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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr.

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David Beronski.

Zornig fuhr Ruhm auf.

Was thust du, was soll das? Habe ich dich gerufen?

Jeschka achtete nicht auf ihn. Sie nahm das Kind in ihre Arme, und
indem sie sich zu David wandte, sagte sie: Gesegnet sei dein Eintritt unter
unser Dach! Was wir vermögen, werden wir thun zu deiner Pflege, denn nur
dir allein verdanken wir alles, was wir jetzt haben. Sei willkommen und sage
mir, womit ich dich laben und erquicken kann!

Daß du mich willkommen heißest, ist mir die größte Labung, sagte David,
und wandte ihr sein hageres, jetzt durch ein Lächeln verklärtes Antlitz zu.

Mit Mühe unterdrückte das junge Mädchen einen Schreckensruf, als sie die
Veränderung sah, die mit ihm vorgegangen war und die ihr in das Herz schnitt.

Was redest du von laben und erquicken? schrie Rüben aufgebracht. Ist
das Haus dein? Hast du etwas eignes, daß du redest, als könntest du geben
und verschwenden, wie dirs einfällt? Was kommst du herein, wenn ich dich nicht
rufe? Habe ich dich so weit herkommen lassen, die weite Reise bezahlt, damit
du mir entgegentrittst und nicht thust, was ich will?

Es steht geschrieben, du sollst dem Dürftigen dein Haus nicht verschließen,
entgegnete Jeschka ruhig, ihn ernst und groß anblickend, sodaß er die Augen
abwendete. Ich weiß, du meinst es nicht so hart, wie es nach deinen Worten
klingt.

Was hast du zu mäkeln an meinen Worten? fuhr Rüben sie heftig an.
Gefallen dir meine Worte nicht, so kannst du wieder fortgehen. Hat es dir
vielleicht besser gefallen in der Karaltenhütte vor der Stadt, wo der Wind durch
die dünne Lehmwand pfiff, und die Leute mit Steinen an die Thür schlugen?

Ja, Rüben! sagte Jeschka. Es gefiel mir besser in der Hütte unsers
Vaters, wenn sie auch ärmlich und klein war und uns kaum Schutz vor Kälte
und Regen gab. Aber der Wind, der durch die Fugen drang, trug keine Worte
der Zwietracht weiter, und wenn ich dir dort gesagt hätte: Rüben, wir können
David Beronski, der uns so oft vor dem Zorne der Andersgläubigen geschützt
hat, einen Dienst erweisen, du wärst der erste gewesen, es zu thun.

Rüben wollte eine heftige Antwort geben, doch David wandte sich zum
Gehen. Er nahm Jeschka die Kleine ab, die alles ruhig über sich ergehen ließ,
und hüllte sie wieder ein.

Ich danke dir, Jeschka, sagte er mild. Deine Worte haben mir wohler gethan
als Essen und Trinken es gekonnt hätte; sie waren mir wie der Thau den ver¬
trockneten Fluren. Ich gehe, denn ich will keinen Grund zum Unfrieden zwischen
dir und deinem Bruder geben.

Jeschka folgte ihm, Rüben blieb allein mit seinem Zorne, seinem Ärger
und zugleich der brennenden Scham über beides.

Draußen blieb David stehen. Der Mond war aufgegangen und warf sein
bläuliches Licht hell über die Straße und auf das Haus. Jeschka sah Thränen


David Beronski.

Zornig fuhr Ruhm auf.

Was thust du, was soll das? Habe ich dich gerufen?

Jeschka achtete nicht auf ihn. Sie nahm das Kind in ihre Arme, und
indem sie sich zu David wandte, sagte sie: Gesegnet sei dein Eintritt unter
unser Dach! Was wir vermögen, werden wir thun zu deiner Pflege, denn nur
dir allein verdanken wir alles, was wir jetzt haben. Sei willkommen und sage
mir, womit ich dich laben und erquicken kann!

Daß du mich willkommen heißest, ist mir die größte Labung, sagte David,
und wandte ihr sein hageres, jetzt durch ein Lächeln verklärtes Antlitz zu.

Mit Mühe unterdrückte das junge Mädchen einen Schreckensruf, als sie die
Veränderung sah, die mit ihm vorgegangen war und die ihr in das Herz schnitt.

Was redest du von laben und erquicken? schrie Rüben aufgebracht. Ist
das Haus dein? Hast du etwas eignes, daß du redest, als könntest du geben
und verschwenden, wie dirs einfällt? Was kommst du herein, wenn ich dich nicht
rufe? Habe ich dich so weit herkommen lassen, die weite Reise bezahlt, damit
du mir entgegentrittst und nicht thust, was ich will?

Es steht geschrieben, du sollst dem Dürftigen dein Haus nicht verschließen,
entgegnete Jeschka ruhig, ihn ernst und groß anblickend, sodaß er die Augen
abwendete. Ich weiß, du meinst es nicht so hart, wie es nach deinen Worten
klingt.

