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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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zubeißen. Es sind ja meist Lokalgrößen, die sich im römischen Sitzungssaale
versammeln, und ihre eigentliche Aufgabe ist, jeder für seine Heimat Gesuche zu
betreiben. Worin sie aber alle Kenner siud, ist das Wort und dessen Gebrauch
und Klang. . . daher schon mehr als einmal eine schwierige Stimmung durch
geschickte, taktvolle Rede und gefälligen Stil, z. B. in Thronreden, beschworen
worden ist. . . Wenn nur bei diesem Spiele nicht so viel Zeit, Kraft, Aufmerk¬
samkeit, Leidenschaft verwendet würde, daß für die Regierung des Landes wenig
mehr übrigbleibt. Verwaltungsbeamte braucht Italien, nicht Jdealpolitiker, an
denen es nur zu viele hat; es braucht eine gute Dienstprngmatik, eine scharfe
finanzielle Kontrole, eine kernige, lieber willkürliche als schlaffe Polizei, eine auf
die Sache losgehende, nicht in Formeln sich verstrickende Justiz. Aber wer in
Italien arbeitet im kleinen statt mit großen Ansichten?" An einer andern
Stelle sagt der Verfasser: "Ein tüchtiges Geschäftsministerium thäte dem Lande
not, mit einem charaktervoller Manne an der Spitze, der bündig zu befehle",
vor allem das freigewordene Volk zur Arbeit anzuhalten und reicher zu machen
verstünde. Zunächst dazu berufen, dies Werk in die Hand zu nehmen, wäre
der König selbst. Das ist freilich nnkonstitutionell; denn im Katechismus steht:
Der König herrscht, aber regiert nicht; aber unter gegebenen Umständen, am
richtigen Orte, in Zeiten des Überganges ist der Scheinkonftitntionalismus die
vollkommenste Staatsform, eine Selbsthilfe der Natur bei widriger Lebens-
ordnung. Und wenn dabei die Stimmen im Redetempel, dem Parlament, auf'
eine Weile minder laut würden, auch das mißtönende Orchester der täglichen
Presse etwas gedämpfter spielen müßte, der Nachteil wäre nicht allzu groß."

Wäre das für die innern Angelegenheiten Italiens von Vorteil, so würde
es auch der Stellung dieses Staates nach anßen hin ohne Zweifel zu gute
kommen, seine Politik würde stetiger, vom Wechsel der Strömungen und Stim¬
mungen dessen, was man öffentliche Meinung nennt, unabhängiger, berechen¬
barer und zuverlässiger, das Laud würde büuduisfähiger werden. Und es wird
noch auf lange Zeit des Wohlwollens gewisser Nachbarn bedürfen. Zwar von
einer Begünstigung des päpstlichen Wunsches nach Einsetzung in den vorigen
Stand, die in diesen Tagen das klerikale Journal 6<z Korne besonders vom
deutschen Reiche erwartete, kann kaum irgendwo die Rede sein, und am wenigsten
ist sie da zu befürchten, wo das Blatt sie am sichersten finden zu können meint.
Wie nennen es eine grobe Selbsttäuschung, wenn es sagt: "Es ist aller Grund
zu der Hoffnung vorhanden, daß der Tag nicht fern sei, an dem zwischen den
katholischen geistlichen Autoritäten und der Berliner Regierung ein volles Ein¬
vernehmen zustande kommen wird. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß an diesem
Tage die deutschen Katholiken, welche soeben Gelegenheit gehabt haben, auf
ihrem jüngsten Kongresse von neuem gegen die augenblickliche Lage des Papsttnrnv
zu protestiren, deu Fürsten Bismarck an die bereits von ihm kundgegebene Neigung
"no, wann denn kundgegeben?^ erinnern werden, eine diplomatische Aktion w


zubeißen. Es sind ja meist Lokalgrößen, die sich im römischen Sitzungssaale
versammeln, und ihre eigentliche Aufgabe ist, jeder für seine Heimat Gesuche zu
betreiben. Worin sie aber alle Kenner siud, ist das Wort und dessen Gebrauch
und Klang. . . daher schon mehr als einmal eine schwierige Stimmung durch
geschickte, taktvolle Rede und gefälligen Stil, z. B. in Thronreden, beschworen
worden ist. . . Wenn nur bei diesem Spiele nicht so viel Zeit, Kraft, Aufmerk¬
samkeit, Leidenschaft verwendet würde, daß für die Regierung des Landes wenig
mehr übrigbleibt. Verwaltungsbeamte braucht Italien, nicht Jdealpolitiker, an
denen es nur zu viele hat; es braucht eine gute Dienstprngmatik, eine scharfe
finanzielle Kontrole, eine kernige, lieber willkürliche als schlaffe Polizei, eine auf
die Sache losgehende, nicht in Formeln sich verstrickende Justiz. Aber wer in
Italien arbeitet im kleinen statt mit großen Ansichten?" An einer andern
Stelle sagt der Verfasser: „Ein tüchtiges Geschäftsministerium thäte dem Lande
not, mit einem charaktervoller Manne an der Spitze, der bündig zu befehle»,
vor allem das freigewordene Volk zur Arbeit anzuhalten und reicher zu machen
verstünde. Zunächst dazu berufen, dies Werk in die Hand zu nehmen, wäre
der König selbst. Das ist freilich nnkonstitutionell; denn im Katechismus steht:
Der König herrscht, aber regiert nicht; aber unter gegebenen Umständen, am
richtigen Orte, in Zeiten des Überganges ist der Scheinkonftitntionalismus die
vollkommenste Staatsform, eine Selbsthilfe der Natur bei widriger Lebens-
ordnung. Und wenn dabei die Stimmen im Redetempel, dem Parlament, auf'
eine Weile minder laut würden, auch das mißtönende Orchester der täglichen
Presse etwas gedämpfter spielen müßte, der Nachteil wäre nicht allzu groß."

Wäre das für die innern Angelegenheiten Italiens von Vorteil, so würde
es auch der Stellung dieses Staates nach anßen hin ohne Zweifel zu gute
kommen, seine Politik würde stetiger, vom Wechsel der Strömungen und Stim¬
mungen dessen, was man öffentliche Meinung nennt, unabhängiger, berechen¬
barer und zuverlässiger, das Laud würde büuduisfähiger werden. Und es wird
noch auf lange Zeit des Wohlwollens gewisser Nachbarn bedürfen. Zwar von
einer Begünstigung des päpstlichen Wunsches nach Einsetzung in den vorigen
Stand, die in diesen Tagen das klerikale Journal 6<z Korne besonders vom
deutschen Reiche erwartete, kann kaum irgendwo die Rede sein, und am wenigsten
ist sie da zu befürchten, wo das Blatt sie am sichersten finden zu können meint.
Wie nennen es eine grobe Selbsttäuschung, wenn es sagt: „Es ist aller Grund
zu der Hoffnung vorhanden, daß der Tag nicht fern sei, an dem zwischen den
katholischen geistlichen Autoritäten und der Berliner Regierung ein volles Ein¬
vernehmen zustande kommen wird. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß an diesem
Tage die deutschen Katholiken, welche soeben Gelegenheit gehabt haben, auf
ihrem jüngsten Kongresse von neuem gegen die augenblickliche Lage des Papsttnrnv
zu protestiren, deu Fürsten Bismarck an die bereits von ihm kundgegebene Neigung
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/160>, abgerufen am 17.06.2024.