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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Konkurrenzen in der Erklärung der deutschen Familiennamen.

Auch innerhalb der patrvnymischen Formen der heutigen Familiennamen
giebt es einzelne Fälle, welche einer verschiedenen Beurteilung ausgesetzt sind.
Da das genetivische -s sich sehr häufig als -z äußert, also mit dem hypokori-
stischen -z zusammentrifft, so können Zweifel eintreten, welches von diesen beide"
Verhältnissen gemeint sei. Im allgemeinen darf angenommen werden, daß das
auslautende -z der Vollnamen als patronymisch, der Kurznamen als hypvko-
ristisch zu gelten habe. Man vergleiche einerseits Behrenz, Gvdderz, Lie¬
berz, Lieferz, Richarz, Roelosz, Seisriz; anderseits Diez und Deetz,
Lutz und Lautz, Nutz und Krutz, denen gleichwohl die Patrouymica Diets
und Decks, Luths und Lauts, Rüths und Cruts gegenüberstehen, woraus
sich jene, obgleich es wenig wahrscheinlich ist, einzelnemale gestaltet haben könnten.
Heute scheiden sich die Familien Schalls und Schmitz vermöge der Schreibung
ihres Namens; es will aber nicht recht einleuchten, daß Schmitz einem alten
Personennamen Linidi^o, Luli-lo, der neben Linicis und Lraidilo nicht einmal
überliefert zu sei" scheint, entspreche, wohl dagegen, daß er von Schalls nur
graphisch abstehe. In einer ähnlichen Lage befinden sich Wirts und Wirtz,
obgleich für deu letztern Namen die altdeutsche Form ^Vvröo, wenn sie zu ^Vvrä
(wert, würdig) gehört, in Anschlag gebracht werden mag. Sind Gertz,
Gchrtz gleich Gerdes, Gerths (Gerhard) oder gleich einer kaum nachweis¬
baren Koseform von 6kr? -- Heutige Namen auf -ken enthalten entweder die
alte Deminutivform -Kilt, oder das n ist patronymisch und dem Deminutiv -ke
angehängt: Hünecken, Willen können auf Huniouw, "Williliin bezogen werden,
aber auch von Hünicke, Wille stammen. Dieselbe Unsicherheit mag zuweilen
die auf deu Stamm folgende Endung -en treffen; z. V. Harden, Lübben,
Roben lassen sich den deminutiven Hg-rciin, lunam, Urocliu gleichstellen, jedoch
auch als schwache Genetivformen von Hart, Lüdde, Rode betrachten. -- In
einigen oberdeutschen Mundarten werden patronymische Geschlechtsnamen dnrch
die Endung -er gebildet, z. B. Dietzer, Kürzer, Manzcr, Seibolter,
Wilhelmer, welche von Dietz, Kunz, Manz, Seibold, Wilhelm deutlich
abgeleitet sind. Da aber in unzähligen mit -u<zr (-Imrcl) zusammengesetzten
Namen das stammhafte h ausgefallen ist, woraus gleichfalls die Endung -e>r
folgt, so bietet sich eine Konkurrenz zweier ganz verschiedenen Verhältnisse dar,
bei der man zur Vorsicht, insbesondere zur Beachtung teils der Beschaffenheit
des an sich zweifelhaften Stammes, teils der Gegenden, in denen er häufig
vorkommt, augewiesen ist oder sich anweisen lassen muß. Entspricht der
Name gesetzmäßig einem alten Personennamen, scheint er außerdem nicht
auf gewisse Landschaften beschränkt zu sein, sondern allgemeinere Geltung
zu haben, so darf er auch nicht ausschließlich für ein süddeutsches PatronY-
mieum ausgegeben werden. Dieser Art sind unter andern die mit den
alten Formen HriiutiSri (-Jura), Hsirrmrä, Wläiliarä (-Insr) bestens überein¬
stimmenden, auch anderswo als in Oberdeutschland bekannten Namen Grim-


Konkurrenzen in der Erklärung der deutschen Familiennamen.

