Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Klaviermusik seit Robert Schumann.

Motiven hängt. Er hat sie zu großen, durch und durch fesselnde" Bildern ans
dein Volksleben ausgeführt. Der "Norwegische Hochzeitzug" ist darunter das
berühmteste. Aus der Zeit, wo Grieg sich noch mehr an Gabe anschloß, ist
eine sonnte in l'-in<>>! (op. 7) besonders bemerkenswert. Sie enthält eins der
eigentümlichsten Scherzi, die wir kennen, durchaus eignen und vornehmen Stils.

Als nu Gabe sich anlehnender, sehr gebildeter und talentvoller Klavier-
lompvnist skandinavischer Abkunft ist noch August Win ding zu nennen, dessen
"Genrebilder" hiermit bestens empfohlen sein mögen. Schwächer ist E. Hart¬
mann. England, das zu Schumnuus Zeit in der Klavierkomposition durch die
zarten, "nschnldsvolleu Nntnrpvesieu Bennets vertreten war, besitzt nach dessen
Tode keinen Klavierkomponisten von Vedentuug mehr. Italien hat schon seit
Scarlatti aboizirt. In jüngster Zeit hat sich der junge Römer Sgambati
mit einigen achtbaren Kleinigkeiten, darunter einer originellen "Musette," be¬
merkbar gemacht. Genannt wird außerdem Gvbbi.

In Deutschland hat innerhalb der letzten Jahre das Bild, welches wir ein¬
gangs von der neueren Klavierkompositivu entwarfen, keine wesentliche Änderung
erfahren, und bis auf eine einzige geringe Ausnahme hat uiemnud versucht,
weitere als die bereits gekennzeichneten Richtungen einzuschlagen. Wir könnten
diese ganze letzte Periode mit Stillschweigen übergehen, wenn es nicht als eine
Pflicht erschiene, einiger jungen Tonsetzer zu gedenken, die etwas künstlerisch
Tüchtiges geleistet, und anderer, die das ernstlich wenigstens erstrebt haben
Etliche sind noch in der Entwicklung und berechtigen zu weiteren Hoffnungen,
der eine oder der andere wird vielleicht über kurz oder lang der Autorität jener
eben genannten Ausländer das Gewicht eines deutschen Namens entgegensetzen
können. Neben dem großen Wust von bloßem Klciviersntter, welchen die musi¬
kalische Durchschnittsqualität der Spieler uoch immer zu einem gangbaren Handels¬
artikel macht, ist doch auch eine kleine Anzahl von Kunstwerken zustande ge¬
kommen, die Freude und Achtung erwecken können.

Einzelne dieser gediegeuereu Klavierkomponisten siud uur mit wenige"
Nummern hervorgetreten und haben dann andern deu Vordergrund überlassen-
Uuter ihnen führen wir an Carl Piutti, Wilhelm Clausen (den inter¬
essanten Liederkompvnisten), A. Naubert und Richard Metzdvrff. Letzter
hat in seinem "Liebesdramn" (ox. 21) ein interessantes Spezimen gegeben von
der Anwendung des Wagnerschen Tristanstiles auf die Klaviermusik. Sechs vor¬
wiegend langsame Sätze, in der überschwünglichsteu Schwärmerei gehalten,
immer ans der Hochflut der Gefühle einherziehend, in jeder Beziehung überladen,
lasse" es bedauern, daß der Komponist das hübsche Talent, welches er für inter¬
essante Arbeit besitzt, nicht etwas ökonomischer behandelt. Noch wäre dieser
Gruppe H. Hofmann, der allzeit gewandte und verbindliche Komponist des
"Ärmchen von Tharan," anzuschließen, sowie der tüchtige Pianist Jsidor Sciß-
Hält er sich auch in seinen Ideen noch sehr ein bewährte Muster. so zeigt er


Die Klaviermusik seit Robert Schumann.

