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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Literatur.

Andrew ging min zu der Thür des Knmmerchens und lies; Julien ein.

Tausend, wenn der nicht ein Hexenmeister ist! flüsterte Jonas. Beschwört
einen Engel ans seinein Tellerschrank!

Julia sah niemand und nichts als das blasse und abgefallene Gesicht auf
dem Kopfkissen. Die Angen waren jetzt wieder geschloffen, und sie schritt rasch
über die Dielen, beugte sich -- nicht ohne ein schwaches jungfräuliches Er¬
röte" -- nieder und küßte die von der Fieberhitze verdorrten Lippen, von denen
das Leben bereits entflohen schien.

Und Angust machte mit Schwierigkeit seine abgemagerte Hand von der
Bettdecke frei und legte seine kraftlosen Finger -- ach! jetzt denen eines Skeletts
gleich -- in die lebenswarme Hand Juliens und sagte -- sie beugte sich nieder,
um zu lauschen, als er mit schwacher Stimme durch die trocknen Lippen ans
einem vollen Herzen flüsterte --: Gott sei Dank!

Und der Philosoph sagte, indem er die Worte aufnahm, hörbar: Amen!

Die Mutter aber weinte nur.

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.

Rheinsberg, Friedrich der Große und Prinz Heinrich von Preußen von Andrew
Hamilton. Mit Bewilligung des Verfassers aus dein Englische" übersehe vou Rudolf
Dielitz. In zwei Bünden. Band 1. Berlin, R. von Denkers Verlag, 1882.

Im großen und ganzen an Carlyles Darstellung sich anlehnend, schildert
Hamilton nach Friedrichs Schriften wie nach den Aufzeichnungen seiner Gefährten
und Zeitgenossen die fröhlichen Tage der Rheinsberger Zeit. Mag sich auch manches
gegen die Form des Buches einwenden lassen, das in eine Reihe nur locker zu¬
sammenhängender Aufsätze über alle die Männer zerfällt, die damals Friedrich
näher traten und denen er sich mit der begeisterten Hingabe seines jugendlichen
Herzens anschloß, so gewährt doch die Lektüre mancherlei Belehrung und daneben
angenehme Unterhaltung. Nicht nur, daß manche Irrtümer, welche sich bisher in
den Werken, die jene Epoche in Friedrichs Leben behandeln, noch erhalte" haben,
berichtigt werden; das ganze Buch zeigt auch so warme Begeisterung für feinen
Helden, so tiefes Verständnis für Friedrichs Zeit und auf jeder Seite ein so feines,
zutreffendes Urteil über Friedrich selbst und seine Rheinsberger literarische und
künstlerische Thätigkeit, es ist endlich mit solcher Behaglichkeit und frischem Humor
geschrieben, daß wir nnr wünschen können, es möge auch in seinein deutschen Ge¬
wände recht viele Leser finden.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, -- Druck von Carl Maranart in Nendnitz Leipzig
Literatur.

Andrew ging min zu der Thür des Knmmerchens und lies; Julien ein.

Tausend, wenn der nicht ein Hexenmeister ist! flüsterte Jonas. Beschwört
einen Engel ans seinein Tellerschrank!

Julia sah niemand und nichts als das blasse und abgefallene Gesicht auf
dem Kopfkissen. Die Angen waren jetzt wieder geschloffen, und sie schritt rasch
über die Dielen, beugte sich — nicht ohne ein schwaches jungfräuliches Er¬
röte» — nieder und küßte die von der Fieberhitze verdorrten Lippen, von denen
das Leben bereits entflohen schien.

Und Angust machte mit Schwierigkeit seine abgemagerte Hand von der
Bettdecke frei und legte seine kraftlosen Finger — ach! jetzt denen eines Skeletts
gleich — in die lebenswarme Hand Juliens und sagte — sie beugte sich nieder,
um zu lauschen, als er mit schwacher Stimme durch die trocknen Lippen ans
einem vollen Herzen flüsterte —: Gott sei Dank!

Und der Philosoph sagte, indem er die Worte aufnahm, hörbar: Amen!

Die Mutter aber weinte nur.

(Fortsetzung folgt.)




Literatur.

Rheinsberg, Friedrich der Große und Prinz Heinrich von Preußen von Andrew
Hamilton. Mit Bewilligung des Verfassers aus dein Englische» übersehe vou Rudolf
Dielitz. In zwei Bünden. Band 1. Berlin, R. von Denkers Verlag, 1882.