Auch innerhalb der patrvnymischen Formen der heutigen Familiennamen
giebt es einzelne Fälle, welche einer verschiedenen Beurteilung ausgesetzt sind.
Da das genetivische -s sich sehr häufig als -z äußert, also mit dem hypokori-
stischen -z zusammentrifft, so können Zweifel eintreten, welches von diesen beide»
Verhältnissen gemeint sei. Im allgemeinen darf angenommen werden, daß das
auslautende -z der Vollnamen als patronymisch, der Kurznamen als hypvko-
ristisch zu gelten habe. Man vergleiche einerseits Behrenz, Gvdderz, Lie¬
berz, Lieferz, Richarz, Roelosz, Seisriz; anderseits Diez und Deetz,
Lutz und Lautz, Nutz und Krutz, denen gleichwohl die Patrouymica Diets
und Decks, Luths und Lauts, Rüths und Cruts gegenüberstehen, woraus
sich jene, obgleich es wenig wahrscheinlich ist, einzelnemale gestaltet haben könnten.
Heute scheiden sich die Familien Schalls und Schmitz vermöge der Schreibung
ihres Namens; es will aber nicht recht einleuchten, daß Schmitz einem alten
Personennamen Linidi^o, Luli-lo, der neben Linicis und Lraidilo nicht einmal
überliefert zu sei« scheint, entspreche, wohl dagegen, daß er von Schalls nur
graphisch abstehe. In einer ähnlichen Lage befinden sich Wirts und Wirtz,
obgleich für deu letztern Namen die altdeutsche Form ^Vvröo, wenn sie zu ^Vvrä
(wert, würdig) gehört, in Anschlag gebracht werden mag. Sind Gertz,
Gchrtz gleich Gerdes, Gerths (Gerhard) oder gleich einer kaum nachweis¬
baren Koseform von 6kr? — Heutige Namen auf -ken enthalten entweder die
alte Deminutivform -Kilt, oder das n ist patronymisch und dem Deminutiv -ke
angehängt: Hünecken, Willen können auf Huniouw, "Williliin bezogen werden,
aber auch von Hünicke, Wille stammen. Dieselbe Unsicherheit mag zuweilen
die auf deu Stamm folgende Endung -en treffen; z. V. Harden, Lübben,
Roben lassen sich den deminutiven Hg-rciin, lunam, Urocliu gleichstellen, jedoch
auch als schwache Genetivformen von Hart, Lüdde, Rode betrachten. — In
einigen oberdeutschen Mundarten werden patronymische Geschlechtsnamen dnrch
die Endung -er gebildet, z. B. Dietzer, Kürzer, Manzcr, Seibolter,
Wilhelmer, welche von Dietz, Kunz, Manz, Seibold, Wilhelm deutlich
abgeleitet sind. Da aber in unzähligen mit -u<zr (-Imrcl) zusammengesetzten
Namen das stammhafte h ausgefallen ist, woraus gleichfalls die Endung -e>r
folgt, so bietet sich eine Konkurrenz zweier ganz verschiedenen Verhältnisse dar,
bei der man zur Vorsicht, insbesondere zur Beachtung teils der Beschaffenheit
des an sich zweifelhaften Stammes, teils der Gegenden, in denen er häufig
vorkommt, augewiesen ist oder sich anweisen lassen muß. Entspricht der
Name gesetzmäßig einem alten Personennamen, scheint er außerdem nicht
auf gewisse Landschaften beschränkt zu sein, sondern allgemeinere Geltung
zu haben, so darf er auch nicht ausschließlich für ein süddeutsches PatronY-
mieum ausgegeben werden. Dieser Art sind unter andern die mit den
alten Formen HriiutiSri (-Jura), Hsirrmrä, Wläiliarä (-Insr) bestens überein¬
stimmenden, auch anderswo als in Oberdeutschland bekannten Namen Grim-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/174>, abgerufen am 17.06.2024.