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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Die Lngel auf Lrdon.

Schön. Wieviel Meile" sind von hier bis nach X.?

Der Unbekannte zuckte die Achseln. Ich bin der Gegend nicht kundig,
sagte er. Es ist das erstemal, daß ich hierher komme.

Kommt, sagte die Gräfin zu Amardi, indem sie Miene machte, sich in
Bewegung zu setzen.

Und die andern? fragte Paul.
'

Die werden uns schon wieder einholen.

Wäre es nicht besser, wenn wir auf sie warteten?

Ach was! Ihr wißt, was mich betrifft, .jo ins moauv cku an'on air^-t-on!
Wir können ihnen durch diesen braven Mann sage" lassen, was ans uns ge¬
worden ist.

Sie zog ein elegantes Portemonnaie aus ihrer Tasche, nahm einen send"
und warf ihn den? Kunstreiter durch die Luft zu, der ihn geschickt mit der
Hand auffing.

In kurzem wird hier eine Schwadron von jungen Herren einer nach dem
andern ankommen. Sagt ihnen, wir erwarteten sie in der Spelnnke da, die
Ihr das große Wirtshaus nennt. Wenn Ihr es acht Herren gesagt haben
werdet, so ist die Rechnung richtig, und Eure Aufgabe ist erfüllt.

Darauf setzte sie ihren Govdlh wieder in Trab, und Paul folgte.

Der Kunstreiter ließ den sendo in der Luft tanzen, fing ihn mit geschickten
Fingern wieder auf, entsandte hinter den beiden Reitern einen halb ironischen,
halb neidischen Blick und streckte hinter ihnen die Hände in burlesker Scgen-
speudung aus.

O, du verliebtes Paar, du bist auf dem Wege, das allerheiligste sechste
Gebot zu umgehen! Möge dir heute das Schicksal günstig sein, denn dn hast
mir die Mittel verschafft, mir einen ordentlichen Rausch zu trinken!

In diesem Augenblicke wandte sich Paul zufällig um, und der Unbekannte
konnte von neuem sein Profil sehen.

Bei tausend Teufeln! Gesicht und Stimme dieses Menschen sind mir nicht
unbekannt. Wo hab' ich die schon kennen gelernt? Hin, hin! Ich werde mich
überzeugen.

Er ließ einen Pfiff ertönen, und im Nu erschienen zwei lebhafte, brennende
Angen, die etwas vom Wolfe und etwas vom Fuchse hatten, hinter demselben
Zaune, hinter welchem der Kunstreiter erst verborgen gewesen war.

Ha! Du warst also schon da, du Teufelskerl! Es ist eine edle An¬
gewohnheit, das spioniren, man kann immer etwas damit verdienen. Komm
mal her.

Der Angeredete schlüpfte durch den Zaun und war wie der Blitz auf
der Straße. Es war ein mageres, welkes Kerlchen, das beinahe ebensolche
Kleider trug wie der Mann mit dem Stocke. Hätte man auch nur annähernd
sein Alter angeben sollen, so würde man in Verlegenheit geraten sein. Faßte
man die gänzliche Abwesenheit des Bartes auf dem tabaksfarbenen Gesichte und
die schlanken Formen seiner noch unentwickelten Glieder ins Auge, so mußte
man ihn für ein Kind halten; berücksichtigte man aber die Runzeln auf seinen
Wangen und den auf seiner unedeln Physiognomie zum Vorschein kommenden
Ausdruck der allerschlimmsten Verworfenheit, so konnte man mit derselben Be¬
stimmtheit behaupten, daß man einen alten Mann vor sich habe.

Du hast alles gehört?

Das kleine Ungeheuer nickte mit dein Kopfe.


Die Lngel auf Lrdon.

Schön. Wieviel Meile» sind von hier bis nach X.?

Der Unbekannte zuckte die Achseln. Ich bin der Gegend nicht kundig,
sagte er. Es ist das erstemal, daß ich hierher komme.

Kommt, sagte die Gräfin zu Amardi, indem sie Miene machte, sich in
Bewegung zu setzen.

Und die andern? fragte Paul.
'

Die werden uns schon wieder einholen.

Wäre es nicht besser, wenn wir auf sie warteten?

Ach was! Ihr wißt, was mich betrifft, .jo ins moauv cku an'on air^-t-on!
Wir können ihnen durch diesen braven Mann sage» lassen, was ans uns ge¬
worden ist.

Sie zog ein elegantes Portemonnaie aus ihrer Tasche, nahm einen send»
und warf ihn den? Kunstreiter durch die Luft zu, der ihn geschickt mit der
Hand auffing.

In kurzem wird hier eine Schwadron von jungen Herren einer nach dem
andern ankommen. Sagt ihnen, wir erwarteten sie in der Spelnnke da, die
Ihr das große Wirtshaus nennt. Wenn Ihr es acht Herren gesagt haben
werdet, so ist die Rechnung richtig, und Eure Aufgabe ist erfüllt.

Darauf setzte sie ihren Govdlh wieder in Trab, und Paul folgte.

Der Kunstreiter ließ den sendo in der Luft tanzen, fing ihn mit geschickten
Fingern wieder auf, entsandte hinter den beiden Reitern einen halb ironischen,
halb neidischen Blick und streckte hinter ihnen die Hände in burlesker Scgen-
speudung aus.

O, du verliebtes Paar, du bist auf dem Wege, das allerheiligste sechste
Gebot zu umgehen! Möge dir heute das Schicksal günstig sein, denn dn hast
mir die Mittel verschafft, mir einen ordentlichen Rausch zu trinken!

