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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Gin Blick auf Italien.

dieser Richtung einzuleiten." Aber daß Frankreich Italiens Einheit nicht gern
sieht, ist bekannt, und wie es Italiens Interessen achtet, hat es in Tunis wieder¬
holt zur Genüge bewiesen. Man hat deshalb in Rom alle Ursache, sich mit
andern Mächten so gut als irgend möglich zu stellen und namentlich der Jrre-
denta energisch das Handwerk zu legen. Die polizeilichen Maßregeln, die gegen
diese Wühlergesellschaft infolge der Triester Bombenasfäre getroffen worden sind,
können als befriedigend bezeichnet werden. Der Leitartikel des offiziösen ?0pol0
Il.0NliZ.n0 dagegen, der die Angelegenheit besprach, ließ zu wünschen übrig. "Die
Sache, welche die Irrcdentisten verfechten, hieß es da, ist jedenfalls eine edle."
Dann Mahnung zur Geduld, weil andre geduldig und die Agitation gegen Öster¬
reich gefährlich sei. Dann wieder: "Wir verlangen von ihnen keineswegs, daß sie
ihr Ideal zum Opfer bringen, ihr Ideal, welches das aller Italiener ist; wir
begehren anch nicht die Abschwörungen heiliger Liebe zur Geburtsstätte so vieler
Patrioten, noch ein Aufgeben des innigen Wunsches, dieselben der großen
italienischen Familie einverleibt zu sehen, aber wir müssen die Emigranten daran
erinnern, daß nur die Zeit ihre Bestrebungen verwirklichen kann" u. s. w. Wir
meinen, mit solchen Ansprachen, die immer etwas im Hinterhalt haben, die wie
Wollen, nnr noch nicht Können aussehen, wird man stets unznverlüssig erscheinen
und niemals auf feste Freundschaft rechnen können, die einzig auf volles Ver¬
trauen sich gründet.

Mehr einverstanden kann man sich mit der Weise erklären, in welcher die
ministeriellen Blätter das Geschrei der Opposition nach Rüstungen im großen
Stil zurückweisen. Volksversammlungen forderten eine Erhöhung des Militär¬
budgets um mindestens 40 Millionen Lire, und die Vermehrung der italienischen
Land- und Seestreitkräfte ist weithin zum Losungswort geworden. Dieser Wunsch
ist nicht unerklärbar. Man fühlt sich politisch gedrückt. Seitdem Italien ein
einheitlicher Staat, eine Macht geworden ist, sind mancherlei Ereignisse vorge¬
kommen, bei denen Interessen desselben im Spiele waren und ihm dennoch kein
Einfluß eingeräumt und keine Verücksichtigung zuteil wurde. Die Italiener
waren hier voir früher her verwöhnt. Sie erreichten bis 1870 mehr Vorteile, als
ihnen nach dem Maße ihrer Anstrengungen zur Erlangung derselben zukam. Es
ist ganz richtig, daß sie ihre Verteidigungskräfte verstärken sollten. Aber man
muß doch auch dem Finanzminister dabei das Wort erlauben, und es ist unter dein
jetzigen Ministerium genügend für Armee und Marine gesorgt worden. Seit
dem Amtsantritte desselben sind die Ausgaben für das Landheer von 200 anf
249, die für die Kriegsflotte von 45 auf 57 Millionen Lire jährlich angewachsen.
Das Kriegsbudget Italiens beziffert sich gegenwärtig auf 306 Millionen Lire,
d. h. auf etwa 50 Prozent der gestimmten Staatsausgaben, wobei nur die Ver¬
zinsung der öffentlichen Schuld und die Eisenbahnsubventionen nicht in letztere
eingerechnet sind. Mehr wollen geht über das Können hinaus. Nach der Rede,
welche der Ministerpräsident Depretis am Sonntag vor acht Tagen in Stradella


Gin Blick auf Italien.

dieser Richtung einzuleiten." Aber daß Frankreich Italiens Einheit nicht gern
sieht, ist bekannt, und wie es Italiens Interessen achtet, hat es in Tunis wieder¬
holt zur Genüge bewiesen. Man hat deshalb in Rom alle Ursache, sich mit
andern Mächten so gut als irgend möglich zu stellen und namentlich der Jrre-
denta energisch das Handwerk zu legen. Die polizeilichen Maßregeln, die gegen
diese Wühlergesellschaft infolge der Triester Bombenasfäre getroffen worden sind,
können als befriedigend bezeichnet werden. Der Leitartikel des offiziösen ?0pol0
Il.0NliZ.n0 dagegen, der die Angelegenheit besprach, ließ zu wünschen übrig. „Die
Sache, welche die Irrcdentisten verfechten, hieß es da, ist jedenfalls eine edle."
Dann Mahnung zur Geduld, weil andre geduldig und die Agitation gegen Öster¬
reich gefährlich sei. Dann wieder: „Wir verlangen von ihnen keineswegs, daß sie
ihr Ideal zum Opfer bringen, ihr Ideal, welches das aller Italiener ist; wir
begehren anch nicht die Abschwörungen heiliger Liebe zur Geburtsstätte so vieler
Patrioten, noch ein Aufgeben des innigen Wunsches, dieselben der großen
italienischen Familie einverleibt zu sehen, aber wir müssen die Emigranten daran
erinnern, daß nur die Zeit ihre Bestrebungen verwirklichen kann" u. s. w. Wir
meinen, mit solchen Ansprachen, die immer etwas im Hinterhalt haben, die wie
Wollen, nnr noch nicht Können aussehen, wird man stets unznverlüssig erscheinen
und niemals auf feste Freundschaft rechnen können, die einzig auf volles Ver¬
trauen sich gründet.

