Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.zwungener Gleichgiltigkeit beeilte sie sich hinzuzufügen: Seht doch, wie öde Paul blickte sie mit brennenden Augen an, ohne ein Wort zu erwiedern. Warum seht Ihr mich so an? Mißfällt Euch etwas an mir? Ach! Ich Sie schüttelte ihre herabfallenden Locken mit kindischem Grimm. Unmöglich, dem abzuhelfen! Thut mir den Gefallen und werft einen Blick Aber während ihre Lippen diese Worte hervorbrachten, dachte sie in ihrem Amardi faßte ihre beiden Hände und preßte sie heftig zusammen. Laurette! rief er, aber mit einem Tone, in welchem durchaus kein demü¬ Sie sah ihn verwundert an und war über den Ausdruck, der in Pauls Ach! Ihr habt eiskalte Hände, sagte sie, indem sie sich von ihm losmachte Paul blickte sie mit seinen feurigen Augen fest an und sagte: Hört mich Und er preßte ihre Hände heftig zusammen und drückte sie an sein klopfen¬ Laurette suchte ihre Unruhe möglichst zu verbergen und sich von neuem Mein Herr! rief sie, indem sie ihrem Tone und ihrem Aussehen die ganze Du bist die irdische Schönheit mit allen ihren irdischen Freuden! Mag Jetzt gelang es ihr, sich loszureißen, und sie floh bis ans äußerste Ende Ihr beleidigt mich! Du verachtest mich; verachtetest mich schon damals, als du mir Liebe schwurst. Die Lngel ans Erden.
zwungener Gleichgiltigkeit beeilte sie sich hinzuzufügen: Seht doch, wie öde Paul blickte sie mit brennenden Augen an, ohne ein Wort zu erwiedern. Warum seht Ihr mich so an? Mißfällt Euch etwas an mir? Ach! Ich Sie schüttelte ihre herabfallenden Locken mit kindischem Grimm. Unmöglich, dem abzuhelfen! Thut mir den Gefallen und werft einen Blick Aber während ihre Lippen diese Worte hervorbrachten, dachte sie in ihrem Amardi faßte ihre beiden Hände und preßte sie heftig zusammen. Laurette! rief er, aber mit einem Tone, in welchem durchaus kein demü¬ Sie sah ihn verwundert an und war über den Ausdruck, der in Pauls Ach! Ihr habt eiskalte Hände, sagte sie, indem sie sich von ihm losmachte Paul blickte sie mit seinen feurigen Augen fest an und sagte: Hört mich Und er preßte ihre Hände heftig zusammen und drückte sie an sein klopfen¬ Laurette suchte ihre Unruhe möglichst zu verbergen und sich von neuem Mein Herr! rief sie, indem sie ihrem Tone und ihrem Aussehen die ganze Du bist die irdische Schönheit mit allen ihren irdischen Freuden! Mag Jetzt gelang es ihr, sich loszureißen, und sie floh bis ans äußerste Ende Ihr beleidigt mich! Du verachtest mich; verachtetest mich schon damals, als du mir Liebe schwurst. Die Lngel ans Erden.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/156425"/> <fw type="sig" place="bottom"> Die Lngel ans Erden.</fw><lb/> <p xml:id="ID_625" prev="#ID_624"> zwungener Gleichgiltigkeit beeilte sie sich hinzuzufügen: Seht doch, wie öde<lb/> dieser Platz ist. Die ganze Bevölkerung besteht aus einem Knaben und einer<lb/> Katze. Man kommt sich vor wie in einem Märchen aus Tausend und einer<lb/> Nacht, wo das ganze Volk, durch eine Fee verzaubert, in Schlaf versenkt ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_626"> Paul blickte sie mit brennenden Augen an, ohne ein Wort zu erwiedern.</p><lb/> <p xml:id="ID_627"> Warum seht Ihr mich so an? Mißfällt Euch etwas an mir? Ach! Ich<lb/> bin furchtbar zerzaust, nicht wahr?</p><lb/> <p xml:id="ID_628"> Sie schüttelte ihre herabfallenden Locken mit kindischem Grimm.