Im großen und ganzen an Carlyles Darstellung sich anlehnend, schildert
Hamilton nach Friedrichs Schriften wie nach den Aufzeichnungen seiner Gefährten
und Zeitgenossen die fröhlichen Tage der Rheinsberger Zeit. Mag sich auch manches
gegen die Form des Buches einwenden lassen, das in eine Reihe nur locker zu¬
sammenhängender Aufsätze über alle die Männer zerfällt, die damals Friedrich
näher traten und denen er sich mit der begeisterten Hingabe seines jugendlichen
Herzens anschloß, so gewährt doch die Lektüre mancherlei Belehrung und daneben
angenehme Unterhaltung. Nicht nur, daß manche Irrtümer, welche sich bisher in
den Werken, die jene Epoche in Friedrichs Leben behandeln, noch erhalte» haben,
berichtigt werden; das ganze Buch zeigt auch so warme Begeisterung für feinen
Helden, so tiefes Verständnis für Friedrichs Zeit und auf jeder Seite ein so feines,
zutreffendes Urteil über Friedrich selbst und seine Rheinsberger literarische und
künstlerische Thätigkeit, es ist endlich mit solcher Behaglichkeit und frischem Humor
geschrieben, daß wir nnr wünschen können, es möge auch in seinein deutschen Ge¬
wände recht viele Leser finden.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig.
Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, — Druck von Carl Maranart in Nendnitz Leipzig
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[0156] Literatur. Andrew ging min zu der Thür des Knmmerchens und lies; Julien ein. Tausend, wenn der nicht ein Hexenmeister ist! flüsterte Jonas. Beschwört einen Engel ans seinein Tellerschrank! Julia sah niemand und nichts als das blasse und abgefallene Gesicht auf dem Kopfkissen. Die Angen waren jetzt wieder geschloffen, und sie schritt rasch über die Dielen, beugte sich — nicht ohne ein schwaches jungfräuliches Er¬ röte» — nieder und küßte die von der Fieberhitze verdorrten Lippen, von denen das Leben bereits entflohen schien. Und Angust machte mit Schwierigkeit seine abgemagerte Hand von der Bettdecke frei und legte seine kraftlosen Finger — ach! jetzt denen eines Skeletts gleich — in die lebenswarme Hand Juliens und sagte — sie beugte sich nieder, um zu lauschen, als er mit schwacher Stimme durch die trocknen Lippen ans einem vollen Herzen flüsterte —: Gott sei Dank! Und der Philosoph sagte, indem er die Worte aufnahm, hörbar: Amen! Die Mutter aber weinte nur. (Fortsetzung folgt.) Literatur. Rheinsberg, Friedrich der Große und Prinz Heinrich von Preußen von Andrew Hamilton. Mit Bewilligung des Verfassers aus dein Englische» übersehe vou Rudolf Dielitz. In zwei Bünden. Band 1. Berlin, R. von Denkers Verlag, 1882. Im großen und ganzen an Carlyles Darstellung sich anlehnend, schildert Hamilton nach Friedrichs Schriften wie nach den Aufzeichnungen seiner Gefährten und Zeitgenossen die fröhlichen Tage der Rheinsberger Zeit. Mag sich auch manches gegen die Form des Buches einwenden lassen, das in eine Reihe nur locker zu¬ sammenhängender Aufsätze über alle die Männer zerfällt, die damals Friedrich näher traten und denen er sich mit der begeisterten Hingabe seines jugendlichen Herzens anschloß, so gewährt doch die Lektüre mancherlei Belehrung und daneben angenehme Unterhaltung. Nicht nur, daß manche Irrtümer, welche sich bisher in den Werken, die jene Epoche in Friedrichs Leben behandeln, noch erhalte» haben, berichtigt werden; das ganze Buch zeigt auch so warme Begeisterung für feinen Helden, so tiefes Verständnis für Friedrichs Zeit und auf jeder Seite ein so feines, zutreffendes Urteil über Friedrich selbst und seine Rheinsberger literarische und künstlerische Thätigkeit, es ist endlich mit solcher Behaglichkeit und frischem Humor geschrieben, daß wir nnr wünschen können, es möge auch in seinein deutschen Ge¬ wände recht viele Leser finden. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grnnow in Leipzig. Verlag von F. L. Herbig in Leipzig, — Druck von Carl Maranart in Nendnitz Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/156>, abgerufen am 17.06.2024.