Was hast du zu mäkeln an meinen Worten? fuhr Rüben sie heftig an.
Gefallen dir meine Worte nicht, so kannst du wieder fortgehen. Hat es dir
vielleicht besser gefallen in der Karaltenhütte vor der Stadt, wo der Wind durch
die dünne Lehmwand pfiff, und die Leute mit Steinen an die Thür schlugen?

Ja, Rüben! sagte Jeschka. Es gefiel mir besser in der Hütte unsers
Vaters, wenn sie auch ärmlich und klein war und uns kaum Schutz vor Kälte
und Regen gab. Aber der Wind, der durch die Fugen drang, trug keine Worte
der Zwietracht weiter, und wenn ich dir dort gesagt hätte: Rüben, wir können
David Beronski, der uns so oft vor dem Zorne der Andersgläubigen geschützt
hat, einen Dienst erweisen, du wärst der erste gewesen, es zu thun.

Rüben wollte eine heftige Antwort geben, doch David wandte sich zum
Gehen. Er nahm Jeschka die Kleine ab, die alles ruhig über sich ergehen ließ,
und hüllte sie wieder ein.

Ich danke dir, Jeschka, sagte er mild. Deine Worte haben mir wohler gethan
als Essen und Trinken es gekonnt hätte; sie waren mir wie der Thau den ver¬
trockneten Fluren. Ich gehe, denn ich will keinen Grund zum Unfrieden zwischen
dir und deinem Bruder geben.

Jeschka folgte ihm, Rüben blieb allein mit seinem Zorne, seinem Ärger
und zugleich der brennenden Scham über beides.

Draußen blieb David stehen. Der Mond war aufgegangen und warf sein
bläuliches Licht hell über die Straße und auf das Haus. Jeschka sah Thränen


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[0373] David Beronski. Zornig fuhr Ruhm auf. Was thust du, was soll das? Habe ich dich gerufen? Jeschka achtete nicht auf ihn. Sie nahm das Kind in ihre Arme, und indem sie sich zu David wandte, sagte sie: Gesegnet sei dein Eintritt unter unser Dach! Was wir vermögen, werden wir thun zu deiner Pflege, denn nur dir allein verdanken wir alles, was wir jetzt haben. Sei willkommen und sage mir, womit ich dich laben und erquicken kann! Daß du mich willkommen heißest, ist mir die größte Labung, sagte David, und wandte ihr sein hageres, jetzt durch ein Lächeln verklärtes Antlitz zu. Mit Mühe unterdrückte das junge Mädchen einen Schreckensruf, als sie die Veränderung sah, die mit ihm vorgegangen war und die ihr in das Herz schnitt. Was redest du von laben und erquicken? schrie Rüben aufgebracht. Ist das Haus dein? Hast du etwas eignes, daß du redest, als könntest du geben und verschwenden, wie dirs einfällt? Was kommst du herein, wenn ich dich nicht rufe? Habe ich dich so weit herkommen lassen, die weite Reise bezahlt, damit du mir entgegentrittst und nicht thust, was ich will? Es steht geschrieben, du sollst dem Dürftigen dein Haus nicht verschließen, entgegnete Jeschka ruhig, ihn ernst und groß anblickend, sodaß er die Augen abwendete. Ich weiß, du meinst es nicht so hart, wie es nach deinen Worten klingt. Was hast du zu mäkeln an meinen Worten? fuhr Rüben sie heftig an. Gefallen dir meine Worte nicht, so kannst du wieder fortgehen. Hat es dir vielleicht besser gefallen in der Karaltenhütte vor der Stadt, wo der Wind durch die dünne Lehmwand pfiff, und die Leute mit Steinen an die Thür schlugen? Ja, Rüben! sagte Jeschka. Es gefiel mir besser in der Hütte unsers Vaters, wenn sie auch ärmlich und klein war und uns kaum Schutz vor Kälte und Regen gab. Aber der Wind, der durch die Fugen drang, trug keine Worte der Zwietracht weiter, und wenn ich dir dort gesagt hätte: Rüben, wir können David Beronski, der uns so oft vor dem Zorne der Andersgläubigen geschützt hat, einen Dienst erweisen, du wärst der erste gewesen, es zu thun. Rüben wollte eine heftige Antwort geben, doch David wandte sich zum Gehen. Er nahm Jeschka die Kleine ab, die alles ruhig über sich ergehen ließ, und hüllte sie wieder ein. Ich danke dir, Jeschka, sagte er mild. Deine Worte haben mir wohler gethan als Essen und Trinken es gekonnt hätte; sie waren mir wie der Thau den ver¬ trockneten Fluren. Ich gehe, denn ich will keinen Grund zum Unfrieden zwischen dir und deinem Bruder geben. Jeschka folgte ihm, Rüben blieb allein mit seinem Zorne, seinem Ärger und zugleich der brennenden Scham über beides. Draußen blieb David stehen. Der Mond war aufgegangen und warf sein bläuliches Licht hell über die Straße und auf das Haus. Jeschka sah Thränen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_202098/373>, abgerufen am 15.06.2024.