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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die Äelnetsentivicklung der Ginzelsiaaten Deutschlands

siens. Unter den Gauen dieses Landes befindet sich der fränkische Hessen¬
gan oder auch wohl der Hessen-Frankengan genannt, und der Oberlahngan;
der erstere entspricht ungefähr dem spätern Niederhessen, der letztere Ober-
Hessen. In jenen Landen verbreitete der heil. Bonifazius das Christentum
und gründete dort ein Bistum auf dem. Buraberge bei Fritzlar, das aber bald
wieder erlosch, und die Klöster Amöneburg und Fritzlar. Auch die Stiftung
der Abteien Fulda und Hersfeld pflegt man wohl hierher zu ziehen, obwohl
sie mit Hessen ursprünglich nichts zu thun haben. Bonifazius bezeichnet mich
in einem Berichte an den Papst (738) zuerst das Land der Hessen oder satten
als ein gesondertes Gebiet. Der Zusammenhang der Hessen mit jenem alt¬
deutschen Volksstamme ist also geschichtlich nicht sehr sicher begründet und
mindestens sehr locker, wenn man auch annehme" null, daß jene Angabe des
sogenannten Apostels der Dentschen nicht unbegründet sei. Wie das Land
und seine Bewohner zu dein Namen Hessen gekommen sind, darüber habe ich
nirgends eine befriedigende Erklärung finden können; denn die Ableitung: l'inen,
Il-nu. II^88i ist nur immer sehr gesucht erschienen.

Karl der Große setzte, wie in allen Gegenden seines Reiches, so mich im
Hessenlande Grafen ein. Unter ihnen hervorragend ist um das Jahr 900
Konrad der Ältere Ap II-Wen, der zu Fritzlar seinen Hof hielt; er fiel im
Kampfe gegen Adalbert von Babenberg. Sein Sohn gleichen Namens wurde
Herzog von Ostfmukeu, und im Jahre 911 nach dem Aussterben der Karo¬
linger wurde er sogar zum deutschen Könige gewählt und regierte als Konrad I.
bis 919. Die Erbgüter seines Hauses in Hessen, zu denen auch bereits Chnsalla
(Kassel) gerechnet wurde, überließ er seineu Brüdern Eberhard und Otto. Nach
dem Tode Eberhards, der ebenfalls Herzog von Franken war, löste sich der
Verband der hessischen Lande mit dem Herzogtum. Franken fast vollständig,
und die dort begüterten Grafengeschlechter wurden auf längere Zeit fast reichs¬
unmittelbar.

Unter diesen Grafengeschlechtern, z. B. denen vou Reichenbach, Ziegenhain,
Felsberg, Schauenburg, Waldeusteiu, Bilsteiu, Schöneberg, werden auch vier
Grafen in Niederhessen, alle Werner mit Namen, erwähnt. Jedoch nicht auf
sie ist die Gründung des Reichsfürstentnms Hessen zurückzuführen, sondern auf
die Greifen von Gudeusberg, die mich deu bei ihnen übliche" Vornamen als
die Gisonen bezeichnet werden. Die Erbtochter Gisvs IV. vou Gudeusberg
vermählte sich mit Ludwig III. (als Landgraf I.) von Thüringen und brachte
ihm ihren väterlichen Besitz als Mitgift zu. Ihm und seinen Nachfolgern
gelang es infolge dieser Heirat, nach und nach über die andern Adels¬
geschlechter in hessischen Landen eine gewisse Oberhoheit zu erringen und, wie
man wohl gesagt hat, als Großgrafen aufzutreten.

Im Jahre 1247 starben mit Heinrich Raspe die Landgrafen von Thüringen
ans, und der thüringische Erbfvlgestreit begann. Die Tochter des Landgrafen


Die Äelnetsentivicklung der Ginzelsiaaten Deutschlands

siens. Unter den Gauen dieses Landes befindet sich der fränkische Hessen¬
gan oder auch wohl der Hessen-Frankengan genannt, und der Oberlahngan;
der erstere entspricht ungefähr dem spätern Niederhessen, der letztere Ober-
Hessen. In jenen Landen verbreitete der heil. Bonifazius das Christentum
und gründete dort ein Bistum auf dem. Buraberge bei Fritzlar, das aber bald
wieder erlosch, und die Klöster Amöneburg und Fritzlar. Auch die Stiftung
der Abteien Fulda und Hersfeld pflegt man wohl hierher zu ziehen, obwohl
sie mit Hessen ursprünglich nichts zu thun haben. Bonifazius bezeichnet mich
in einem Berichte an den Papst (738) zuerst das Land der Hessen oder satten
als ein gesondertes Gebiet. Der Zusammenhang der Hessen mit jenem alt¬
deutschen Volksstamme ist also geschichtlich nicht sehr sicher begründet und
mindestens sehr locker, wenn man auch annehme» null, daß jene Angabe des
sogenannten Apostels der Dentschen nicht unbegründet sei. Wie das Land
und seine Bewohner zu dein Namen Hessen gekommen sind, darüber habe ich
nirgends eine befriedigende Erklärung finden können; denn die Ableitung: l'inen,
Il-nu. II^88i ist nur immer sehr gesucht erschienen.

