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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal.

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Deutsche i<otonialxolitik.

enthält eine solche Beleidigung der Organe der Gesellschaft, daß ich keine Worte
dafür finde und mir nur erübrigt, die Verleumdung des Herrn Bamberger
ebenso öffentlich zurückzuweisen, wie er sie ausgesprochen."

Ähnlich wie mit den hier gebrandmarkten Äußerungen des Wortführers
der Manchesterpolitiker im Reichstage verhielt es sich mit andern, z. B. mit
der, daß die erste direkte Dampferverbindung zwischen Deutschland und den
Vereinigten Staaten der ihr gewährten staatlichen Unterstützung nicht bedurft
hätte. Dieselbe konnte vielmehr, wie seitdem nachgewiesen worden ist, nur mit
solcher Subvention ins Leben treten und jahrelang bestehen. Die betreffende
Bremer Gesellschaft existirte bis 1857 und verzinste den ihr gewährten Staats¬
zuschuß nach 1856 mit sechs Prozent, und für die wohlthätigen Folgen, welche
ihre Errichtung für den Handel Bremens hatte, ist der beste Beweis das
sicherlich unverdächtige Zeugnis, das Bürgermeister Duckwitz ihr in seinen be¬
kannten Denkwürdigkeiten ausgestellt hat. Die Thatsache, daß vor dem Be¬
stehen dieser direkten Verbindung die Ausfuhr deutscher Fabrikate über Bremen
nach der nordamerikanischen Union einen Wert von nur etwa zehn Millionen
Mark heutigen Geldes repräsentirte, acht Jahre nach Errichtung der Linie aber
schon achtundvierzig Millionen wert war, spricht hinreichend sür den Auf¬
schwung, den der Handel Bremens durch diese subventionirte Dampferverbindung
genommen hat.

In der Kommissionssitzung, in welcher die Postdampfervorlage erörtert
wurde, brachte der Abgeordnete Hannacher die Lüderitzsche Unternehmung in
Angra Pequena zur Sprache, wies auf die von Frankreich für ähnliche Zwecke
bereitgestellten Kredite hin, streifte die Kongofrage und ersuchte den anwesenden
Reichskanzler um eine Erklärung darüber, wie er sich zu den ebenerwähnten
Bestrebungen und zu den Kolonisationswünschen überhaupt zu verhalten ge¬
denke. Fürst Bismarck machte znncichst auf den Zusammenhang der Frage wegen
der Postdampfersubvention mit der Kolonialfrage aufmerksam und äußerte dann,
daß es nicht in seiner Absicht liege, von Reichswegen eigentliche Kolonialpolitik
zu treiben. "Natürlich würden wir, sagte er, eine ganz falsche Politik ver¬
folgen, wenn wir Ober-und Unterbeamte und Garnisonen in die Kolonie schicken
wollten; wir wollen vielmehr den Interessenten der Kolonien gleichzeitig anch
das Regieren derselben überlassen und die Autorität etwa durch einen Konsul
wahrem Wir wollen nicht Provinzen gründen, aber deutsche Niederlassungen
schützen durch das Reich." Was Angra Pequena anlange, so habe er wegen
etwaiger englischer Rechte auf dieses Gebiet in London angefragt und, nachdem
ihm eine Zeit lang keine genügende Antwort zuteil geworden, soeben Berichte
erhalten, nach denen er bestimmt erklären könne, England erhebe keine Ausprüche
mehr auf Angra Pequena. Hinsichtlich des Kongogebiets seien Verhandlungen
mit Portugal eingeleitet, und man dürfe hoffen, ein Abkommen zustande zu
bringen, welches den freien Verkehr daselbst herstelle. Später ergriff er noch


Deutsche i<otonialxolitik.

enthält eine solche Beleidigung der Organe der Gesellschaft, daß ich keine Worte
dafür finde und mir nur erübrigt, die Verleumdung des Herrn Bamberger
ebenso öffentlich zurückzuweisen, wie er sie ausgesprochen."

Ähnlich wie mit den hier gebrandmarkten Äußerungen des Wortführers
der Manchesterpolitiker im Reichstage verhielt es sich mit andern, z. B. mit
der, daß die erste direkte Dampferverbindung zwischen Deutschland und den
Vereinigten Staaten der ihr gewährten staatlichen Unterstützung nicht bedurft
hätte. Dieselbe konnte vielmehr, wie seitdem nachgewiesen worden ist, nur mit
solcher Subvention ins Leben treten und jahrelang bestehen. Die betreffende
Bremer Gesellschaft existirte bis 1857 und verzinste den ihr gewährten Staats¬
zuschuß nach 1856 mit sechs Prozent, und für die wohlthätigen Folgen, welche
ihre Errichtung für den Handel Bremens hatte, ist der beste Beweis das
sicherlich unverdächtige Zeugnis, das Bürgermeister Duckwitz ihr in seinen be¬
kannten Denkwürdigkeiten ausgestellt hat. Die Thatsache, daß vor dem Be¬
stehen dieser direkten Verbindung die Ausfuhr deutscher Fabrikate über Bremen
nach der nordamerikanischen Union einen Wert von nur etwa zehn Millionen
Mark heutigen Geldes repräsentirte, acht Jahre nach Errichtung der Linie aber
schon achtundvierzig Millionen wert war, spricht hinreichend sür den Auf¬
schwung, den der Handel Bremens durch diese subventionirte Dampferverbindung
genommen hat.

In der Kommissionssitzung, in welcher die Postdampfervorlage erörtert
wurde, brachte der Abgeordnete Hannacher die Lüderitzsche Unternehmung in
Angra Pequena zur Sprache, wies auf die von Frankreich für ähnliche Zwecke
bereitgestellten Kredite hin, streifte die Kongofrage und ersuchte den anwesenden
Reichskanzler um eine Erklärung darüber, wie er sich zu den ebenerwähnten
Bestrebungen und zu den Kolonisationswünschen überhaupt zu verhalten ge¬
denke. Fürst Bismarck machte znncichst auf den Zusammenhang der Frage wegen
der Postdampfersubvention mit der Kolonialfrage aufmerksam und äußerte dann,
daß es nicht in seiner Absicht liege, von Reichswegen eigentliche Kolonialpolitik
zu treiben. „Natürlich würden wir, sagte er, eine ganz falsche Politik ver¬
folgen, wenn wir Ober-und Unterbeamte und Garnisonen in die Kolonie schicken
wollten; wir wollen vielmehr den Interessenten der Kolonien gleichzeitig anch
das Regieren derselben überlassen und die Autorität etwa durch einen Konsul
wahrem Wir wollen nicht Provinzen gründen, aber deutsche Niederlassungen
schützen durch das Reich." Was Angra Pequena anlange, so habe er wegen
etwaiger englischer Rechte auf dieses Gebiet in London angefragt und, nachdem
ihm eine Zeit lang keine genügende Antwort zuteil geworden, soeben Berichte
erhalten, nach denen er bestimmt erklären könne, England erhebe keine Ausprüche
mehr auf Angra Pequena. Hinsichtlich des Kongogebiets seien Verhandlungen
mit Portugal eingeleitet, und man dürfe hoffen, ein Abkommen zustande zu
bringen, welches den freien Verkehr daselbst herstelle. Später ergriff er noch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156270/170>, abgerufen am 15.06.2024.