</p><lb/> <p xml:id="ID_629"> Unmöglich, dem abzuhelfen! Thut mir den Gefallen und werft einen Blick<lb/> in diesen schnöden Spiegel; Ihr werdet sofort zurückprallen. Ich habe nicht<lb/> mehr den Mut, mich von diesem treulosen Glase in ein Ungeheuer verwandeln<lb/> zu lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_630"> Aber während ihre Lippen diese Worte hervorbrachten, dachte sie in ihrem<lb/> Innern: Jetzt ist er unterjocht! O, das starke Geschlecht! Jetzt habe ich ihn<lb/> in meiner Gewalt, er muß sich auf Gnade und Ungnade ergeben.</p><lb/> <p xml:id="ID_631"> Amardi faßte ihre beiden Hände und preßte sie heftig zusammen.</p><lb/> <p xml:id="ID_632"> Laurette! rief er, aber mit einem Tone, in welchem durchaus kein demü¬<lb/> tiges Flehen, sondern eine gebieterische Entschlossenheit lag.</p><lb/> <p xml:id="ID_633"> Sie sah ihn verwundert an und war über den Ausdruck, der in Pauls<lb/> Augen lag, nicht wenig erstaunt.</p><lb/> <p xml:id="ID_634"> Ach! Ihr habt eiskalte Hände, sagte sie, indem sie sich von ihm losmachte<lb/> und beinahe erschrocken zurückzog.</p><lb/> <p xml:id="ID_635"> Paul blickte sie mit seinen feurigen Augen fest an und sagte: Hört mich<lb/> an! Nach einer kleinen Weile fügte er mit tiefer, leidenschaftlicher Stimme hinzu:<lb/> Ob ich dich liebe, Laurette, das weiß ich uicht. So wie ich dich in meiner<lb/> Jugend liebte, gewiß nicht. Aber du hast mich bestrickt. Fühle nur, wie fieber¬<lb/> haft meine Brust zittert! Du hast es gewollt. Ich bin nicht mehr der uner¬<lb/> fahrene Jüngling, den du schöne Zauberin in Florenz hinters Licht führtest.<lb/> Du wolltest dich jetzt wieder an meinen Leiden ergötzen. Nun ja, ich erkenne<lb/> deine Macht an, mein Herz ist gegen deine Angriffe gepanzert, aber vor deinem<lb/> Zaubcrblicke pochen alle meine Fibern!</p><lb/> <p xml:id="ID_636"> Und er preßte ihre Hände heftig zusammen und drückte sie an sein klopfen¬<lb/> des Herz.</p><lb/> <p xml:id="ID_637"> Laurette suchte ihre Unruhe möglichst zu verbergen und sich von neuem<lb/> loszureißen.</p><lb/> <p xml:id="ID_638"> Mein Herr! rief sie, indem sie ihrem Tone und ihrem Aussehen die ganze<lb/> Würde des beleidigten Stolzes zu geben suchte. Laßt mich zufrieden. Ihr ver¬<lb/> geht, wer ich bin!</p><lb/> <p xml:id="ID_639"> Du bist die irdische Schönheit mit allen ihren irdischen Freuden! Mag<lb/> sein, daß du mich nur aus Koketterie einludest. Hier bin ich. Bist du es, die<lb/> mich in der Gewalt hat, oder bin ich es? Was thuts! Ich verlange von dir<lb/> keine Liebe; so thöricht bin ich uicht mehr wie vor sechs Jahren; ich verlange<lb/> von dir nur das, was du mir geben kannst, die Trunkenheit.</p><lb/> <p xml:id="ID_640"> Jetzt gelang es ihr, sich loszureißen, und sie floh bis ans äußerste Ende<lb/> des Zimmers, nicht mit der Scham der widerstehenden Tugend, sondern mit<lb/> dem Aerger der beleidigten Eitelkeit, welche erst Bedingungen vorschreiben will,<lb/> ehe sie sich ergiebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_641"> Ihr beleidigt mich!</p><lb/> <p xml:id="ID_642" next="#ID_643"> Du verachtest mich; verachtetest mich schon damals, als du mir Liebe schwurst.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0154]
zwungener Gleichgiltigkeit beeilte sie sich hinzuzufügen: Seht doch, wie öde
dieser Platz ist. Die ganze Bevölkerung besteht aus einem Knaben und einer
Katze. Man kommt sich vor wie in einem Märchen aus Tausend und einer
Nacht, wo das ganze Volk, durch eine Fee verzaubert, in Schlaf versenkt ist.