Karl der Große setzte, wie in allen Gegenden seines Reiches, so mich im
Hessenlande Grafen ein. Unter ihnen hervorragend ist um das Jahr 900
Konrad der Ältere Ap II-Wen, der zu Fritzlar seinen Hof hielt; er fiel im
Kampfe gegen Adalbert von Babenberg. Sein Sohn gleichen Namens wurde
Herzog von Ostfmukeu, und im Jahre 911 nach dem Aussterben der Karo¬
linger wurde er sogar zum deutschen Könige gewählt und regierte als Konrad I.
bis 919. Die Erbgüter seines Hauses in Hessen, zu denen auch bereits Chnsalla
(Kassel) gerechnet wurde, überließ er seineu Brüdern Eberhard und Otto. Nach
dem Tode Eberhards, der ebenfalls Herzog von Franken war, löste sich der
Verband der hessischen Lande mit dem Herzogtum. Franken fast vollständig,
und die dort begüterten Grafengeschlechter wurden auf längere Zeit fast reichs¬
unmittelbar.

Unter diesen Grafengeschlechtern, z. B. denen vou Reichenbach, Ziegenhain,
Felsberg, Schauenburg, Waldeusteiu, Bilsteiu, Schöneberg, werden auch vier
Grafen in Niederhessen, alle Werner mit Namen, erwähnt. Jedoch nicht auf
sie ist die Gründung des Reichsfürstentnms Hessen zurückzuführen, sondern auf
die Greifen von Gudeusberg, die mich deu bei ihnen übliche» Vornamen als
die Gisonen bezeichnet werden. Die Erbtochter Gisvs IV. vou Gudeusberg
vermählte sich mit Ludwig III. (als Landgraf I.) von Thüringen und brachte
ihm ihren väterlichen Besitz als Mitgift zu. Ihm und seinen Nachfolgern
gelang es infolge dieser Heirat, nach und nach über die andern Adels¬
geschlechter in hessischen Landen eine gewisse Oberhoheit zu erringen und, wie
man wohl gesagt hat, als Großgrafen aufzutreten.

Im Jahre 1247 starben mit Heinrich Raspe die Landgrafen von Thüringen
ans, und der thüringische Erbfvlgestreit begann. Die Tochter des Landgrafen


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[0218] Die Äelnetsentivicklung der Ginzelsiaaten Deutschlands siens. Unter den Gauen dieses Landes befindet sich der fränkische Hessen¬ gan oder auch wohl der Hessen-Frankengan genannt, und der Oberlahngan; der erstere entspricht ungefähr dem spätern Niederhessen, der letztere Ober- Hessen. In jenen Landen verbreitete der heil. Bonifazius das Christentum und gründete dort ein Bistum auf dem. Buraberge bei Fritzlar, das aber bald wieder erlosch, und die Klöster Amöneburg und Fritzlar. Auch die Stiftung der Abteien Fulda und Hersfeld pflegt man wohl hierher zu ziehen, obwohl sie mit Hessen ursprünglich nichts zu thun haben. Bonifazius bezeichnet mich in einem Berichte an den Papst (738) zuerst das Land der Hessen oder satten als ein gesondertes Gebiet. Der Zusammenhang der Hessen mit jenem alt¬ deutschen Volksstamme ist also geschichtlich nicht sehr sicher begründet und mindestens sehr locker, wenn man auch annehme» null, daß jene Angabe des sogenannten Apostels der Dentschen nicht unbegründet sei. Wie das Land und seine Bewohner zu dein Namen Hessen gekommen sind, darüber habe ich nirgends eine befriedigende Erklärung finden können; denn die Ableitung: l'inen, Il-nu. II^88i ist nur immer sehr gesucht erschienen. Karl der Große setzte, wie in allen Gegenden seines Reiches, so mich im Hessenlande Grafen ein. Unter ihnen hervorragend ist um das Jahr 900 Konrad der Ältere Ap II-Wen, der zu Fritzlar seinen Hof hielt; er fiel im Kampfe gegen Adalbert von Babenberg. Sein Sohn gleichen Namens wurde Herzog von Ostfmukeu, und im Jahre 911 nach dem Aussterben der Karo¬ linger wurde er sogar zum deutschen Könige gewählt und regierte als Konrad I. bis 919. Die Erbgüter seines Hauses in Hessen, zu denen auch bereits Chnsalla (Kassel) gerechnet wurde, überließ er seineu Brüdern Eberhard und Otto. Nach dem Tode Eberhards, der ebenfalls Herzog von Franken war, löste sich der Verband der hessischen Lande mit dem Herzogtum. Franken fast vollständig, und die dort begüterten Grafengeschlechter wurden auf längere Zeit fast reichs¬ unmittelbar. Unter diesen Grafengeschlechtern, z. B. denen vou Reichenbach, Ziegenhain, Felsberg, Schauenburg, Waldeusteiu, Bilsteiu, Schöneberg, werden auch vier Grafen in Niederhessen, alle Werner mit Namen, erwähnt. Jedoch nicht auf sie ist die Gründung des Reichsfürstentnms Hessen zurückzuführen, sondern auf die Greifen von Gudeusberg, die mich deu bei ihnen übliche» Vornamen als die Gisonen bezeichnet werden. Die Erbtochter Gisvs IV. vou Gudeusberg vermählte sich mit Ludwig III. (als Landgraf I.) von Thüringen und brachte ihm ihren väterlichen Besitz als Mitgift zu. Ihm und seinen Nachfolgern gelang es infolge dieser Heirat, nach und nach über die andern Adels¬ geschlechter in hessischen Landen eine gewisse Oberhoheit zu erringen und, wie man wohl gesagt hat, als Großgrafen aufzutreten. Im Jahre 1247 starben mit Heinrich Raspe die Landgrafen von Thüringen ans, und der thüringische Erbfvlgestreit begann. Die Tochter des Landgrafen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/218>, abgerufen am 17.06.2024.