Motiven hängt. Er hat sie zu großen, durch und durch fesselnde« Bildern ans
dein Volksleben ausgeführt. Der „Norwegische Hochzeitzug" ist darunter das
berühmteste. Aus der Zeit, wo Grieg sich noch mehr an Gabe anschloß, ist
eine sonnte in l'-in<>>! (op. 7) besonders bemerkenswert. Sie enthält eins der
eigentümlichsten Scherzi, die wir kennen, durchaus eignen und vornehmen Stils.

Als nu Gabe sich anlehnender, sehr gebildeter und talentvoller Klavier-
lompvnist skandinavischer Abkunft ist noch August Win ding zu nennen, dessen
„Genrebilder" hiermit bestens empfohlen sein mögen. Schwächer ist E. Hart¬
mann. England, das zu Schumnuus Zeit in der Klavierkomposition durch die
zarten, »nschnldsvolleu Nntnrpvesieu Bennets vertreten war, besitzt nach dessen
Tode keinen Klavierkomponisten von Vedentuug mehr. Italien hat schon seit
Scarlatti aboizirt. In jüngster Zeit hat sich der junge Römer Sgambati
mit einigen achtbaren Kleinigkeiten, darunter einer originellen „Musette," be¬
merkbar gemacht. Genannt wird außerdem Gvbbi.

In Deutschland hat innerhalb der letzten Jahre das Bild, welches wir ein¬
gangs von der neueren Klavierkompositivu entwarfen, keine wesentliche Änderung
erfahren, und bis auf eine einzige geringe Ausnahme hat uiemnud versucht,
weitere als die bereits gekennzeichneten Richtungen einzuschlagen. Wir könnten
diese ganze letzte Periode mit Stillschweigen übergehen, wenn es nicht als eine
Pflicht erschiene, einiger jungen Tonsetzer zu gedenken, die etwas künstlerisch
Tüchtiges geleistet, und anderer, die das ernstlich wenigstens erstrebt haben
Etliche sind noch in der Entwicklung und berechtigen zu weiteren Hoffnungen,
der eine oder der andere wird vielleicht über kurz oder lang der Autorität jener
eben genannten Ausländer das Gewicht eines deutschen Namens entgegensetzen
können. Neben dem großen Wust von bloßem Klciviersntter, welchen die musi¬
kalische Durchschnittsqualität der Spieler uoch immer zu einem gangbaren Handels¬
artikel macht, ist doch auch eine kleine Anzahl von Kunstwerken zustande ge¬
kommen, die Freude und Achtung erwecken können.

Einzelne dieser gediegeuereu Klavierkomponisten siud uur mit wenige»
Nummern hervorgetreten und haben dann andern deu Vordergrund überlassen-
Uuter ihnen führen wir an Carl Piutti, Wilhelm Clausen (den inter¬
essanten Liederkompvnisten), A. Naubert und Richard Metzdvrff. Letzter
hat in seinem „Liebesdramn" (ox. 21) ein interessantes Spezimen gegeben von
der Anwendung des Wagnerschen Tristanstiles auf die Klaviermusik. Sechs vor¬
wiegend langsame Sätze, in der überschwünglichsteu Schwärmerei gehalten,
immer ans der Hochflut der Gefühle einherziehend, in jeder Beziehung überladen,
lasse» es bedauern, daß der Komponist das hübsche Talent, welches er für inter¬
essante Arbeit besitzt, nicht etwas ökonomischer behandelt. Noch wäre dieser
Gruppe H. Hofmann, der allzeit gewandte und verbindliche Komponist des
„Ärmchen von Tharan," anzuschließen, sowie der tüchtige Pianist Jsidor Sciß-
Hält er sich auch in seinen Ideen noch sehr ein bewährte Muster. so zeigt er


