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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Johannes Brahms.
i.

le Grenzboten lösen endlich eine alte Schuld ein, wenn sie in der
vorliegenden Skizze ihren Lesern den Umfang und die Bedeutung
der Kunst desjenigen Tonsetzers zu schildern suche", dessen Werke
heute entschieden im Vordergrunde der musikalischen Interessen
stehen.

Der Klang des Namens Brahms hat einen ausgeprägt nordischen Charakter;
der deutsche Zweig des Geschlechtes ist in Holstein und Oldenburg mehrfach und in
verschiednen Stauden vertreten. Unser Künstler wurde in Hamburg geboren, am
7. Mai 1833. Sein Vater war Kontrabassist im Orchester des Stcidttheatcrs.
Chrhsander schildert den alten Brahms auf Grund persönlicher Bekanntschaft
als einen scharfen Kopf und einen liebenswürdigen, originellen Mann. Die
Fähigkeiten seines Sohnes mag er bei Zeiten erkannt haben. Ans guter Quelle
vernehmen wir, daß er den widerstrebenden Kleinen gern nötigte, den Freunden
des Hauses seine Kompositionsvcrsuche vorzuspielen; der ebengenannte Gewährs¬
mann erzählt, daß der junge Brahms zuweilen den Vater begleitet habe, wenn
dieser in Hamburger Privatkapellen mitwirkte, und dann an der zweiten Violine
flott mitzugegriffcn habe. Der Vater Brahms ist erst vor wenigen Jahren
gestorben und hat noch die Freude gehabt, den vollen Ruhm seines Sohnes
zu erleben.

Wie Mnsikerkindcr in der Regel, so wuchs auch der junge Brahms spielend
in die Kunst hinein. Es war aber wohl nicht ohne besondre Wichtigkeit, daß
dnrch den speziellen Beruf des Vaters ihm Tanz, Lied und Variation, die
einfachste" und natürlichsten Formen der Musik, zuerst geläufig wurden und
den Boden seiner musikalischen Jugendeindrücke bildeten. Den ersten geregelten
Unterricht erhielt der Knabe im Klavierspiele von O. Cossel. Theoretische
Studien betrieb er nebenher auf eigne Faust, unter anderm setzte er größere
Stücke aus den Stimmen in Partitur. Im Alter von zwölf Jahren wurde
er Schüler von Eduard Marxseu, der neben F. Grund damals die bedeutendste
musikalische Persönlichkeit von Hamburg-Altona war. Marxseu hat sich auch
nach außen hin dnrch die stattliche Reihe von siebzig Werken bekannt gemacht.
Darunter sind mehrere Symphonien und Ouvertüren, Sonaten und viele Hefte
Variationen. Aufsehen erregte namentlich seine Orchesterbearbeitung von
Beethovens Krenzersonate, welche im Dezember 1835 in Hamburg zur Auf¬
führung kam, gleichzeitig mit einem großen Orchestergemälde ^ux ins-usf as


Johannes Brahms.
i.

le Grenzboten lösen endlich eine alte Schuld ein, wenn sie in der
vorliegenden Skizze ihren Lesern den Umfang und die Bedeutung
der Kunst desjenigen Tonsetzers zu schildern suche», dessen Werke
heute entschieden im Vordergrunde der musikalischen Interessen
stehen.

Der Klang des Namens Brahms hat einen ausgeprägt nordischen Charakter;
der deutsche Zweig des Geschlechtes ist in Holstein und Oldenburg mehrfach und in
verschiednen Stauden vertreten. Unser Künstler wurde in Hamburg geboren, am
7. Mai 1833. Sein Vater war Kontrabassist im Orchester des Stcidttheatcrs.
Chrhsander schildert den alten Brahms auf Grund persönlicher Bekanntschaft
als einen scharfen Kopf und einen liebenswürdigen, originellen Mann. Die
Fähigkeiten seines Sohnes mag er bei Zeiten erkannt haben. Ans guter Quelle
vernehmen wir, daß er den widerstrebenden Kleinen gern nötigte, den Freunden
des Hauses seine Kompositionsvcrsuche vorzuspielen; der ebengenannte Gewährs¬
mann erzählt, daß der junge Brahms zuweilen den Vater begleitet habe, wenn
dieser in Hamburger Privatkapellen mitwirkte, und dann an der zweiten Violine
flott mitzugegriffcn habe. Der Vater Brahms ist erst vor wenigen Jahren
gestorben und hat noch die Freude gehabt, den vollen Ruhm seines Sohnes
zu erleben.