In diesem Augenblicke wandte sich Paul zufällig um, und der Unbekannte
konnte von neuem sein Profil sehen.

Bei tausend Teufeln! Gesicht und Stimme dieses Menschen sind mir nicht
unbekannt. Wo hab' ich die schon kennen gelernt? Hin, hin! Ich werde mich
überzeugen.

Er ließ einen Pfiff ertönen, und im Nu erschienen zwei lebhafte, brennende
Angen, die etwas vom Wolfe und etwas vom Fuchse hatten, hinter demselben
Zaune, hinter welchem der Kunstreiter erst verborgen gewesen war.

Ha! Du warst also schon da, du Teufelskerl! Es ist eine edle An¬
gewohnheit, das spioniren, man kann immer etwas damit verdienen. Komm
mal her.

Der Angeredete schlüpfte durch den Zaun und war wie der Blitz auf
der Straße. Es war ein mageres, welkes Kerlchen, das beinahe ebensolche
Kleider trug wie der Mann mit dem Stocke. Hätte man auch nur annähernd
sein Alter angeben sollen, so würde man in Verlegenheit geraten sein. Faßte
man die gänzliche Abwesenheit des Bartes auf dem tabaksfarbenen Gesichte und
die schlanken Formen seiner noch unentwickelten Glieder ins Auge, so mußte
man ihn für ein Kind halten; berücksichtigte man aber die Runzeln auf seinen
Wangen und den auf seiner unedeln Physiognomie zum Vorschein kommenden
Ausdruck der allerschlimmsten Verworfenheit, so konnte man mit derselben Be¬
stimmtheit behaupten, daß man einen alten Mann vor sich habe.

Du hast alles gehört?

Das kleine Ungeheuer nickte mit dein Kopfe.


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[0148] Die Lngel auf Lrdon. Schön. Wieviel Meile» sind von hier bis nach X.? Der Unbekannte zuckte die Achseln. Ich bin der Gegend nicht kundig, sagte er. Es ist das erstemal, daß ich hierher komme. Kommt, sagte die Gräfin zu Amardi, indem sie Miene machte, sich in Bewegung zu setzen. Und die andern? fragte Paul. ' Die werden uns schon wieder einholen. Wäre es nicht besser, wenn wir auf sie warteten? Ach was! Ihr wißt, was mich betrifft, .jo ins moauv cku an'on air^-t-on! Wir können ihnen durch diesen braven Mann sage» lassen, was ans uns ge¬ worden ist. Sie zog ein elegantes Portemonnaie aus ihrer Tasche, nahm einen send» und warf ihn den? Kunstreiter durch die Luft zu, der ihn geschickt mit der Hand auffing. In kurzem wird hier eine Schwadron von jungen Herren einer nach dem andern ankommen. Sagt ihnen, wir erwarteten sie in der Spelnnke da, die Ihr das große Wirtshaus nennt. Wenn Ihr es acht Herren gesagt haben werdet, so ist die Rechnung richtig, und Eure Aufgabe ist erfüllt. Darauf setzte sie ihren Govdlh wieder in Trab, und Paul folgte. Der Kunstreiter ließ den sendo in der Luft tanzen, fing ihn mit geschickten Fingern wieder auf, entsandte hinter den beiden Reitern einen halb ironischen, halb neidischen Blick und streckte hinter ihnen die Hände in burlesker Scgen- speudung aus. O, du verliebtes Paar, du bist auf dem Wege, das allerheiligste sechste Gebot zu umgehen! Möge dir heute das Schicksal günstig sein, denn dn hast mir die Mittel verschafft, mir einen ordentlichen Rausch zu trinken! In diesem Augenblicke wandte sich Paul zufällig um, und der Unbekannte konnte von neuem sein Profil sehen. Bei tausend Teufeln! Gesicht und Stimme dieses Menschen sind mir nicht unbekannt. Wo hab' ich die schon kennen gelernt? Hin, hin! Ich werde mich überzeugen. Er ließ einen Pfiff ertönen, und im Nu erschienen zwei lebhafte, brennende Angen, die etwas vom Wolfe und etwas vom Fuchse hatten, hinter demselben Zaune, hinter welchem der Kunstreiter erst verborgen gewesen war. Ha! Du warst also schon da, du Teufelskerl! Es ist eine edle An¬ gewohnheit, das spioniren, man kann immer etwas damit verdienen. Komm mal her. Der Angeredete schlüpfte durch den Zaun und war wie der Blitz auf der Straße. Es war ein mageres, welkes Kerlchen, das beinahe ebensolche Kleider trug wie der Mann mit dem Stocke. Hätte man auch nur annähernd sein Alter angeben sollen, so würde man in Verlegenheit geraten sein. Faßte man die gänzliche Abwesenheit des Bartes auf dem tabaksfarbenen Gesichte und die schlanken Formen seiner noch unentwickelten Glieder ins Auge, so mußte man ihn für ein Kind halten; berücksichtigte man aber die Runzeln auf seinen Wangen und den auf seiner unedeln Physiognomie zum Vorschein kommenden Ausdruck der allerschlimmsten Verworfenheit, so konnte man mit derselben Be¬ stimmtheit behaupten, daß man einen alten Mann vor sich habe. Du hast alles gehört? Das kleine Ungeheuer nickte mit dein Kopfe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/148>, abgerufen am 15.06.2024.