Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Litteratur

Dies ist der Wendepunkt. Ulrich und Cesario ahnen schon, daß sie sich
lieben werden. Ulrich beschließt, seine Schwester Rosamunde,


(Sie ist noch wunderhübsch mit sünfunddrethig,
Meist frohen Mutes und im Hause fleisn'g)

ins Vertrauen zu ziehen. Doch als er anfängt,


Blickt sie ihn an mit lächelndem Erwarten '
Und sieht im Geist schon die Verlvbuugskaricn.

Er aber wünscht nur, daß Fides zu ihr ins Haus komme -- als Mädchen,
während Uslar bei Guntrcnn ("einem Künstler großen Stils, Bildhauer") lernen
soll. Sie sagt nicht sofort zu, und Ulrich reist, da Bewegung gesund ist, wieder
ab, wegen eines "verzwickten Falles." In der Eisenbahn schreibt er ("obgleich's
in: Fahren kaum ermächtlich") an seine Schwester einen Brief und an Uslar
"ein Kärtchen." Bei seiner Rückkehr findet er niemand in der Stadt; Uslar ist
ausgezogen. Bei Noscnnnnden ist "nur die alte Kinderfrau, die äußerst taube"
zu finden, die "in Gnntrcuns Hauscntfaltnng den Gnadenlohn genoß." Sie teilt
ihm mit, alle seien in der Sommerfrische.


Das war nun dieses! Ulrich spannt die Segel
Der Hoffnung, die noch ganz ihm nicht verdirbt,
Nach jener Wirtschaft, wo im Kampf der Kegel
Man froh sich um den Hammelpreis bewirbt.

Hier will er den ehemaligen Wirt Astens treffen, aber er kommt zu spät, alles ist
fort. Acht Tage später erfährt Ulrich, daß Fides im Hanse Guntrams aufgenommen
ist. Er fährt aufs Land, ist überrascht, Fides in Frauenkleidern zu sehen und
entzückt von ihrer Schönheit. Uslar ist inzwischen Schüler Guntrams geworden
und "kopirt den Aeschines," was ihm keine Freude macht,


denn lange ward ihm kund,
Daß dieser Tückebold an Herz und Nieren
Sich dem Demosthenes entgegensetzte
Und so zu dessen Tod das'Messer wetzte.

Auf dem Heimwege steigt ihm Herr Guido nach, da er ihn für ein Mädchen
hält. Guido will ihn umarmen, bekommt aber "einen Faustschlag männlichen
Geschlechts auf seine Nase."

Nun kommt der Winter. Fides lernt tanzen und wird bald Ballkönigin.
Auf einem Maskenbälle trifft sie Guido, der sie anredet; Ulrich kommt hinzu und
sagt "ganz laut": Herr Guido werde ihm noch Genüge leisten, "denn diese Dam'
ist meine Braut!" Im Nebenzimmer folgt darauf die wirkliche Verlobung.

Dies ist der Inhalt, die Handlung, wenn man es so nennen darf. Ueber
die Form sich ein Urteil zu bilden, werden die angeführten Stellen genügen.
Man könnte dieses neueste Werk Roquettes am besten in die Litteratur der "Münchner
Bilderbogen" einreihen.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grnnow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur

Dies ist der Wendepunkt. Ulrich und Cesario ahnen schon, daß sie sich
lieben werden. Ulrich beschließt, seine Schwester Rosamunde,


(Sie ist noch wunderhübsch mit sünfunddrethig,
Meist frohen Mutes und im Hause fleisn'g)

ins Vertrauen zu ziehen. Doch als er anfängt,


Blickt sie ihn an mit lächelndem Erwarten '
Und sieht im Geist schon die Verlvbuugskaricn.

Er aber wünscht nur, daß Fides zu ihr ins Haus komme — als Mädchen,
während Uslar bei Guntrcnn („einem Künstler großen Stils, Bildhauer") lernen
soll. Sie sagt nicht sofort zu, und Ulrich reist, da Bewegung gesund ist, wieder
ab, wegen eines „verzwickten Falles." In der Eisenbahn schreibt er („obgleich's
in: Fahren kaum ermächtlich") an seine Schwester einen Brief und an Uslar
„ein Kärtchen." Bei seiner Rückkehr findet er niemand in der Stadt; Uslar ist
ausgezogen. Bei Noscnnnnden ist „nur die alte Kinderfrau, die äußerst taube"
zu finden, die „in Gnntrcuns Hauscntfaltnng den Gnadenlohn genoß." Sie teilt
ihm mit, alle seien in der Sommerfrische.