Wie Mnsikerkindcr in der Regel, so wuchs auch der junge Brahms spielend
in die Kunst hinein. Es war aber wohl nicht ohne besondre Wichtigkeit, daß
dnrch den speziellen Beruf des Vaters ihm Tanz, Lied und Variation, die
einfachste» und natürlichsten Formen der Musik, zuerst geläufig wurden und
den Boden seiner musikalischen Jugendeindrücke bildeten. Den ersten geregelten
Unterricht erhielt der Knabe im Klavierspiele von O. Cossel. Theoretische
Studien betrieb er nebenher auf eigne Faust, unter anderm setzte er größere
Stücke aus den Stimmen in Partitur. Im Alter von zwölf Jahren wurde
er Schüler von Eduard Marxseu, der neben F. Grund damals die bedeutendste
musikalische Persönlichkeit von Hamburg-Altona war. Marxseu hat sich auch
nach außen hin dnrch die stattliche Reihe von siebzig Werken bekannt gemacht.
Darunter sind mehrere Symphonien und Ouvertüren, Sonaten und viele Hefte
Variationen. Aufsehen erregte namentlich seine Orchesterbearbeitung von
Beethovens Krenzersonate, welche im Dezember 1835 in Hamburg zur Auf¬
führung kam, gleichzeitig mit einem großen Orchestergemälde ^ux ins-usf as


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[0131] Johannes Brahms. i. le Grenzboten lösen endlich eine alte Schuld ein, wenn sie in der vorliegenden Skizze ihren Lesern den Umfang und die Bedeutung der Kunst desjenigen Tonsetzers zu schildern suche», dessen Werke heute entschieden im Vordergrunde der musikalischen Interessen stehen. Der Klang des Namens Brahms hat einen ausgeprägt nordischen Charakter; der deutsche Zweig des Geschlechtes ist in Holstein und Oldenburg mehrfach und in verschiednen Stauden vertreten. Unser Künstler wurde in Hamburg geboren, am 7. Mai 1833. Sein Vater war Kontrabassist im Orchester des Stcidttheatcrs. Chrhsander schildert den alten Brahms auf Grund persönlicher Bekanntschaft als einen scharfen Kopf und einen liebenswürdigen, originellen Mann. Die Fähigkeiten seines Sohnes mag er bei Zeiten erkannt haben. Ans guter Quelle vernehmen wir, daß er den widerstrebenden Kleinen gern nötigte, den Freunden des Hauses seine Kompositionsvcrsuche vorzuspielen; der ebengenannte Gewährs¬ mann erzählt, daß der junge Brahms zuweilen den Vater begleitet habe, wenn dieser in Hamburger Privatkapellen mitwirkte, und dann an der zweiten Violine flott mitzugegriffcn habe. Der Vater Brahms ist erst vor wenigen Jahren gestorben und hat noch die Freude gehabt, den vollen Ruhm seines Sohnes zu erleben. Wie Mnsikerkindcr in der Regel, so wuchs auch der junge Brahms spielend in die Kunst hinein. Es war aber wohl nicht ohne besondre Wichtigkeit, daß dnrch den speziellen Beruf des Vaters ihm Tanz, Lied und Variation, die einfachste» und natürlichsten Formen der Musik, zuerst geläufig wurden und den Boden seiner musikalischen Jugendeindrücke bildeten. Den ersten geregelten Unterricht erhielt der Knabe im Klavierspiele von O. Cossel. Theoretische Studien betrieb er nebenher auf eigne Faust, unter anderm setzte er größere Stücke aus den Stimmen in Partitur. Im Alter von zwölf Jahren wurde er Schüler von Eduard Marxseu, der neben F. Grund damals die bedeutendste musikalische Persönlichkeit von Hamburg-Altona war. Marxseu hat sich auch nach außen hin dnrch die stattliche Reihe von siebzig Werken bekannt gemacht. Darunter sind mehrere Symphonien und Ouvertüren, Sonaten und viele Hefte Variationen. Aufsehen erregte namentlich seine Orchesterbearbeitung von Beethovens Krenzersonate, welche im Dezember 1835 in Hamburg zur Auf¬ führung kam, gleichzeitig mit einem großen Orchestergemälde ^ux ins-usf as

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/131>, abgerufen am 15.06.2024.