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Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal.

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Bakchen und Thyrsosträger.

Aber, mein Bester, die Regierungen sind eben alle gerecht, insoweit sie durch¬
setzen können, daß das für Recht gilt, was sie dafür erklären.

Aber in welcher Weise, mein guter Balduin, willst du es nun erkennen,
ob eine Regierung gerechter oder ungerechter ist?

Das kann ich dir ganz genan sagen. Eine gerechte Regierung ist immer
stark. Ist eine Regierung schwach, so ist sie auch allemal im Unrecht.

Ich bin pedantisch, Balduin, darum frage ich noch weiter: Inwiefern neinist
du dem? eine Regierung stark?

Nun, das liegt doch auf der Hand, und darüber wird niemand abweichender
Meinung sein. Die Regierung ist umso stärker, je unbedingter sie Gehorsam
beim Volke findet.

Du als Parlamentarier, sagte der Gelehrte, hast wohl die Erfahrung ge¬
macht, daß alle Gesetze darnach angethan sind, das Ansehen der Negierung zu
erhöhen -- sollst möchte ich dir einen EinWurf machen.

Mein lieber Freund, ich weiß schon, wo du hinaus willst; aber das ist sicher:
wenn alle Gesetze von der Weisheit diktirt würden, wäre unsre Aufgabe im
Reichstage sehr einfach.

Du meinst also, daß vou den Regierungen Fehler begangen werden können?

Eine schöne Frage!

Ein Fehler würde es etwa sein, wenn ein Gesetz erlassen würde, das dem
Ansehen der Regierung schadete?

Natürlich.

Was nun aber die Negierung auch verordnen mag, Gehorsam muß sie
finden?

Gewiß.

Dann könnte es sich ereignen, daß die Regierung durch den unbedingten Ge¬
horsam des Volkes geschwächt würde, indem dasselbe nämlich ein Gesetz erfüllte,
das dem Ansehen der Regierung schadete. Du meintest aber doch, daß sie umso
stärker wäre, je unbedingterer Gehorsam sie fände.

Ja weißt du, lieber Ephraim, du darfst die Begriffe uur nicht verwechseln.
Man kann doch eine Regierung eben nnr insofern wirklich Regierung nennen,
als sie noch unbedingte Autorität, also die Macht hat. .Sobald sie durch Un-
klugheit sich selbst ruinirt, hört sie insoweit auf faktisch Regierung zu sein und
Recht zu haben, als sie an Stärke verliert, bis sie endlich durch eine Revolution
oder allmähliche Umwälzungen ganz von einer neuen Macht verdrängt wird, die
ihrerseits nunmehr Regierung wird. Was also vorher das höchste Unrecht war,
nämlich die Bekämpfung der alten Regierung, ist nunmehr höchstes Recht ge¬
worden, nämlich die Verteidigung der neuen Regierung, und so bleibt, du magst
es nehmen wie du willst, das Recht immer eine Frage der Macht. Die Ge¬
rechtigkeit ist deshalb, streug logisch gefaßt, nichts andres als die Geschicklichkeit
sich in der Macht zu behaupten.


Bakchen und Thyrsosträger.

Aber, mein Bester, die Regierungen sind eben alle gerecht, insoweit sie durch¬
setzen können, daß das für Recht gilt, was sie dafür erklären.

Aber in welcher Weise, mein guter Balduin, willst du es nun erkennen,
ob eine Regierung gerechter oder ungerechter ist?

Das kann ich dir ganz genan sagen. Eine gerechte Regierung ist immer
stark. Ist eine Regierung schwach, so ist sie auch allemal im Unrecht.

Ich bin pedantisch, Balduin, darum frage ich noch weiter: Inwiefern neinist
du dem? eine Regierung stark?

Nun, das liegt doch auf der Hand, und darüber wird niemand abweichender
Meinung sein. Die Regierung ist umso stärker, je unbedingter sie Gehorsam
beim Volke findet.

Du als Parlamentarier, sagte der Gelehrte, hast wohl die Erfahrung ge¬
macht, daß alle Gesetze darnach angethan sind, das Ansehen der Negierung zu
erhöhen — sollst möchte ich dir einen EinWurf machen.

Mein lieber Freund, ich weiß schon, wo du hinaus willst; aber das ist sicher:
wenn alle Gesetze von der Weisheit diktirt würden, wäre unsre Aufgabe im
Reichstage sehr einfach.

Du meinst also, daß vou den Regierungen Fehler begangen werden können?

Eine schöne Frage!

Ein Fehler würde es etwa sein, wenn ein Gesetz erlassen würde, das dem
Ansehen der Regierung schadete?

Natürlich.

Was nun aber die Negierung auch verordnen mag, Gehorsam muß sie
finden?

Gewiß.

Dann könnte es sich ereignen, daß die Regierung durch den unbedingten Ge¬
horsam des Volkes geschwächt würde, indem dasselbe nämlich ein Gesetz erfüllte,
das dem Ansehen der Regierung schadete. Du meintest aber doch, daß sie umso
stärker wäre, je unbedingterer Gehorsam sie fände.

Ja weißt du, lieber Ephraim, du darfst die Begriffe uur nicht verwechseln.
Man kann doch eine Regierung eben nnr insofern wirklich Regierung nennen,
als sie noch unbedingte Autorität, also die Macht hat. .Sobald sie durch Un-
klugheit sich selbst ruinirt, hört sie insoweit auf faktisch Regierung zu sein und
Recht zu haben, als sie an Stärke verliert, bis sie endlich durch eine Revolution
oder allmähliche Umwälzungen ganz von einer neuen Macht verdrängt wird, die
ihrerseits nunmehr Regierung wird. Was also vorher das höchste Unrecht war,
nämlich die Bekämpfung der alten Regierung, ist nunmehr höchstes Recht ge¬
worden, nämlich die Verteidigung der neuen Regierung, und so bleibt, du magst
es nehmen wie du willst, das Recht immer eine Frage der Macht. Die Ge¬
rechtigkeit ist deshalb, streug logisch gefaßt, nichts andres als die Geschicklichkeit
sich in der Macht zu behaupten.


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[0152] Bakchen und Thyrsosträger. Aber, mein Bester, die Regierungen sind eben alle gerecht, insoweit sie durch¬ setzen können, daß das für Recht gilt, was sie dafür erklären. Aber in welcher Weise, mein guter Balduin, willst du es nun erkennen, ob eine Regierung gerechter oder ungerechter ist? Das kann ich dir ganz genan sagen. Eine gerechte Regierung ist immer stark. Ist eine Regierung schwach, so ist sie auch allemal im Unrecht. Ich bin pedantisch, Balduin, darum frage ich noch weiter: Inwiefern neinist du dem? eine Regierung stark? Nun, das liegt doch auf der Hand, und darüber wird niemand abweichender Meinung sein. Die Regierung ist umso stärker, je unbedingter sie Gehorsam beim Volke findet. Du als Parlamentarier, sagte der Gelehrte, hast wohl die Erfahrung ge¬ macht, daß alle Gesetze darnach angethan sind, das Ansehen der Negierung zu erhöhen — sollst möchte ich dir einen EinWurf machen. Mein lieber Freund, ich weiß schon, wo du hinaus willst; aber das ist sicher: wenn alle Gesetze von der Weisheit diktirt würden, wäre unsre Aufgabe im Reichstage sehr einfach. Du meinst also, daß vou den Regierungen Fehler begangen werden können? Eine schöne Frage! Ein Fehler würde es etwa sein, wenn ein Gesetz erlassen würde, das dem Ansehen der Regierung schadete? Natürlich. Was nun aber die Negierung auch verordnen mag, Gehorsam muß sie finden? Gewiß. Dann könnte es sich ereignen, daß die Regierung durch den unbedingten Ge¬ horsam des Volkes geschwächt würde, indem dasselbe nämlich ein Gesetz erfüllte, das dem Ansehen der Regierung schadete. Du meintest aber doch, daß sie umso stärker wäre, je unbedingterer Gehorsam sie fände. Ja weißt du, lieber Ephraim, du darfst die Begriffe uur nicht verwechseln. Man kann doch eine Regierung eben nnr insofern wirklich Regierung nennen, als sie noch unbedingte Autorität, also die Macht hat. .Sobald sie durch Un- klugheit sich selbst ruinirt, hört sie insoweit auf faktisch Regierung zu sein und Recht zu haben, als sie an Stärke verliert, bis sie endlich durch eine Revolution oder allmähliche Umwälzungen ganz von einer neuen Macht verdrängt wird, die ihrerseits nunmehr Regierung wird. Was also vorher das höchste Unrecht war, nämlich die Bekämpfung der alten Regierung, ist nunmehr höchstes Recht ge¬ worden, nämlich die Verteidigung der neuen Regierung, und so bleibt, du magst es nehmen wie du willst, das Recht immer eine Frage der Macht. Die Ge¬ rechtigkeit ist deshalb, streug logisch gefaßt, nichts andres als die Geschicklichkeit sich in der Macht zu behaupten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 41, 1882, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341835_89804/152>, abgerufen am 17.06.2024.