Paul blickte sie mit brennenden Augen an, ohne ein Wort zu erwiedern.
Warum seht Ihr mich so an? Mißfällt Euch etwas an mir? Ach! Ich
bin furchtbar zerzaust, nicht wahr?
Sie schüttelte ihre herabfallenden Locken mit kindischem Grimm.
Unmöglich, dem abzuhelfen! Thut mir den Gefallen und werft einen Blick
in diesen schnöden Spiegel; Ihr werdet sofort zurückprallen. Ich habe nicht
mehr den Mut, mich von diesem treulosen Glase in ein Ungeheuer verwandeln
zu lassen.
Aber während ihre Lippen diese Worte hervorbrachten, dachte sie in ihrem
Innern: Jetzt ist er unterjocht! O, das starke Geschlecht! Jetzt habe ich ihn
in meiner Gewalt, er muß sich auf Gnade und Ungnade ergeben.
Amardi faßte ihre beiden Hände und preßte sie heftig zusammen.
Laurette! rief er, aber mit einem Tone, in welchem durchaus kein demü¬
tiges Flehen, sondern eine gebieterische Entschlossenheit lag.
Sie sah ihn verwundert an und war über den Ausdruck, der in Pauls
Augen lag, nicht wenig erstaunt.
Ach! Ihr habt eiskalte Hände, sagte sie, indem sie sich von ihm losmachte
und beinahe erschrocken zurückzog.
Paul blickte sie mit seinen feurigen Augen fest an und sagte: Hört mich
an! Nach einer kleinen Weile fügte er mit tiefer, leidenschaftlicher Stimme hinzu:
Ob ich dich liebe, Laurette, das weiß ich uicht. So wie ich dich in meiner
Jugend liebte, gewiß nicht. Aber du hast mich bestrickt. Fühle nur, wie fieber¬
haft meine Brust zittert! Du hast es gewollt. Ich bin nicht mehr der uner¬
fahrene Jüngling, den du schöne Zauberin in Florenz hinters Licht führtest.
Du wolltest dich jetzt wieder an meinen Leiden ergötzen. Nun ja, ich erkenne
deine Macht an, mein Herz ist gegen deine Angriffe gepanzert, aber vor deinem
Zaubcrblicke pochen alle meine Fibern!
Und er preßte ihre Hände heftig zusammen und drückte sie an sein klopfen¬
des Herz.
Laurette suchte ihre Unruhe möglichst zu verbergen und sich von neuem
loszureißen.
Mein Herr! rief sie, indem sie ihrem Tone und ihrem Aussehen die ganze
Würde des beleidigten Stolzes zu geben suchte. Laßt mich zufrieden. Ihr ver¬
geht, wer ich bin!
Du bist die irdische Schönheit mit allen ihren irdischen Freuden! Mag
sein, daß du mich nur aus Koketterie einludest. Hier bin ich. Bist du es, die
mich in der Gewalt hat, oder bin ich es? Was thuts! Ich verlange von dir
keine Liebe; so thöricht bin ich uicht mehr wie vor sechs Jahren; ich verlange
von dir nur das, was du mir geben kannst, die Trunkenheit.
Jetzt gelang es ihr, sich loszureißen, und sie floh bis ans äußerste Ende
des Zimmers, nicht mit der Scham der widerstehenden Tugend, sondern mit
dem Aerger der beleidigten Eitelkeit, welche erst Bedingungen vorschreiben will,
ehe sie sich ergiebt.
Ihr beleidigt mich!
Du verachtest mich; verachtetest mich schon damals, als du mir Liebe schwurst.
Die Lngel ans Erden.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |