Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe.

gelangt, dies doch nicht einräumen mag, sondern mit seinen großen und kleinen
Schriften gern weiter Geschäfte machen möchte: "So kann man sehr wohl mein
ganzes System, einschließlich der Vereinigung von empirischem Pessimismus und
ideologischen Optimismus, acceptiren, und doch seine letzte Spitze, den meta¬
physischen Pessimismus samt seinen metaphysischen Konsequenzen ablehnen, ohne
daß dadurch der Unterbau und der mittlere Teil der Pyramide alterirt wird
^natürlich! die sind ja stets schon mehr als wackelig gewesen!j. Wäre es mir
mehr um äußern Erfolg als um die Wahrheit zu thun gewesen, so hätte ich
nur so pfiffig zu sein brauchen, in meinen drei Hauptwerken die verhältnismäßig
wenigen bezüglichen Stellen fortzulassen sWohin denn? Herr von Hartmann
meint wohl wegzulassen j und einer postHumen Veröffentlichung aufzubehalten;
man würde die Lücken garnicht bemerkt habe,?."

. Was sollen wir dazu sagen? Daß Herr von Hartmann ein sehr Pfiffiger
Schriftsteller genannt zu werden verdient, wollen wir nicht in Abrede stellen;
daß ihn aber bei der Fülle seiner "Jsmusse" doch hie und da der Pfiff etwas
verlassen hat, dürften unsre Bemerkungen auch gezeigt haben. Darin täuscht
sich Herr von Hartmann, wenn er meint, daß posthume Hähne hinter ihm her
auf seinem Grabe krähen könnten. Das Krähen fängt überhaupt an aufzuhören,
daher solche sanfte oaxtg-tlo dönsvolöutmg dem nicht mehr so scharf angekrähten
Publikum gegenüber.

Also immer 'ran, meine Herren, immer 'ran! Der Philosoph des neun¬
zehnten Jahrhunderts hat die Preise herabgesetzt, man kann jetzt billiger bei ihm
kaufen als im Anfange seines prätentiösen Auftretens. Wer hat Lust? Ein
Vorschlag zur Güte: Sonst mußten Sie das ganze System in Kauf nehmen,
jetzt können Sie die pikante "induktive Spitze" liegen lassen, brauchen sie nicht
mitzubezahlen, und bekommen doch noch das übrige, ja sogar eine milde Beigabe
von Gott und Vorsehung zu allen übrigen Herrlichkeiten hinzu!

Wann, wann werden sich die wirklich Gebildeten unter unsern Zeitgenossen
mit offen ausgesprochenem Ekel und Abscheu von dieser marktschreierischen
Phrasendrescherei abkehren und sich fest bewußt werden, daß diese "Philosophie
des Unbewußten" nie etwas andres gewesen ist als ein ganz armseliger Humbug?
Möchte das Jahrhundert uoch vor Thorschluß diese Phraseologie mit all
ihren "Jsmussen" gründlich von seinen Rockschößen abschütteln!




Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe.

gelangt, dies doch nicht einräumen mag, sondern mit seinen großen und kleinen
Schriften gern weiter Geschäfte machen möchte: „So kann man sehr wohl mein
ganzes System, einschließlich der Vereinigung von empirischem Pessimismus und
ideologischen Optimismus, acceptiren, und doch seine letzte Spitze, den meta¬
physischen Pessimismus samt seinen metaphysischen Konsequenzen ablehnen, ohne
daß dadurch der Unterbau und der mittlere Teil der Pyramide alterirt wird
^natürlich! die sind ja stets schon mehr als wackelig gewesen!j. Wäre es mir
mehr um äußern Erfolg als um die Wahrheit zu thun gewesen, so hätte ich
nur so pfiffig zu sein brauchen, in meinen drei Hauptwerken die verhältnismäßig
wenigen bezüglichen Stellen fortzulassen sWohin denn? Herr von Hartmann
meint wohl wegzulassen j und einer postHumen Veröffentlichung aufzubehalten;
man würde die Lücken garnicht bemerkt habe,?."

