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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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Heilgymnastik im Altertum.

der berühmten Vorschrift: ?ost oosug-iQ stg-bis Sön xassus initio nioadis findet
sich bei Antyllus nichts.

Beschleunigte und verstärkte Bewegungen sind der Lauf und der Sprung,
sie haben also im allgemeinen dieselbe Wirkung wie ein angestrengtes Spazieren¬
gehen oder Marschiren. Von den Laufübungen werden besonders zwei schon
von Galen empfohlen, das sogenannte ix/c^eS^'e^ und das ^t?,^/^"^.
Die erstgenannte Übung besteht darin, daß der Laufende ein Plethron, d. h.
100 Fuß, zurücklegt, dann dieselbe Entfernung, ohne sich umzuwenden, rückwärts
durchmißt und diese Bewegung, indem er jedesmal die durchlaufene Strecke ein
wenig verkürzt, so lange wiederholt, bis er zuletzt nur einen Schritt von dem
Ausgangspunkte entfernt ist. Das n^^to^" aber, welches schon Hippokrates
zu kennen scheint, ist eine schleunige Bewegung auf den Fußspitzen, wobei der
Laufende beide Arme emporhebt und sie aufs schnellste, den einen nach vorn,
den andern nach hinten, schleudert. Beide Übungen könnten recht gut in unsern
Lehrbüchern der Heilgymnastik Platz finden. Als Merkwürdigkeit mag hier noch
angeführt werden, daß der Lauf von den Ärzten als Mittel gegen Kolik, gegen
die Folgen des Genusses von giftigen Pilzen und gegen den Biß von Skor¬
pionen verordnet wurde.

Wie der Lauf, so waren auch die Springübungen mannichfaltig. Für be¬
sonders wirksam galt schon in früher Zeit das "Anfersen," d. h. das Hüpfen
an einer Stelle, wobei auch mit den Beinen gewechselt werden konnte, wie das
bei der sogenannten Trottbewegung geschieht. In Sparta scheint diese Art der
Gymnastik besonders beim weiblichen Geschlechte beliebt gewesen zu sein, wie aus
der "Lysistmte" des Aristophanes hervorgeht. Hier erscheint unter den Weibern,
welche von der Heldin des Stückes zur Beratung eingeladen sind, auch die
Lacedämonierin Lampito und erregt durch ihr blühendes Aussehen allgemeines
Erstaunen. "Wie strotzest du von Kraft -- sagt Lysistmte zu ihr --, du
könntest wohl gar einen Stier erwürgen," worauf jene stolz in ihrer dorischen
Mundart erwidert:


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Nahe liegt die Vermutung, daß bei einem Volke, welches den Tanz so
hoch schätzte wie die Griechen, auch diese Art der Bewegung für die Diätetik
des Körpers ausgenutzt worden sei, zumal da es ja bei den Tänzen der Alten
nicht sowohl auf die Thätigkeit der Füße, als auf die Bewegungen des Ober¬
körpers und das Spiel der Arme und der Hände ankam. Das ist denn auch wirk¬
lich geschehen, und zwar ist der erste, von dem berichtet wird, daß er des körper¬
lichen Wohlbefindens halber sich der Tanzkunst beflissen habe, kein andrer als

') Frculi, ja, (Droysen.) Alltags ja turn' ich, rann' darzu den AclMsprung.


Heilgymnastik im Altertum.

der berühmten Vorschrift: ?ost oosug-iQ stg-bis Sön xassus initio nioadis findet
sich bei Antyllus nichts.

Beschleunigte und verstärkte Bewegungen sind der Lauf und der Sprung,
sie haben also im allgemeinen dieselbe Wirkung wie ein angestrengtes Spazieren¬
gehen oder Marschiren. Von den Laufübungen werden besonders zwei schon
von Galen empfohlen, das sogenannte ix/c^eS^'e^ und das ^t?,^/^«^.
Die erstgenannte Übung besteht darin, daß der Laufende ein Plethron, d. h.
100 Fuß, zurücklegt, dann dieselbe Entfernung, ohne sich umzuwenden, rückwärts
durchmißt und diese Bewegung, indem er jedesmal die durchlaufene Strecke ein
wenig verkürzt, so lange wiederholt, bis er zuletzt nur einen Schritt von dem
Ausgangspunkte entfernt ist. Das n^^to^« aber, welches schon Hippokrates
zu kennen scheint, ist eine schleunige Bewegung auf den Fußspitzen, wobei der
Laufende beide Arme emporhebt und sie aufs schnellste, den einen nach vorn,
den andern nach hinten, schleudert. Beide Übungen könnten recht gut in unsern
Lehrbüchern der Heilgymnastik Platz finden. Als Merkwürdigkeit mag hier noch
angeführt werden, daß der Lauf von den Ärzten als Mittel gegen Kolik, gegen
die Folgen des Genusses von giftigen Pilzen und gegen den Biß von Skor¬
pionen verordnet wurde.