Das war nun dieses! Ulrich spannt die Segel
Der Hoffnung, die noch ganz ihm nicht verdirbt,
Nach jener Wirtschaft, wo im Kampf der Kegel
Man froh sich um den Hammelpreis bewirbt.

Hier will er den ehemaligen Wirt Astens treffen, aber er kommt zu spät, alles ist
fort. Acht Tage später erfährt Ulrich, daß Fides im Hanse Guntrams aufgenommen
ist. Er fährt aufs Land, ist überrascht, Fides in Frauenkleidern zu sehen und
entzückt von ihrer Schönheit. Uslar ist inzwischen Schüler Guntrams geworden
und „kopirt den Aeschines," was ihm keine Freude macht,


denn lange ward ihm kund,
Daß dieser Tückebold an Herz und Nieren
Sich dem Demosthenes entgegensetzte
Und so zu dessen Tod das'Messer wetzte.

Auf dem Heimwege steigt ihm Herr Guido nach, da er ihn für ein Mädchen
hält. Guido will ihn umarmen, bekommt aber „einen Faustschlag männlichen
Geschlechts auf seine Nase."

Nun kommt der Winter. Fides lernt tanzen und wird bald Ballkönigin.
Auf einem Maskenbälle trifft sie Guido, der sie anredet; Ulrich kommt hinzu und
sagt „ganz laut": Herr Guido werde ihm noch Genüge leisten, „denn diese Dam'
ist meine Braut!" Im Nebenzimmer folgt darauf die wirkliche Verlobung.