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0144" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/194122"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Klaviermusik seit Robert Schumann.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_467" prev="#ID_466"> Motiven hängt. Er hat sie zu großen, durch und durch fesselnde« Bildern ans<lb/>
dein Volksleben ausgeführt. Der &#x201E;Norwegische Hochzeitzug" ist darunter das<lb/>
berühmteste. Aus der Zeit, wo Grieg sich noch mehr an Gabe anschloß, ist<lb/>
eine sonnte in l'-in&lt;&gt;&gt;! (op. 7) besonders bemerkenswert. Sie enthält eins der<lb/>
eigentümlichsten Scherzi, die wir kennen, durchaus eignen und vornehmen Stils.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_468"> Als nu Gabe sich anlehnender, sehr gebildeter und talentvoller Klavier-<lb/>
lompvnist skandinavischer Abkunft ist noch August Win ding zu nennen, dessen<lb/>
&#x201E;Genrebilder" hiermit bestens empfohlen sein mögen. Schwächer ist E. Hart¬<lb/>
mann. England, das zu Schumnuus Zeit in der Klavierkomposition durch die<lb/>
zarten, »nschnldsvolleu Nntnrpvesieu Bennets vertreten war, besitzt nach dessen<lb/>
Tode keinen Klavierkomponisten von Vedentuug mehr. Italien hat schon seit<lb/>
Scarlatti aboizirt. In jüngster Zeit hat sich der junge Römer Sgambati<lb/>
mit einigen achtbaren Kleinigkeiten, darunter einer originellen &#x201E;Musette," be¬<lb/>
merkbar gemacht.  Genannt wird außerdem Gvbbi.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_469"> In Deutschland hat innerhalb der letzten Jahre das Bild, welches wir ein¬<lb/>
gangs von der neueren Klavierkompositivu entwarfen, keine wesentliche Änderung<lb/>
erfahren, und bis auf eine einzige geringe Ausnahme hat uiemnud versucht,<lb/>
weitere als die bereits gekennzeichneten Richtungen einzuschlagen. Wir könnten<lb/>
diese ganze letzte Periode mit Stillschweigen übergehen, wenn es nicht als eine<lb/>
Pflicht erschiene, einiger jungen Tonsetzer zu gedenken, die etwas künstlerisch<lb/>
Tüchtiges geleistet, und anderer, die das ernstlich wenigstens erstrebt haben<lb/>
Etliche sind noch in der Entwicklung und berechtigen zu weiteren Hoffnungen,<lb/>
der eine oder der andere wird vielleicht über kurz oder lang der Autorität jener<lb/>
eben genannten Ausländer das Gewicht eines deutschen Namens entgegensetzen<lb/>
können. Neben dem großen Wust von bloßem Klciviersntter, welchen die musi¬<lb/>
kalische Durchschnittsqualität der Spieler uoch immer zu einem gangbaren Handels¬<lb/>
artikel macht, ist doch auch eine kleine Anzahl von Kunstwerken zustande ge¬<lb/>
kommen, die Freude und Achtung erwecken können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_470" next="#ID_471"> Einzelne dieser gediegeuereu Klavierkomponisten siud uur mit wenige»<lb/>
Nummern hervorgetreten und haben dann andern deu Vordergrund überlassen-<lb/>
Uuter ihnen führen wir an Carl Piutti, Wilhelm Clausen (den inter¬<lb/>
essanten Liederkompvnisten), A. Naubert und Richard Metzdvrff. Letzter<lb/>
hat in seinem &#x201E;Liebesdramn" (ox. 21) ein interessantes Spezimen gegeben von<lb/>
der Anwendung des Wagnerschen Tristanstiles auf die Klaviermusik. Sechs vor¬<lb/>
wiegend langsame Sätze, in der überschwünglichsteu Schwärmerei gehalten,<lb/>
immer ans der Hochflut der Gefühle einherziehend, in jeder Beziehung überladen,<lb/>
lasse» es bedauern, daß der Komponist das hübsche Talent, welches er für inter¬<lb/>
essante Arbeit besitzt, nicht etwas ökonomischer behandelt. Noch wäre dieser<lb/>