Wie der Lauf, so waren auch die Springübungen mannichfaltig. Für be¬
sonders wirksam galt schon in früher Zeit das „Anfersen," d. h. das Hüpfen
an einer Stelle, wobei auch mit den Beinen gewechselt werden konnte, wie das
bei der sogenannten Trottbewegung geschieht. In Sparta scheint diese Art der
Gymnastik besonders beim weiblichen Geschlechte beliebt gewesen zu sein, wie aus
der „Lysistmte" des Aristophanes hervorgeht. Hier erscheint unter den Weibern,
welche von der Heldin des Stückes zur Beratung eingeladen sind, auch die
Lacedämonierin Lampito und erregt durch ihr blühendes Aussehen allgemeines
Erstaunen. „Wie strotzest du von Kraft — sagt Lysistmte zu ihr —, du
könntest wohl gar einen Stier erwürgen," worauf jene stolz in ihrer dorischen
Mundart erwidert:


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Nahe liegt die Vermutung, daß bei einem Volke, welches den Tanz so
hoch schätzte wie die Griechen, auch diese Art der Bewegung für die Diätetik
des Körpers ausgenutzt worden sei, zumal da es ja bei den Tänzen der Alten
nicht sowohl auf die Thätigkeit der Füße, als auf die Bewegungen des Ober¬
körpers und das Spiel der Arme und der Hände ankam. Das ist denn auch wirk¬
lich geschehen, und zwar ist der erste, von dem berichtet wird, daß er des körper¬
lichen Wohlbefindens halber sich der Tanzkunst beflissen habe, kein andrer als

') Frculi, ja, (Droysen.) Alltags ja turn' ich, rann' darzu den AclMsprung.


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[0180] Heilgymnastik im Altertum. der berühmten Vorschrift: ?ost oosug-iQ stg-bis Sön xassus initio nioadis findet sich bei Antyllus nichts. Beschleunigte und verstärkte Bewegungen sind der Lauf und der Sprung, sie haben also im allgemeinen dieselbe Wirkung wie ein angestrengtes Spazieren¬ gehen oder Marschiren. Von den Laufübungen werden besonders zwei schon von Galen empfohlen, das sogenannte ix/c^eS^'e^ und das ^t?,^/^«^. Die erstgenannte Übung besteht darin, daß der Laufende ein Plethron, d. h. 100 Fuß, zurücklegt, dann dieselbe Entfernung, ohne sich umzuwenden, rückwärts durchmißt und diese Bewegung, indem er jedesmal die durchlaufene Strecke ein wenig verkürzt, so lange wiederholt, bis er zuletzt nur einen Schritt von dem Ausgangspunkte entfernt ist. Das n^^to^« aber, welches schon Hippokrates zu kennen scheint, ist eine schleunige Bewegung auf den Fußspitzen, wobei der Laufende beide Arme emporhebt und sie aufs schnellste, den einen nach vorn, den andern nach hinten, schleudert. Beide Übungen könnten recht gut in unsern Lehrbüchern der Heilgymnastik Platz finden. Als Merkwürdigkeit mag hier noch angeführt werden, daß der Lauf von den Ärzten als Mittel gegen Kolik, gegen die Folgen des Genusses von giftigen Pilzen und gegen den Biß von Skor¬ pionen verordnet wurde. Wie der Lauf, so waren auch die Springübungen mannichfaltig. Für be¬ sonders wirksam galt schon in früher Zeit das „Anfersen," d. h. das Hüpfen an einer Stelle, wobei auch mit den Beinen gewechselt werden konnte, wie das bei der sogenannten Trottbewegung geschieht. In Sparta scheint diese Art der Gymnastik besonders beim weiblichen Geschlechte beliebt gewesen zu sein, wie aus der „Lysistmte" des Aristophanes hervorgeht. Hier erscheint unter den Weibern, welche von der Heldin des Stückes zur Beratung eingeladen sind, auch die Lacedämonierin Lampito und erregt durch ihr blühendes Aussehen allgemeines Erstaunen. „Wie strotzest du von Kraft — sagt Lysistmte zu ihr —, du könntest wohl gar einen Stier erwürgen," worauf jene stolz in ihrer dorischen Mundart erwidert: /t«^.« ^'seti) v«t rs) <»e»' ^»//,v«<^a^t«/, /»^) Tro?« «/^»/<«t, Nahe liegt die Vermutung, daß bei einem Volke, welches den Tanz so hoch schätzte wie die Griechen, auch diese Art der Bewegung für die Diätetik des Körpers ausgenutzt worden sei, zumal da es ja bei den Tänzen der Alten nicht sowohl auf die Thätigkeit der Füße, als auf die Bewegungen des Ober¬ körpers und das Spiel der Arme und der Hände ankam. Das ist denn auch wirk¬ lich geschehen, und zwar ist der erste, von dem berichtet wird, daß er des körper¬ lichen Wohlbefindens halber sich der Tanzkunst beflissen habe, kein andrer als ') Frculi, ja, (Droysen.) Alltags ja turn' ich, rann' darzu den AclMsprung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/180>, abgerufen am 16.06.2024.