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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Die Klaviermusik seit Robert Schumann.

sollte sich jeder einmal die "Ballade" (op. 4) dieser Dame ansehen, in welcher das
Schauerliche so faustdick und so verschwenderisch aufgetragen ist, wie Nur es
sonst nur in den Mordgeschichten der Jahrmarktsrhapsvden finden. Den Glauben
an den Kvmpvniftenberuf der Frauen, der so wie so nur an etlichen Werke"
Clara Schumanns eine Stütze hat, völlig zu vernichten, sind die Klaoierkom-
Positionen vou Aline Hunde bestens geeignet.

Unter deu Klavierkvmponisten jüngster Zeit, welche ebenfalls durch den
Berliner Verlag bekannt geworden sind, bleiben als beachtenswert zu nennen:
Max Josef Beer und Alban Förster. Die Hefte des ersteren wirken durch
die poetischen Titel anziehend. Wir finden dnrnnter "Eichendorffiana" und
"Ghaselen." Der zweite zeichnet sich dnrch die Leichtigkeit und Gewandtheit ans,
mit welcher seine anspruchslosen Phantasien hingeworfen sind. Eine hervor
sagende Stellung winkt ihm auf dem Gebiete der Jugendmusik.

Außerhalb des Berliner Kreises haben sich als beachtenswerte Talente ge¬
zeigt: Ernst Deurer, Otto Klanwell und W. v. Viln. Man findet in
ihren Heften manche Spuren von Individualität. Weniger dnrch Kraft als
durch edles Streben interessant ist M. Pechtlcr.

Deu Schluß unsrer Revue machen wir mit dein Hinweis auf zwei hervor¬
ragende und noch viel versprechende junge Talente: Julins Röntgen und
Hans Huber. Der erstere hat schon in seineu Kinderjahren zahlreiche Beweise eines
ungewöhnlichen Fvrmtnlentes gegeben und-frühzeitig die Virtuosität in der tech¬
nischen Beherrschung des großen Stils erworben. Wie das nicht anders sein konnte,
wechseln aber in diesen Jugendarbeiten ganz vollendete Partien mit unbedeutenden
Mitteilungen, und neben musikalischen Meisterzügen stehen zahlreiche Wendungen
äußerlich konventioneller Natur. Diese Ungleichheit weicht jetzt einer gleichmäßigen
Reife, und der innere Gehalt wird zusehends stärker und stärker. Namentlich seine
"Jmprovisata" über ein norwegisches Thema zeigt einen solchen Drang im Entwurf,
soviel Schwung und Frische in der Ausführung, Unmittelbarkeit und Feuer in
den Übergängen und Anschlüssen, daß wir ans dieses Talent große Hoffnungen
setzen dürfen. Die Bekanntschaft mit den Klavierkvmpvsitivnen Haus Hubers
zahlen wir zu deu erfreulichsten Ergebnissen unsrer mühevollen Forschungen.
Noch ist er uicht frei vou Eigenheiten, die zur Entwicklung gehören, aber einer
von den wenigen, die nicht bloß gründlich in allen Sätteln der Schulen gelernt
haben, wie man komponirt, sondern in einer schonen bedeutenden Menschen-
nntur das besitze", was des Komponirens, der künstlerischen Mitteilung
wert ist. Wer seine "Gedenkblätter," seine Sonate zu Mörikes "Maler Rollen,"
seinen Zyklus "Weihnachten" und andre seiner schwunghaften und frischen Baga¬
tellen, wie die Bourree nud das Menuett (in ox. 14) angesehen, wird mit uns
.der Meinung sein, daß hier ein wahrer Komponist vor uns steht, ans den, uns
der Himmel einen recht großen Meister werden lassen möge!




Die Klaviermusik seit Robert Schumann.

sollte sich jeder einmal die „Ballade" (op. 4) dieser Dame ansehen, in welcher das
Schauerliche so faustdick und so verschwenderisch aufgetragen ist, wie Nur es
sonst nur in den Mordgeschichten der Jahrmarktsrhapsvden finden. Den Glauben
an den Kvmpvniftenberuf der Frauen, der so wie so nur an etlichen Werke»
Clara Schumanns eine Stütze hat, völlig zu vernichten, sind die Klaoierkom-
Positionen vou Aline Hunde bestens geeignet.

Unter deu Klavierkvmponisten jüngster Zeit, welche ebenfalls durch den
Berliner Verlag bekannt geworden sind, bleiben als beachtenswert zu nennen:
Max Josef Beer und Alban Förster. Die Hefte des ersteren wirken durch
die poetischen Titel anziehend. Wir finden dnrnnter „Eichendorffiana" und
„Ghaselen." Der zweite zeichnet sich dnrch die Leichtigkeit und Gewandtheit ans,
mit welcher seine anspruchslosen Phantasien hingeworfen sind. Eine hervor
sagende Stellung winkt ihm auf dem Gebiete der Jugendmusik.

Außerhalb des Berliner Kreises haben sich als beachtenswerte Talente ge¬
zeigt: Ernst Deurer, Otto Klanwell und W. v. Viln. Man findet in
ihren Heften manche Spuren von Individualität. Weniger dnrch Kraft als
durch edles Streben interessant ist M. Pechtlcr.