. Was sollen wir dazu sagen? Daß Herr von Hartmann ein sehr Pfiffiger
Schriftsteller genannt zu werden verdient, wollen wir nicht in Abrede stellen;
daß ihn aber bei der Fülle seiner „Jsmusse" doch hie und da der Pfiff etwas
verlassen hat, dürften unsre Bemerkungen auch gezeigt haben. Darin täuscht
sich Herr von Hartmann, wenn er meint, daß posthume Hähne hinter ihm her
auf seinem Grabe krähen könnten. Das Krähen fängt überhaupt an aufzuhören,
daher solche sanfte oaxtg-tlo dönsvolöutmg dem nicht mehr so scharf angekrähten
Publikum gegenüber.

Also immer 'ran, meine Herren, immer 'ran! Der Philosoph des neun¬
zehnten Jahrhunderts hat die Preise herabgesetzt, man kann jetzt billiger bei ihm
kaufen als im Anfange seines prätentiösen Auftretens. Wer hat Lust? Ein
Vorschlag zur Güte: Sonst mußten Sie das ganze System in Kauf nehmen,
jetzt können Sie die pikante „induktive Spitze" liegen lassen, brauchen sie nicht
mitzubezahlen, und bekommen doch noch das übrige, ja sogar eine milde Beigabe
von Gott und Vorsehung zu allen übrigen Herrlichkeiten hinzu!

Wann, wann werden sich die wirklich Gebildeten unter unsern Zeitgenossen
mit offen ausgesprochenem Ekel und Abscheu von dieser marktschreierischen
Phrasendrescherei abkehren und sich fest bewußt werden, daß diese „Philosophie
des Unbewußten" nie etwas andres gewesen ist als ein ganz armseliger Humbug?
Möchte das Jahrhundert uoch vor Thorschluß diese Phraseologie mit all
ihren „Jsmussen" gründlich von seinen Rockschößen abschütteln!




