Tages durch
die Pedells abgehohlet und auf das (üarc-kr gebracht. Wie Malern ins Verhör
kam, gab er 2. andere, so Anführer im Peters Thore gewesen seyn sollen, an,
welche Schicßler und Seyfert waren, solche ließen Ihr. NÄg-mit'. der Hr. livotor
auch gleich hohlen und ins <Ig.ro«r setzen. Als dies geschehen, wurde eine Wache
von Stadt Soldaten an das Oareizr in dem Zwinger gestellt. Von dieser Zeit
an mußten 50. Mann Feld-Soldaten die Nacht hindurch ius Schloß auf das
!^<in6t, ziehen.

Den 11. war vor die Leipziger ^.o^äkimsten ein trauriges Schauspiel. Es
hatte nehmlich der In<me.öttcmt Olroiin mit den Stadt Hauptmcm dem Kaufmanne


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[0131] Zu Goethes Leipziger Studentenzeit. Nach unsrer Chronik handelte es sich dabei nicht um einen einmaligen Unfug, sondern um eine ganze Reihe von Excessen, die sich durch die Sommer¬ monate des Jahres 1768 hinzogen. Den Anfang machte ein mutwilliger Streich, den eine Anzahl Studenten am Abend des 29. Juli verübt hatten, nachdem das Vogelschießen der Schützengesellschaft mit dem üblichen Feuerwerk geschlossen worden war. „Da nun dieses Vergnügen ein Ende hatte — erzählt der Chronist —, so giengen einige stucliosi, nach Plagwitz in die Geßnerische schmale, und wurde eine Studenten Wache vor dieselbe geleget, und wann «w<I<zudem hineinwolteu, so von der ^ümre nichts wüsten, wurden sie in die andere schmale zu gehen beordert, letztere ist alsdeu so voll worden, daß kein Mensch mehr hineingehen könne»; Handwercks Pursche und ander liederlich Gesinde! haben sich r«;willen müßen, und haben sich die Pursche gantz ruhig gehalten. Nach 12. Uhr in-u-odiren 200. Pursche in die Geßnerische schmale, wie aber die Wirthin siehet, daß die Pursche so starck ankommen, entspringet sie mit ihrer I'u,nil1i<z, nnterdeßen aber zerschmeißen die stnäkntcn alles was ihnen vorkommt, Krüge, Gläser, Fenster und den Ofen. Es kamen auch die Bauern der Schenckin zu Hülfe, welche aber durch 50. Studenten zurück getrieben worden. Wie alles ruiniret war, giengen die Pursche geruhig in die andere schmale. Der Schaden wurde ans 80 reht. an^timiret. Den 31. als Sotttags Abends giengen 50. bis 60. Studenten durch das Peters Thor, welche kein Thor Geld geben wollen, da kam es mit denen Stadt Soldaten zum Hand Gemenge, ein Soldat aber so die Wache hatte, wurde von denen Studenten auf den Peters Kirchhofs getragen, die Flinte genommen, und mit Schlägen übel ti-Ävtiret, als bat er um seine Flinte, daß mau sie ihm geben solte, so haben die Studenten solche mit dem grösten Ungestüm auf die Erde geworffen, und gieng alles nach Hause. >Den dritten Angustj giengen 5 Studenten dnrch das Grimmische Thor, als daßelbe geschloßen war, viere bezahlten das Thor Geld, Malern als das Haupt wolte solches nicht geben, sondern wiedersetzte sich der Wache, und ent¬ blößte den Degen. Wie die andern 4. dieses hören, kamen sie wieder zurück, der eine davon stach die Schildwache in die Hand, zwey entkamen, Malern und noch einer wurden sogleich in die Hauptwache gebracht, und andern Tages durch die Pedells abgehohlet und auf das (üarc-kr gebracht. Wie Malern ins Verhör kam, gab er 2. andere, so Anführer im Peters Thore gewesen seyn sollen, an, welche Schicßler und Seyfert waren, solche ließen Ihr. NÄg-mit'. der Hr. livotor auch gleich hohlen und ins <Ig.ro«r setzen. Als dies geschehen, wurde eine Wache von Stadt Soldaten an das Oareizr in dem Zwinger gestellt. Von dieser Zeit an mußten 50. Mann Feld-Soldaten die Nacht hindurch ius Schloß auf das !^<in6t, ziehen. Den 11. war vor die Leipziger ^.o^äkimsten ein trauriges Schauspiel. Es hatte nehmlich der In<me.öttcmt Olroiin mit den Stadt Hauptmcm dem Kaufmanne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/131>, abgerufen am 17.06.2024.