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Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr.

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auf dem Lande stand, und den Schiffer Richard Vnrlington begrüßen wollte,
der ihm aus frühern Jahren wohl bekannt war, erblickte er diesen im Gespräch
mit einem Fremden, dessen Kleidung und äußere Erscheinung deutlich zeigten,
daß er nicht zur Mannschaft des Schiffes gehörte.

Es war ein schöngewachsener Mann, etwas über Mittelgröße, mit läng¬
lichem Gesicht, krummer Nase und hellen Augen. Abgesehen von dem lebhaften
Blick derselben, war die dunkle Gesichtsfarbe des Fremden das auffallendste
an ihm -- sie kennzeichnete ihn als Südländer. Auch war sein Haar, obwohl
er kaum dreißig Jahre zählen mochte, bereits völlig ergraut.

Der Schiffer begrüßte den Prediger herzlich und sagte, er komme wie ge¬
rufen, er habe gerade mit dem Fremden, den er als den wohledeln Sir Christoph
Dove vorstellte, von ihm gesprochen. Es ist ein vornehmer Portugiese, fügte
er leise, zu dem Prediger gewandt, hinzu, der, Gott weiß warum, auf den
Einfall gekommen ist, sich hier oben umzusehen. Ich habe ihn für Geld und
gute Worte mitgenommen und versprochen, ihm nach besten Kräften behilflich
zu sein; jetzt richte ich nun die Bitte an euch, ihn gegen gebührendes Kostgeld
während der Monate, wo ich hier liege, bei Euch in Eltern Hanse aufzunehmen.
Es wird Euch uicht gereuen; er ist eine ehrliche Seele, hat aller Herren Länder
bereist, er kann Euch mehr erzählen als ich oder meinesgleichen.

Sira Johns Antlitz strahlte vor Glück bei dem Gedanken an die Aussicht
auf diese lehrreichen Gespräche; ehe er sich aber ein den Fremden wandte, fragte
er den Schiffer noch, ob sein Begleiter auch Englisch spreche. Ja, verständlich
kann er sich schon machen, lautete die Antwort, aber Latein spricht er wie ein
Geistlicher!

Nachdem er diese in hohem Grade beruhigende Antwort erhalten hatte,
drückte Sira John dem Fremden in gewählten lateinischen Worten seine Frende
aus, einen so seltenen und ausgezeichneten Gast bei sich zu sehen, und die
Hoffnung, daß Sir Dove vorlieb nehmen werde unter seinem bescheidnen Dache.

Der Fremde erwiederte darauf in ebenso schönem und fließendem Latein,
wie glücklich er sich schütze, in ultirns. Illulo einen solchen Wirt angetroffen zu
haben, und daß er das ihm so freundlich entgegengebrachte Wohlwollen niemals
vergessen werde.

Jetzt mischte sich auch der Schiffer in das Gespräch und sagte, daß er
am Nachmittage einen Mann mit Sir Doves Kiste nach Jngjaldshol senden
wolle; dieser könne ihm dann ja anch den Weg zeigen. Der Prediger aber,
der froh wie ein Kind war über seine Beute, wollte diese keinen Augenblick
aus den Händen lassen und machte dem Fremden deswegen den Vorschlag, ihn
gleich auf seinen Pfarrhof zu begleiten. Hiergegen hatte Sir Dove natürlich
nichts einzuwenden, und so machten sich denn beide auf den Weg.

Während sie weiter landeinwärts schritten, kam im Süden der mächtige
Sncfjäldsjötel mehr und mehr zum Vorschein. Sir Dove fühlte sich tief er-


auf dem Lande stand, und den Schiffer Richard Vnrlington begrüßen wollte,
der ihm aus frühern Jahren wohl bekannt war, erblickte er diesen im Gespräch
mit einem Fremden, dessen Kleidung und äußere Erscheinung deutlich zeigten,
daß er nicht zur Mannschaft des Schiffes gehörte.

Es war ein schöngewachsener Mann, etwas über Mittelgröße, mit läng¬
lichem Gesicht, krummer Nase und hellen Augen. Abgesehen von dem lebhaften
Blick derselben, war die dunkle Gesichtsfarbe des Fremden das auffallendste
an ihm — sie kennzeichnete ihn als Südländer. Auch war sein Haar, obwohl
er kaum dreißig Jahre zählen mochte, bereits völlig ergraut.

Der Schiffer begrüßte den Prediger herzlich und sagte, er komme wie ge¬
rufen, er habe gerade mit dem Fremden, den er als den wohledeln Sir Christoph
Dove vorstellte, von ihm gesprochen. Es ist ein vornehmer Portugiese, fügte
er leise, zu dem Prediger gewandt, hinzu, der, Gott weiß warum, auf den
Einfall gekommen ist, sich hier oben umzusehen. Ich habe ihn für Geld und
gute Worte mitgenommen und versprochen, ihm nach besten Kräften behilflich
zu sein; jetzt richte ich nun die Bitte an euch, ihn gegen gebührendes Kostgeld
während der Monate, wo ich hier liege, bei Euch in Eltern Hanse aufzunehmen.
Es wird Euch uicht gereuen; er ist eine ehrliche Seele, hat aller Herren Länder
bereist, er kann Euch mehr erzählen als ich oder meinesgleichen.

Sira Johns Antlitz strahlte vor Glück bei dem Gedanken an die Aussicht
auf diese lehrreichen Gespräche; ehe er sich aber ein den Fremden wandte, fragte
er den Schiffer noch, ob sein Begleiter auch Englisch spreche. Ja, verständlich
kann er sich schon machen, lautete die Antwort, aber Latein spricht er wie ein
Geistlicher!

Nachdem er diese in hohem Grade beruhigende Antwort erhalten hatte,
drückte Sira John dem Fremden in gewählten lateinischen Worten seine Frende
aus, einen so seltenen und ausgezeichneten Gast bei sich zu sehen, und die
Hoffnung, daß Sir Dove vorlieb nehmen werde unter seinem bescheidnen Dache.

Der Fremde erwiederte darauf in ebenso schönem und fließendem Latein,
wie glücklich er sich schütze, in ultirns. Illulo einen solchen Wirt angetroffen zu
haben, und daß er das ihm so freundlich entgegengebrachte Wohlwollen niemals
vergessen werde.

Jetzt mischte sich auch der Schiffer in das Gespräch und sagte, daß er
am Nachmittage einen Mann mit Sir Doves Kiste nach Jngjaldshol senden
wolle; dieser könne ihm dann ja anch den Weg zeigen. Der Prediger aber,
der froh wie ein Kind war über seine Beute, wollte diese keinen Augenblick
aus den Händen lassen und machte dem Fremden deswegen den Vorschlag, ihn
gleich auf seinen Pfarrhof zu begleiten. Hiergegen hatte Sir Dove natürlich
nichts einzuwenden, und so machten sich denn beide auf den Weg.

Während sie weiter landeinwärts schritten, kam im Süden der mächtige
Sncfjäldsjötel mehr und mehr zum Vorschein. Sir Dove fühlte sich tief er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 46, 1887, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341845_200778/59>, abgerufen am 05.06.2024.