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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal.

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Epilog zum Pcirsifal.

träglich mit in Rechnung zieht, seine Erklärung nicht störe", sondern im Gegenteil
sich ungezwungen ihr einfügen.

Leider können wir von der anregenden Studie Hasses nicht scheiden, ohne
den Verfasser noch ein wenig zu zausen wegen des fehlerhaften Deutsch, das er
schreibt.'") In medizinischen Kreisen nimmt man dergleichen wahrscheinlich nicht
so genau; "wir Philologen und Archäologen" sind aber nun einmal Pedanten.




Epilog zum parsifal.

le Feststadt Bayreuth,**) mehr genannt in den letzten Monaten als
irgend eine Weltstadt des .Kontinentes, erscheint wieder beruhigt
nud ist wieder vergessen. Die Wagnerianerinnen, erkennbar an un-
glaublich geschmacklosen und phantastischen Toiletten, Künstler mit
wirren Locken, blassen Wangen und sorgfältig gepflegten Schnnrr-
bcirtchen, bleiche Propheten, glutüngige Stigmatisirte, kahlköpfige Gönner und
gerupfte und enttäuschte Neugierige, vor allem aber die geschundenen Orchester-
witglieder, sie alle sammt dem "Meister" selbst haben sich beeilt, die nördlichen
Gebirge des bajuwarischen Frankens zu verlassen, und kaum hat sich der Vor¬
hang vor dem Bühnenweihfestspiele "Parsifal" zum letztenmale geschlossen, so zeigt
die einstige Markgrafenresidenz wieder ihre gewöhnliche, spießbürgerlich-lang¬
weilige Physiognomie. Die Bewohner dieser guten Stadt sehen wieder sehr solid
und nüchtern aus, und von dem Rausche der Begeisterung oder dem Wonne¬
taumel, in welchen Bayreuth versunken gewesen sein soll, ist keine Spur mehr
5" bemerken. Befriedigt haben Gastwirte und andre wackere Geschäftsleute ihren




^ S. 1 z. B. ist zu lesen: mit hoch über dem Scheitel erhobenen linken Arm --
^- 2 : der Form und Veweguugsverhältnisse -- S. 3: zwei Anschauungen, von denen die
Mie ihre wesentliche Stütze in Jahr gefunden hat un d(!) welcher Wittich einen bildlichen Aus¬
druck gab -- S. 4: die Aussage eines andern Augenzeugen, wonach der linke Arm an der
streue gefunden sei(!) -- S. 6: daß das Bruchstück des Armes und der Hand zur
laeue gehören (erinnert an den Fabelanfang : Ein schwarzes, weißes und rotes Eichhörnchen
amen einmal ans einer alten Eiche zusammen) n. s. w. Neben solchen Verstößen nehmen
Ach dann freilich gezierte Wörter, wie festigen, Strebung, gründen (intraust), für das
""sache und geläufige befestigen, Bestrebung, sich gründen sehr komisch aus. "Willst
schon zierlich erscheinen, und bist nicht sicher? Vergebens! -- Nur aus vollendeter Kraft ze,"
Einen Artikel wie den vorliegenden hatten wir eigentlich aus der Feder unsers
^'schützten Mitarbeiters, des Herrn or. H. Kretzschmar erwartet. Da diese Erwartung sich
!Ur zum Teil erfüllte, so freuen wir uns, nachträglich unsern Lesern noch einen Aufsatz aus
andrer Feder vorlegen zu können, der vollständig unsern eignen Anschauungen entspricht.
D. Red.
Epilog zum Pcirsifal.

träglich mit in Rechnung zieht, seine Erklärung nicht störe», sondern im Gegenteil
sich ungezwungen ihr einfügen.

Leider können wir von der anregenden Studie Hasses nicht scheiden, ohne
den Verfasser noch ein wenig zu zausen wegen des fehlerhaften Deutsch, das er
schreibt.'") In medizinischen Kreisen nimmt man dergleichen wahrscheinlich nicht
so genau; „wir Philologen und Archäologen" sind aber nun einmal Pedanten.




Epilog zum parsifal.

le Feststadt Bayreuth,**) mehr genannt in den letzten Monaten als
irgend eine Weltstadt des .Kontinentes, erscheint wieder beruhigt
nud ist wieder vergessen. Die Wagnerianerinnen, erkennbar an un-
glaublich geschmacklosen und phantastischen Toiletten, Künstler mit
wirren Locken, blassen Wangen und sorgfältig gepflegten Schnnrr-
bcirtchen, bleiche Propheten, glutüngige Stigmatisirte, kahlköpfige Gönner und
gerupfte und enttäuschte Neugierige, vor allem aber die geschundenen Orchester-
witglieder, sie alle sammt dem „Meister" selbst haben sich beeilt, die nördlichen
Gebirge des bajuwarischen Frankens zu verlassen, und kaum hat sich der Vor¬
hang vor dem Bühnenweihfestspiele „Parsifal" zum letztenmale geschlossen, so zeigt
die einstige Markgrafenresidenz wieder ihre gewöhnliche, spießbürgerlich-lang¬
weilige Physiognomie. Die Bewohner dieser guten Stadt sehen wieder sehr solid
und nüchtern aus, und von dem Rausche der Begeisterung oder dem Wonne¬
taumel, in welchen Bayreuth versunken gewesen sein soll, ist keine Spur mehr
5» bemerken. Befriedigt haben Gastwirte und andre wackere Geschäftsleute ihren




^ S. 1 z. B. ist zu lesen: mit hoch über dem Scheitel erhobenen linken Arm —
^- 2 : der Form und Veweguugsverhältnisse — S. 3: zwei Anschauungen, von denen die
Mie ihre wesentliche Stütze in Jahr gefunden hat un d(!) welcher Wittich einen bildlichen Aus¬
druck gab — S. 4: die Aussage eines andern Augenzeugen, wonach der linke Arm an der
streue gefunden sei(!) — S. 6: daß das Bruchstück des Armes und der Hand zur
laeue gehören (erinnert an den Fabelanfang : Ein schwarzes, weißes und rotes Eichhörnchen
amen einmal ans einer alten Eiche zusammen) n. s. w. Neben solchen Verstößen nehmen
Ach dann freilich gezierte Wörter, wie festigen, Strebung, gründen (intraust), für das
""sache und geläufige befestigen, Bestrebung, sich gründen sehr komisch aus. „Willst
schon zierlich erscheinen, und bist nicht sicher? Vergebens! — Nur aus vollendeter Kraft ze,"
Einen Artikel wie den vorliegenden hatten wir eigentlich aus der Feder unsers
^'schützten Mitarbeiters, des Herrn or. H. Kretzschmar erwartet. Da diese Erwartung sich
!Ur zum Teil erfüllte, so freuen wir uns, nachträglich unsern Lesern noch einen Aufsatz aus
andrer Feder vorlegen zu können, der vollständig unsern eignen Anschauungen entspricht.
D. Red.
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[0187] Epilog zum Pcirsifal. träglich mit in Rechnung zieht, seine Erklärung nicht störe», sondern im Gegenteil sich ungezwungen ihr einfügen. Leider können wir von der anregenden Studie Hasses nicht scheiden, ohne den Verfasser noch ein wenig zu zausen wegen des fehlerhaften Deutsch, das er schreibt.'") In medizinischen Kreisen nimmt man dergleichen wahrscheinlich nicht so genau; „wir Philologen und Archäologen" sind aber nun einmal Pedanten. Epilog zum parsifal. le Feststadt Bayreuth,**) mehr genannt in den letzten Monaten als irgend eine Weltstadt des .Kontinentes, erscheint wieder beruhigt nud ist wieder vergessen. Die Wagnerianerinnen, erkennbar an un- glaublich geschmacklosen und phantastischen Toiletten, Künstler mit wirren Locken, blassen Wangen und sorgfältig gepflegten Schnnrr- bcirtchen, bleiche Propheten, glutüngige Stigmatisirte, kahlköpfige Gönner und gerupfte und enttäuschte Neugierige, vor allem aber die geschundenen Orchester- witglieder, sie alle sammt dem „Meister" selbst haben sich beeilt, die nördlichen Gebirge des bajuwarischen Frankens zu verlassen, und kaum hat sich der Vor¬ hang vor dem Bühnenweihfestspiele „Parsifal" zum letztenmale geschlossen, so zeigt die einstige Markgrafenresidenz wieder ihre gewöhnliche, spießbürgerlich-lang¬ weilige Physiognomie. Die Bewohner dieser guten Stadt sehen wieder sehr solid und nüchtern aus, und von dem Rausche der Begeisterung oder dem Wonne¬ taumel, in welchen Bayreuth versunken gewesen sein soll, ist keine Spur mehr 5» bemerken. Befriedigt haben Gastwirte und andre wackere Geschäftsleute ihren ^ S. 1 z. B. ist zu lesen: mit hoch über dem Scheitel erhobenen linken Arm — ^- 2 : der Form und Veweguugsverhältnisse — S. 3: zwei Anschauungen, von denen die Mie ihre wesentliche Stütze in Jahr gefunden hat un d(!) welcher Wittich einen bildlichen Aus¬ druck gab — S. 4: die Aussage eines andern Augenzeugen, wonach der linke Arm an der streue gefunden sei(!) — S. 6: daß das Bruchstück des Armes und der Hand zur laeue gehören (erinnert an den Fabelanfang : Ein schwarzes, weißes und rotes Eichhörnchen amen einmal ans einer alten Eiche zusammen) n. s. w. Neben solchen Verstößen nehmen Ach dann freilich gezierte Wörter, wie festigen, Strebung, gründen (intraust), für das ""sache und geläufige befestigen, Bestrebung, sich gründen sehr komisch aus. „Willst schon zierlich erscheinen, und bist nicht sicher? Vergebens! — Nur aus vollendeter Kraft ze," Einen Artikel wie den vorliegenden hatten wir eigentlich aus der Feder unsers ^'schützten Mitarbeiters, des Herrn or. H. Kretzschmar erwartet. Da diese Erwartung sich !Ur zum Teil erfüllte, so freuen wir uns, nachträglich unsern Lesern noch einen Aufsatz aus andrer Feder vorlegen zu können, der vollständig unsern eignen Anschauungen entspricht. D. Red.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_359176/187>, abgerufen am 17.06.2024.