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156417"/>
          <fw type="header" place="top"> Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_526" prev="#ID_525"> gelangt, dies doch nicht einräumen mag, sondern mit seinen großen und kleinen<lb/>
Schriften gern weiter Geschäfte machen möchte: &#x201E;So kann man sehr wohl mein<lb/>
ganzes System, einschließlich der Vereinigung von empirischem Pessimismus und<lb/>
ideologischen Optimismus, acceptiren, und doch seine letzte Spitze, den meta¬<lb/>
physischen Pessimismus samt seinen metaphysischen Konsequenzen ablehnen, ohne<lb/>
daß dadurch der Unterbau und der mittlere Teil der Pyramide alterirt wird<lb/>
^natürlich! die sind ja stets schon mehr als wackelig gewesen!j. Wäre es mir<lb/>
mehr um äußern Erfolg als um die Wahrheit zu thun gewesen, so hätte ich<lb/>
nur so pfiffig zu sein brauchen, in meinen drei Hauptwerken die verhältnismäßig<lb/>
wenigen bezüglichen Stellen fortzulassen sWohin denn? Herr von Hartmann<lb/>
meint wohl wegzulassen j und einer postHumen Veröffentlichung aufzubehalten;<lb/>
man würde die Lücken garnicht bemerkt habe,?."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_527"> . Was sollen wir dazu sagen? Daß Herr von Hartmann ein sehr Pfiffiger<lb/>
Schriftsteller genannt zu werden verdient, wollen wir nicht in Abrede stellen;<lb/>
daß ihn aber bei der Fülle seiner &#x201E;Jsmusse" doch hie und da der Pfiff etwas<lb/>
verlassen hat, dürften unsre Bemerkungen auch gezeigt haben. Darin täuscht<lb/>
sich Herr von Hartmann, wenn er meint, daß posthume Hähne hinter ihm her<lb/>
auf seinem Grabe krähen könnten. Das Krähen fängt überhaupt an aufzuhören,<lb/>
daher solche sanfte oaxtg-tlo dönsvolöutmg dem nicht mehr so scharf angekrähten<lb/>
Publikum gegenüber.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_528"> Also immer 'ran, meine Herren, immer 'ran! Der Philosoph des neun¬<lb/>
zehnten Jahrhunderts hat die Preise herabgesetzt, man kann jetzt billiger bei ihm<lb/>
kaufen als im Anfange seines prätentiösen Auftretens. Wer hat Lust? Ein<lb/>
Vorschlag zur Güte: Sonst mußten Sie das ganze System in Kauf nehmen,<lb/>
jetzt können Sie die pikante &#x201E;induktive Spitze" liegen lassen, brauchen sie nicht<lb/>
mitzubezahlen, und bekommen doch noch das übrige, ja sogar eine milde Beigabe<lb/>
von Gott und Vorsehung zu allen übrigen Herrlichkeiten hinzu!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_529"> Wann, wann werden sich die wirklich Gebildeten unter unsern Zeitgenossen<lb/>
mit offen ausgesprochenem Ekel und Abscheu von dieser marktschreierischen<lb/>
Phrasendrescherei abkehren und sich fest bewußt werden, daß diese &#x201E;Philosophie<lb/>
des Unbewußten" nie etwas andres gewesen ist als ein ganz armseliger Humbug?<lb/>
Möchte das Jahrhundert uoch vor Thorschluß diese Phraseologie mit all<lb/>
ihren &#x201E;Jsmussen" gründlich von seinen Rockschößen abschütteln!</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0146] Herrn von Hartmanns neueste philosophische Etappe. gelangt, dies doch nicht einräumen mag, sondern mit seinen großen und kleinen Schriften gern weiter Geschäfte machen möchte: „So kann man sehr wohl mein ganzes System, einschließlich der Vereinigung von empirischem Pessimismus und ideologischen Optimismus, acceptiren, und doch seine letzte Spitze, den meta¬ physischen Pessimismus samt seinen metaphysischen Konsequenzen ablehnen, ohne daß dadurch der Unterbau und der mittlere Teil der Pyramide alterirt wird ^natürlich! die sind ja stets schon mehr als wackelig gewesen!j. Wäre es mir mehr um äußern Erfolg als um die Wahrheit zu thun gewesen, so hätte ich nur so pfiffig zu sein brauchen, in meinen drei Hauptwerken die verhältnismäßig wenigen bezüglichen Stellen fortzulassen sWohin denn? Herr von Hartmann meint wohl wegzulassen j und einer postHumen Veröffentlichung aufzubehalten; man würde die Lücken garnicht bemerkt habe,?." . Was sollen wir dazu sagen? Daß Herr von Hartmann ein sehr Pfiffiger Schriftsteller genannt zu werden verdient, wollen wir nicht in Abrede stellen; daß ihn aber bei der Fülle seiner „Jsmusse" doch hie und da der Pfiff etwas verlassen hat, dürften unsre Bemerkungen auch gezeigt haben. Darin täuscht sich Herr von Hartmann, wenn er meint, daß posthume Hähne hinter ihm her auf seinem Grabe krähen könnten. Das Krähen fängt überhaupt an aufzuhören, daher solche sanfte oaxtg-tlo dönsvolöutmg dem nicht mehr so scharf angekrähten Publikum gegenüber. Also immer 'ran, meine Herren, immer 'ran! Der Philosoph des neun¬ zehnten Jahrhunderts hat die Preise herabgesetzt, man kann jetzt billiger bei ihm kaufen als im Anfange seines prätentiösen Auftretens. Wer hat Lust? Ein Vorschlag zur Güte: Sonst mußten Sie das ganze System in Kauf nehmen, jetzt können Sie die pikante „induktive Spitze" liegen lassen, brauchen sie nicht mitzubezahlen, und bekommen doch noch das übrige, ja sogar eine milde Beigabe von Gott und Vorsehung zu allen übrigen Herrlichkeiten hinzu! Wann, wann werden sich die wirklich Gebildeten unter unsern Zeitgenossen mit offen ausgesprochenem Ekel und Abscheu von dieser marktschreierischen Phrasendrescherei abkehren und sich fest bewußt werden, daß diese „Philosophie des Unbewußten" nie etwas andres gewesen ist als ein ganz armseliger Humbug? Möchte das Jahrhundert uoch vor Thorschluß diese Phraseologie mit all ihren „Jsmussen" gründlich von seinen Rockschößen abschütteln!

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/146
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/146>, abgerufen am 16.06.2024.