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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe.

wir mehrere Ansätze zu neuen Typen verdanken und die ihr letztes Wort noch
nicht gesprochen hat. Einige der Kammermusikstücke dieser Periode werden uns
Gelegenheit geben, dieser Erscheinung noch näher zu treten. Unter den Werke",
welche der letzten Gattung innerhalb des letzten Abschnittes von des Komponisten
Schaffen zugewachsen sind, heben wir vor allem das dritte Klavierquartett
hervor (c>x. 60). Als neuer Mitarbeiter erscheint Brechens in dieser Periode
auch auf dem Gebiete des Streichquartetts, das durch drei Werke vertreten ist,
ein Zwillingspaar aus dem Jahre 1869 (c>x. 51, ?-mo11 und ^-me>11) und das
einige Jahre später veröffentlichte hochoriginelle in L-aur (ox. 67). Eins der
bekanntesten Produkte dieser Periode sind die Liebesliedcrwalzer (ox. 52). Sie
gehören ebenfalls mit zu den Äußerungen eines vollständig neuschöpferischen
vorwärts weihenden Formsinnes.

Neben dem "Requiem" und den ihm verwandten Chorkompositionen wiegen
unter den Werken der dritten Periode die Orchesterkompositionen und das zweite
Klavierkonzert am schwersten. Es sind die Variationen über ein Thema von
I. Hahdn (ox. 36), die beiden Ouvertüren (c>p. 80 und 81) und die drei
Symphonien (Omoll ox. 68, v-cor ox. 73 und ?-cor ox. 90). Was mit
diesen Werken geleistet worden ist, wird sich besser sagen lassen, wenn wir in
die Spezialbetrachtung der Brahmsschen Kompositionen eingehen.




Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe.

le leicht werden es doch in Zukunft die Geschichtschreiber der Philo¬
sophie haben, wenn alle Streiter in der philosophischen Arena
sich Herrn von Hartmann zum Muster genommen und wie dieser
ihren Standpunkt im Gefecht aufs genaueste prcizisirt haben!
Der "Philosoph des Unbewußten," als solcher unbestritten ein
Original, zeigt schon länger eine Beklemmung bei dem Gedanken, daß die Ge¬
schichte ihm einen unrechten Platz anweisen könnte; neuerdings aber hat er sich
in einem Aufsatze der "Philosophischen Monatshefte" (XX, 1384, 1. Heft,
S. 32--42: "Mein Verhältnis zu Schopenhauer") aufs äußerste bemüht, zu
zeigen, wie er gestellt sein will, und hat dabei zugleich Gelegenheit gefunden,
einen Vorschlag zur Güte anzufügen, zur Erwerbung von Anhängern, die viel¬
leicht sonst durch sein Weltauflösungsideal, die von ihm inaugurirte "kosmisch-
nniversale Willensverncinung," abgeschreckt werden könnten. Ja, es ist recht
schmerzlich für den "Philosophen des Unbewußten," daß man ihn immer noch


Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe.

wir mehrere Ansätze zu neuen Typen verdanken und die ihr letztes Wort noch
nicht gesprochen hat. Einige der Kammermusikstücke dieser Periode werden uns
Gelegenheit geben, dieser Erscheinung noch näher zu treten. Unter den Werke»,
welche der letzten Gattung innerhalb des letzten Abschnittes von des Komponisten
Schaffen zugewachsen sind, heben wir vor allem das dritte Klavierquartett
hervor (c>x. 60). Als neuer Mitarbeiter erscheint Brechens in dieser Periode
auch auf dem Gebiete des Streichquartetts, das durch drei Werke vertreten ist,
ein Zwillingspaar aus dem Jahre 1869 (c>x. 51, ?-mo11 und ^-me>11) und das
einige Jahre später veröffentlichte hochoriginelle in L-aur (ox. 67). Eins der
bekanntesten Produkte dieser Periode sind die Liebesliedcrwalzer (ox. 52). Sie
gehören ebenfalls mit zu den Äußerungen eines vollständig neuschöpferischen
vorwärts weihenden Formsinnes.

Neben dem „Requiem" und den ihm verwandten Chorkompositionen wiegen
unter den Werken der dritten Periode die Orchesterkompositionen und das zweite
Klavierkonzert am schwersten. Es sind die Variationen über ein Thema von
I. Hahdn (ox. 36), die beiden Ouvertüren (c>p. 80 und 81) und die drei
Symphonien (Omoll ox. 68, v-cor ox. 73 und ?-cor ox. 90). Was mit
diesen Werken geleistet worden ist, wird sich besser sagen lassen, wenn wir in
die Spezialbetrachtung der Brahmsschen Kompositionen eingehen.




Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe.

le leicht werden es doch in Zukunft die Geschichtschreiber der Philo¬
sophie haben, wenn alle Streiter in der philosophischen Arena
sich Herrn von Hartmann zum Muster genommen und wie dieser
ihren Standpunkt im Gefecht aufs genaueste prcizisirt haben!
Der „Philosoph des Unbewußten," als solcher unbestritten ein
Original, zeigt schon länger eine Beklemmung bei dem Gedanken, daß die Ge¬
schichte ihm einen unrechten Platz anweisen könnte; neuerdings aber hat er sich
in einem Aufsatze der „Philosophischen Monatshefte" (XX, 1384, 1. Heft,
S. 32—42: „Mein Verhältnis zu Schopenhauer") aufs äußerste bemüht, zu
zeigen, wie er gestellt sein will, und hat dabei zugleich Gelegenheit gefunden,
einen Vorschlag zur Güte anzufügen, zur Erwerbung von Anhängern, die viel¬
leicht sonst durch sein Weltauflösungsideal, die von ihm inaugurirte „kosmisch-
nniversale Willensverncinung," abgeschreckt werden könnten. Ja, es ist recht
schmerzlich für den „Philosophen des Unbewußten," daß man ihn immer noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/140>, abgerufen am 15.06.2024.