Deu Schluß unsrer Revue machen wir mit dein Hinweis auf zwei hervor¬
ragende und noch viel versprechende junge Talente: Julins Röntgen und
Hans Huber. Der erstere hat schon in seineu Kinderjahren zahlreiche Beweise eines
ungewöhnlichen Fvrmtnlentes gegeben und-frühzeitig die Virtuosität in der tech¬
nischen Beherrschung des großen Stils erworben. Wie das nicht anders sein konnte,
wechseln aber in diesen Jugendarbeiten ganz vollendete Partien mit unbedeutenden
Mitteilungen, und neben musikalischen Meisterzügen stehen zahlreiche Wendungen
äußerlich konventioneller Natur. Diese Ungleichheit weicht jetzt einer gleichmäßigen
Reife, und der innere Gehalt wird zusehends stärker und stärker. Namentlich seine
„Jmprovisata" über ein norwegisches Thema zeigt einen solchen Drang im Entwurf,
soviel Schwung und Frische in der Ausführung, Unmittelbarkeit und Feuer in
den Übergängen und Anschlüssen, daß wir ans dieses Talent große Hoffnungen
setzen dürfen. Die Bekanntschaft mit den Klavierkvmpvsitivnen Haus Hubers
zahlen wir zu deu erfreulichsten Ergebnissen unsrer mühevollen Forschungen.
Noch ist er uicht frei vou Eigenheiten, die zur Entwicklung gehören, aber einer
von den wenigen, die nicht bloß gründlich in allen Sätteln der Schulen gelernt
haben, wie man komponirt, sondern in einer schonen bedeutenden Menschen-
nntur das besitze», was des Komponirens, der künstlerischen Mitteilung
wert ist. Wer seine „Gedenkblätter," seine Sonate zu Mörikes „Maler Rollen,"
seinen Zyklus „Weihnachten" und andre seiner schwunghaften und frischen Baga¬
tellen, wie die Bourree nud das Menuett (in ox. 14) angesehen, wird mit uns
.der Meinung sein, daß hier ein wahrer Komponist vor uns steht, ans den, uns
der Himmel einen recht großen Meister werden lassen möge!




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[0147] Die Klaviermusik seit Robert Schumann. sollte sich jeder einmal die „Ballade" (op. 4) dieser Dame ansehen, in welcher das Schauerliche so faustdick und so verschwenderisch aufgetragen ist, wie Nur es sonst nur in den Mordgeschichten der Jahrmarktsrhapsvden finden. Den Glauben an den Kvmpvniftenberuf der Frauen, der so wie so nur an etlichen Werke» Clara Schumanns eine Stütze hat, völlig zu vernichten, sind die Klaoierkom- Positionen vou Aline Hunde bestens geeignet. Unter deu Klavierkvmponisten jüngster Zeit, welche ebenfalls durch den Berliner Verlag bekannt geworden sind, bleiben als beachtenswert zu nennen: Max Josef Beer und Alban Förster. Die Hefte des ersteren wirken durch die poetischen Titel anziehend. Wir finden dnrnnter „Eichendorffiana" und „Ghaselen." Der zweite zeichnet sich dnrch die Leichtigkeit und Gewandtheit ans, mit welcher seine anspruchslosen Phantasien hingeworfen sind. Eine hervor sagende Stellung winkt ihm auf dem Gebiete der Jugendmusik. Außerhalb des Berliner Kreises haben sich als beachtenswerte Talente ge¬ zeigt: Ernst Deurer, Otto Klanwell und W. v. Viln. Man findet in ihren Heften manche Spuren von Individualität. Weniger dnrch Kraft als durch edles Streben interessant ist M. Pechtlcr. Deu Schluß unsrer Revue machen wir mit dein Hinweis auf zwei hervor¬ ragende und noch viel versprechende junge Talente: Julins Röntgen und Hans Huber. Der erstere hat schon in seineu Kinderjahren zahlreiche Beweise eines ungewöhnlichen Fvrmtnlentes gegeben und-frühzeitig die Virtuosität in der tech¬ nischen Beherrschung des großen Stils erworben. Wie das nicht anders sein konnte, wechseln aber in diesen Jugendarbeiten ganz vollendete Partien mit unbedeutenden Mitteilungen, und neben musikalischen Meisterzügen stehen zahlreiche Wendungen äußerlich konventioneller Natur. Diese Ungleichheit weicht jetzt einer gleichmäßigen Reife, und der innere Gehalt wird zusehends stärker und stärker. Namentlich seine „Jmprovisata" über ein norwegisches Thema zeigt einen solchen Drang im Entwurf, soviel Schwung und Frische in der Ausführung, Unmittelbarkeit und Feuer in den Übergängen und Anschlüssen, daß wir ans dieses Talent große Hoffnungen setzen dürfen. Die Bekanntschaft mit den Klavierkvmpvsitivnen Haus Hubers zahlen wir zu deu erfreulichsten Ergebnissen unsrer mühevollen Forschungen. Noch ist er uicht frei vou Eigenheiten, die zur Entwicklung gehören, aber einer von den wenigen, die nicht bloß gründlich in allen Sätteln der Schulen gelernt haben, wie man komponirt, sondern in einer schonen bedeutenden Menschen- nntur das besitze», was des Komponirens, der künstlerischen Mitteilung wert ist. Wer seine „Gedenkblätter," seine Sonate zu Mörikes „Maler Rollen," seinen Zyklus „Weihnachten" und andre seiner schwunghaften und frischen Baga¬ tellen, wie die Bourree nud das Menuett (in ox. 14) angesehen, wird mit uns .der Meinung sein, daß hier ein wahrer Komponist vor uns steht, ans den, uns der Himmel einen recht großen Meister werden lassen möge!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/147>, abgerufen am 17.06.2024.