Gruppe H. Hofmann, der allzeit gewandte und verbindliche Komponist des<lb/>
&#x201E;Ärmchen von Tharan," anzuschließen, sowie der tüchtige Pianist Jsidor Sciß-<lb/>
Hält er sich auch in seinen Ideen noch sehr ein bewährte Muster. so zeigt er</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0144] Die Klaviermusik seit Robert Schumann. Motiven hängt. Er hat sie zu großen, durch und durch fesselnde« Bildern ans dein Volksleben ausgeführt. Der „Norwegische Hochzeitzug" ist darunter das berühmteste. Aus der Zeit, wo Grieg sich noch mehr an Gabe anschloß, ist eine sonnte in l'-in<>>! (op. 7) besonders bemerkenswert. Sie enthält eins der eigentümlichsten Scherzi, die wir kennen, durchaus eignen und vornehmen Stils. Als nu Gabe sich anlehnender, sehr gebildeter und talentvoller Klavier- lompvnist skandinavischer Abkunft ist noch August Win ding zu nennen, dessen „Genrebilder" hiermit bestens empfohlen sein mögen. Schwächer ist E. Hart¬ mann. England, das zu Schumnuus Zeit in der Klavierkomposition durch die zarten, »nschnldsvolleu Nntnrpvesieu Bennets vertreten war, besitzt nach dessen Tode keinen Klavierkomponisten von Vedentuug mehr. Italien hat schon seit Scarlatti aboizirt. In jüngster Zeit hat sich der junge Römer Sgambati mit einigen achtbaren Kleinigkeiten, darunter einer originellen „Musette," be¬ merkbar gemacht. Genannt wird außerdem Gvbbi. In Deutschland hat innerhalb der letzten Jahre das Bild, welches wir ein¬ gangs von der neueren Klavierkompositivu entwarfen, keine wesentliche Änderung erfahren, und bis auf eine einzige geringe Ausnahme hat uiemnud versucht, weitere als die bereits gekennzeichneten Richtungen einzuschlagen. Wir könnten diese ganze letzte Periode mit Stillschweigen übergehen, wenn es nicht als eine Pflicht erschiene, einiger jungen Tonsetzer zu gedenken, die etwas künstlerisch Tüchtiges geleistet, und anderer, die das ernstlich wenigstens erstrebt haben Etliche sind noch in der Entwicklung und berechtigen zu weiteren Hoffnungen, der eine oder der andere wird vielleicht über kurz oder lang der Autorität jener eben genannten Ausländer das Gewicht eines deutschen Namens entgegensetzen können. Neben dem großen Wust von bloßem Klciviersntter, welchen die musi¬ kalische Durchschnittsqualität der Spieler uoch immer zu einem gangbaren Handels¬ artikel macht, ist doch auch eine kleine Anzahl von Kunstwerken zustande ge¬ kommen, die Freude und Achtung erwecken können. Einzelne dieser gediegeuereu Klavierkomponisten siud uur mit wenige» Nummern hervorgetreten und haben dann andern deu Vordergrund überlassen- Uuter ihnen führen wir an Carl Piutti, Wilhelm Clausen (den inter¬ essanten Liederkompvnisten), A. Naubert und Richard Metzdvrff. Letzter hat in seinem „Liebesdramn" (ox. 21) ein interessantes Spezimen gegeben von der Anwendung des Wagnerschen Tristanstiles auf die Klaviermusik. Sechs vor¬ wiegend langsame Sätze, in der überschwünglichsteu Schwärmerei gehalten, immer ans der Hochflut der Gefühle einherziehend, in jeder Beziehung überladen, lasse» es bedauern, daß der Komponist das hübsche Talent, welches er für inter¬ essante Arbeit besitzt, nicht etwas ökonomischer behandelt. Noch wäre dieser Gruppe H. Hofmann, der allzeit gewandte und verbindliche Komponist des „Ärmchen von Tharan," anzuschließen, sowie der tüchtige Pianist Jsidor Sciß- Hält er sich auch in seinen Ideen noch sehr ein bewährte Muster. so zeigt er

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/144
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/144>, abgerufen am 17.06.2024.