Dies ist der Inhalt, die Handlung, wenn man es so nennen darf. Ueber
die Form sich ein Urteil zu bilden, werden die angeführten Stellen genügen.
Man könnte dieses neueste Werk Roquettes am besten in die Litteratur der „Münchner
Bilderbogen" einreihen.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Will). Grnnow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0208" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204297"/>
            <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_637" next="#ID_638"> Dies ist der Wendepunkt. Ulrich und Cesario ahnen schon, daß sie sich<lb/>
lieben werden.  Ulrich beschließt, seine Schwester Rosamunde,</p><lb/>
            <quote> (Sie ist noch wunderhübsch mit sünfunddrethig,<lb/>
Meist frohen Mutes und im Hause fleisn'g)</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_638" prev="#ID_637" next="#ID_639"> ins Vertrauen zu ziehen.  Doch als er anfängt,</p><lb/>
            <quote> Blickt sie ihn an mit lächelndem Erwarten '<lb/>
Und sieht im Geist schon die Verlvbuugskaricn.</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_639" prev="#ID_638" next="#ID_640"> Er aber wünscht nur, daß Fides zu ihr ins Haus komme &#x2014; als Mädchen,<lb/>
während Uslar bei Guntrcnn (&#x201E;einem Künstler großen Stils, Bildhauer") lernen<lb/>
soll. Sie sagt nicht sofort zu, und Ulrich reist, da Bewegung gesund ist, wieder<lb/>
ab, wegen eines &#x201E;verzwickten Falles." In der Eisenbahn schreibt er (&#x201E;obgleich's<lb/>
in: Fahren kaum ermächtlich") an seine Schwester einen Brief und an Uslar<lb/>
&#x201E;ein Kärtchen." Bei seiner Rückkehr findet er niemand in der Stadt; Uslar ist<lb/>
ausgezogen. Bei Noscnnnnden ist &#x201E;nur die alte Kinderfrau, die äußerst taube"<lb/>
zu finden, die &#x201E;in Gnntrcuns Hauscntfaltnng den Gnadenlohn genoß." Sie teilt<lb/>
ihm mit, alle seien in der Sommerfrische.</p><lb/>
            <quote> Das war nun dieses!  Ulrich spannt die Segel<lb/>
Der Hoffnung, die noch ganz ihm nicht verdirbt,<lb/>
Nach jener Wirtschaft, wo im Kampf der Kegel<lb/>
Man froh sich um den Hammelpreis bewirbt.</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_640" prev="#ID_639" next="#ID_641"> Hier will er den ehemaligen Wirt Astens treffen, aber er kommt zu spät, alles ist<lb/>
fort. Acht Tage später erfährt Ulrich, daß Fides im Hanse Guntrams aufgenommen<lb/>
ist. Er fährt aufs Land, ist überrascht, Fides in Frauenkleidern zu sehen und<lb/>
entzückt von ihrer Schönheit. Uslar ist inzwischen Schüler Guntrams geworden<lb/>
und &#x201E;kopirt den Aeschines," was ihm keine Freude macht,</p><lb/>
            <quote> denn lange ward ihm kund,<lb/>
Daß dieser Tückebold an Herz und Nieren<lb/>
Sich dem Demosthenes entgegensetzte<lb/>
Und so zu dessen Tod das'Messer wetzte.</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_641" prev="#ID_640"> Auf dem Heimwege steigt ihm Herr Guido nach, da er ihn für ein Mädchen<lb/>
hält. Guido will ihn umarmen, bekommt aber &#x201E;einen Faustschlag männlichen<lb/>
Geschlechts auf seine Nase."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_642"> Nun kommt der Winter. Fides lernt tanzen und wird bald Ballkönigin.<lb/>
Auf einem Maskenbälle trifft sie Guido, der sie anredet; Ulrich kommt hinzu und<lb/>
sagt &#x201E;ganz laut": Herr Guido werde ihm noch Genüge leisten, &#x201E;denn diese Dam'<lb/>
ist meine Braut!"  Im Nebenzimmer folgt darauf die wirkliche Verlobung.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_643"> Dies ist der Inhalt, die Handlung, wenn man es so nennen darf. Ueber<lb/>
die Form sich ein Urteil zu bilden, werden die angeführten Stellen genügen.<lb/>
Man könnte dieses neueste Werk Roquettes am besten in die Litteratur der &#x201E;Münchner<lb/>
Bilderbogen" einreihen.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig<lb/>
Verlag von Fr. Will). Grnnow in Leipzig &#x2014; Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0208] Litteratur Dies ist der Wendepunkt. Ulrich und Cesario ahnen schon, daß sie sich lieben werden. Ulrich beschließt, seine Schwester Rosamunde, (Sie ist noch wunderhübsch mit sünfunddrethig, Meist frohen Mutes und im Hause fleisn'g) ins Vertrauen zu ziehen. Doch als er anfängt, Blickt sie ihn an mit lächelndem Erwarten ' Und sieht im Geist schon die Verlvbuugskaricn. Er aber wünscht nur, daß Fides zu ihr ins Haus komme — als Mädchen, während Uslar bei Guntrcnn („einem Künstler großen Stils, Bildhauer") lernen soll. Sie sagt nicht sofort zu, und Ulrich reist, da Bewegung gesund ist, wieder ab, wegen eines „verzwickten Falles." In der Eisenbahn schreibt er („obgleich's in: Fahren kaum ermächtlich") an seine Schwester einen Brief und an Uslar „ein Kärtchen." Bei seiner Rückkehr findet er niemand in der Stadt; Uslar ist ausgezogen. Bei Noscnnnnden ist „nur die alte Kinderfrau, die äußerst taube" zu finden, die „in Gnntrcuns Hauscntfaltnng den Gnadenlohn genoß." Sie teilt ihm mit, alle seien in der Sommerfrische. Das war nun dieses! Ulrich spannt die Segel Der Hoffnung, die noch ganz ihm nicht verdirbt, Nach jener Wirtschaft, wo im Kampf der Kegel Man froh sich um den Hammelpreis bewirbt. Hier will er den ehemaligen Wirt Astens treffen, aber er kommt zu spät, alles ist fort. Acht Tage später erfährt Ulrich, daß Fides im Hanse Guntrams aufgenommen ist. Er fährt aufs Land, ist überrascht, Fides in Frauenkleidern zu sehen und entzückt von ihrer Schönheit. Uslar ist inzwischen Schüler Guntrams geworden und „kopirt den Aeschines," was ihm keine Freude macht, denn lange ward ihm kund, Daß dieser Tückebold an Herz und Nieren Sich dem Demosthenes entgegensetzte Und so zu dessen Tod das'Messer wetzte. Auf dem Heimwege steigt ihm Herr Guido nach, da er ihn für ein Mädchen hält. Guido will ihn umarmen, bekommt aber „einen Faustschlag männlichen Geschlechts auf seine Nase." Nun kommt der Winter. Fides lernt tanzen und wird bald Ballkönigin. Auf einem Maskenbälle trifft sie Guido, der sie anredet; Ulrich kommt hinzu und sagt „ganz laut": Herr Guido werde ihm noch Genüge leisten, „denn diese Dam' ist meine Braut!" Im Nebenzimmer folgt darauf die wirkliche Verlobung. Dies ist der Inhalt, die Handlung, wenn man es so nennen darf. Ueber die Form sich ein Urteil zu bilden, werden die angeführten Stellen genügen. Man könnte dieses neueste Werk Roquettes am besten in die Litteratur der „Münchner Bilderbogen" einreihen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grnnow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/208
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/208>, abgerufen am 17.06.2024.