Mehr einverstanden kann man sich mit der Weise erklären, in welcher die
ministeriellen Blätter das Geschrei der Opposition nach Rüstungen im großen
Stil zurückweisen. Volksversammlungen forderten eine Erhöhung des Militär¬
budgets um mindestens 40 Millionen Lire, und die Vermehrung der italienischen
Land- und Seestreitkräfte ist weithin zum Losungswort geworden. Dieser Wunsch
ist nicht unerklärbar. Man fühlt sich politisch gedrückt. Seitdem Italien ein
einheitlicher Staat, eine Macht geworden ist, sind mancherlei Ereignisse vorge¬
kommen, bei denen Interessen desselben im Spiele waren und ihm dennoch kein
Einfluß eingeräumt und keine Verücksichtigung zuteil wurde. Die Italiener
waren hier voir früher her verwöhnt. Sie erreichten bis 1870 mehr Vorteile, als
ihnen nach dem Maße ihrer Anstrengungen zur Erlangung derselben zukam. Es
ist ganz richtig, daß sie ihre Verteidigungskräfte verstärken sollten. Aber man
muß doch auch dem Finanzminister dabei das Wort erlauben, und es ist unter dein
jetzigen Ministerium genügend für Armee und Marine gesorgt worden. Seit
dem Amtsantritte desselben sind die Ausgaben für das Landheer von 200 anf
249, die für die Kriegsflotte von 45 auf 57 Millionen Lire jährlich angewachsen.
Das Kriegsbudget Italiens beziffert sich gegenwärtig auf 306 Millionen Lire,
d. h. auf etwa 50 Prozent der gestimmten Staatsausgaben, wobei nur die Ver¬
zinsung der öffentlichen Schuld und die Eisenbahnsubventionen nicht in letztere
eingerechnet sind. Mehr wollen geht über das Können hinaus. Nach der Rede,
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[0161] Gin Blick auf Italien. dieser Richtung einzuleiten." Aber daß Frankreich Italiens Einheit nicht gern sieht, ist bekannt, und wie es Italiens Interessen achtet, hat es in Tunis wieder¬ holt zur Genüge bewiesen. Man hat deshalb in Rom alle Ursache, sich mit andern Mächten so gut als irgend möglich zu stellen und namentlich der Jrre- denta energisch das Handwerk zu legen. Die polizeilichen Maßregeln, die gegen diese Wühlergesellschaft infolge der Triester Bombenasfäre getroffen worden sind, können als befriedigend bezeichnet werden. Der Leitartikel des offiziösen ?0pol0 Il.0NliZ.n0 dagegen, der die Angelegenheit besprach, ließ zu wünschen übrig. „Die Sache, welche die Irrcdentisten verfechten, hieß es da, ist jedenfalls eine edle." Dann Mahnung zur Geduld, weil andre geduldig und die Agitation gegen Öster¬ reich gefährlich sei. Dann wieder: „Wir verlangen von ihnen keineswegs, daß sie ihr Ideal zum Opfer bringen, ihr Ideal, welches das aller Italiener ist; wir begehren anch nicht die Abschwörungen heiliger Liebe zur Geburtsstätte so vieler Patrioten, noch ein Aufgeben des innigen Wunsches, dieselben der großen italienischen Familie einverleibt zu sehen, aber wir müssen die Emigranten daran erinnern, daß nur die Zeit ihre Bestrebungen verwirklichen kann" u. s. w. Wir meinen, mit solchen Ansprachen, die immer etwas im Hinterhalt haben, die wie Wollen, nnr noch nicht Können aussehen, wird man stets unznverlüssig erscheinen und niemals auf feste Freundschaft rechnen können, die einzig auf volles Ver¬ trauen sich gründet. Mehr einverstanden kann man sich mit der Weise erklären, in welcher die ministeriellen Blätter das Geschrei der Opposition nach Rüstungen im großen Stil zurückweisen. Volksversammlungen forderten eine Erhöhung des Militär¬ budgets um mindestens 40 Millionen Lire, und die Vermehrung der italienischen Land- und Seestreitkräfte ist weithin zum Losungswort geworden. Dieser Wunsch ist nicht unerklärbar. Man fühlt sich politisch gedrückt. Seitdem Italien ein einheitlicher Staat, eine Macht geworden ist, sind mancherlei Ereignisse vorge¬ kommen, bei denen Interessen desselben im Spiele waren und ihm dennoch kein Einfluß eingeräumt und keine Verücksichtigung zuteil wurde. Die Italiener waren hier voir früher her verwöhnt. Sie erreichten bis 1870 mehr Vorteile, als ihnen nach dem Maße ihrer Anstrengungen zur Erlangung derselben zukam. Es ist ganz richtig, daß sie ihre Verteidigungskräfte verstärken sollten. Aber man muß doch auch dem Finanzminister dabei das Wort erlauben, und es ist unter dein jetzigen Ministerium genügend für Armee und Marine gesorgt worden. Seit dem Amtsantritte desselben sind die Ausgaben für das Landheer von 200 anf 249, die für die Kriegsflotte von 45 auf 57 Millionen Lire jährlich angewachsen. Das Kriegsbudget Italiens beziffert sich gegenwärtig auf 306 Millionen Lire, d. h. auf etwa 50 Prozent der gestimmten Staatsausgaben, wobei nur die Ver¬ zinsung der öffentlichen Schuld und die Eisenbahnsubventionen nicht in letztere eingerechnet sind. Mehr wollen geht über das Können hinaus. Nach der Rede, welche der Ministerpräsident Depretis am Sonntag vor acht Tagen in Stradella

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/161>, abgerufen am 17.06.2024.