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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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barg (mit Hofgeisinar, Helmarshanseil n. s. w.). Landgraf Heinrich III,,
mit dem Beinamen der Reiche, erwarb durch seine Gemahlin Anna Ansprüche
auf die Grafschaft Katzenellnbvgen. Über den Besitz derselben entstand aber
ein längerer Erbschaftsstrcit mit den Grafen von Nassau-Dillenburg. Der
Name dieser Grafschaft, die lateinisch Cattimeliboens heißt, wird von dem
Berge Melibvcus oder Malchen im Odenwalde, in der Nähe von Zwingen¬
berg an der Bergstraße, und von den Kalter abgeleitet. Freilich ist von den
Stammsitzen dieses Volkes an der Fulda und Eder bis zur Bergstraße ziemlich
weit, und wie Kalter dvrthingekommen sein sollen, ist nicht recht ersichtlich.
Sie wurde eingeteilt in die obere Grafschaft mit Dnrmstadt, Trebur u. s. w.,
und die untere Grafschaft mit der Stammburg Katzenellnbvgen*) südlich von
Diez, Braubach mit der Marxburg, Rastadter, dem linksrheinischen Nheinfels
u. a. Auffallend ist, daß die Burg Katzenellnbvgen gar nicht in der oberen
Grafschaft, also wenigstens in der Nähe des Odenwaldes, liegt, sondern ziem¬
lich weit nordwärts vom Main. Jene ganze Namensablcitung dürfte darum
wohl etwas zweifelhaft erscheinen und ist vielleicht zu keinem andern Zwecke
erfunden worden, als um die Überlieferung glaubwürdiger zu machen, daß die
Hessen die richtigen Vertreter des alten Kattenstcunmes seien.

Der Fürst, der bei Beginn der Neuzeit das Hessenland beherrschte, Land¬
graf Philipp der Großmütige, ist unzweifelhaft der hervorragendste des gauzeu
Stammes. Seine bedeutende Einwirkung auf den Verlauf der Reformation
in Deutschland, seine Stellung an der Spitze des Schmalknldischen Bundes,
seine Gefangennahme in der Moritzburg zu Halle sind aus der allgemeinen
deutschen Geschichte bekannt genug. Nachdem er endlich, infolge des Passauer
Vertrages, von Kaiser Karl V. aus der Haft entlassen worden war (3. Sep¬
tember 1552), und sich wieder der Regierung seines Landes widmen konnte,
beendigte er zunächst den Erbschaftsstreit wegen Katzenellnbogen mit den Grafen
von Naffnn. Diesen trat er zur Erledigung ihrer Ansprüche das hessische
Viertel der Grafschaft Diez nebst den Ämtern Camberg, Weilnau, Wehrhcim,
Ellar, Driedorf und halb Hcidamar ab. Dafür verblieb fortan die ganze
obere und der übrige Teil der unteren Grafschaft Katzenellnbvgen unbestritten
in hessischem Besitze. Durch eine Erbverbrüderung mit den Grafen von
Henneberg sicherte er sich den Anfall der ganzen Herrschaft Schmalkalden, der
bereits 1583 erfolgte. Bekannt ist, daß Landgraf Philipp, außer feiner recht¬
mäßigen Gemahlin, Christine von Sachsen, mit ausdrücklicher Genehmigung
Luthers und Mclanchthons noch eine zweite Frau, Margarete von der Saal,
geheiratet hatte. Die Söhne derselben machte er zu Grafen von Diez und



Nach Zerstörung der alten Burg baute ein Graf Johann gegen Ende des vier¬
zehnten Jahrhunderts Neu-Katzenellnbogen, welches als "die Kees" bei Se. Goarshcmsen jedem
Besucher des Rheins bekannt sein dürfte.

barg (mit Hofgeisinar, Helmarshanseil n. s. w.). Landgraf Heinrich III,,
mit dem Beinamen der Reiche, erwarb durch seine Gemahlin Anna Ansprüche
auf die Grafschaft Katzenellnbvgen. Über den Besitz derselben entstand aber
ein längerer Erbschaftsstrcit mit den Grafen von Nassau-Dillenburg. Der
Name dieser Grafschaft, die lateinisch Cattimeliboens heißt, wird von dem
Berge Melibvcus oder Malchen im Odenwalde, in der Nähe von Zwingen¬
berg an der Bergstraße, und von den Kalter abgeleitet. Freilich ist von den
Stammsitzen dieses Volkes an der Fulda und Eder bis zur Bergstraße ziemlich
weit, und wie Kalter dvrthingekommen sein sollen, ist nicht recht ersichtlich.
Sie wurde eingeteilt in die obere Grafschaft mit Dnrmstadt, Trebur u. s. w.,
und die untere Grafschaft mit der Stammburg Katzenellnbvgen*) südlich von
Diez, Braubach mit der Marxburg, Rastadter, dem linksrheinischen Nheinfels
u. a. Auffallend ist, daß die Burg Katzenellnbvgen gar nicht in der oberen
Grafschaft, also wenigstens in der Nähe des Odenwaldes, liegt, sondern ziem¬
lich weit nordwärts vom Main. Jene ganze Namensablcitung dürfte darum
wohl etwas zweifelhaft erscheinen und ist vielleicht zu keinem andern Zwecke
erfunden worden, als um die Überlieferung glaubwürdiger zu machen, daß die
Hessen die richtigen Vertreter des alten Kattenstcunmes seien.

Der Fürst, der bei Beginn der Neuzeit das Hessenland beherrschte, Land¬
graf Philipp der Großmütige, ist unzweifelhaft der hervorragendste des gauzeu
Stammes. Seine bedeutende Einwirkung auf den Verlauf der Reformation
in Deutschland, seine Stellung an der Spitze des Schmalknldischen Bundes,
seine Gefangennahme in der Moritzburg zu Halle sind aus der allgemeinen
deutschen Geschichte bekannt genug. Nachdem er endlich, infolge des Passauer
Vertrages, von Kaiser Karl V. aus der Haft entlassen worden war (3. Sep¬
tember 1552), und sich wieder der Regierung seines Landes widmen konnte,
beendigte er zunächst den Erbschaftsstreit wegen Katzenellnbogen mit den Grafen
von Naffnn. Diesen trat er zur Erledigung ihrer Ansprüche das hessische
Viertel der Grafschaft Diez nebst den Ämtern Camberg, Weilnau, Wehrhcim,
Ellar, Driedorf und halb Hcidamar ab. Dafür verblieb fortan die ganze
obere und der übrige Teil der unteren Grafschaft Katzenellnbvgen unbestritten
in hessischem Besitze. Durch eine Erbverbrüderung mit den Grafen von
Henneberg sicherte er sich den Anfall der ganzen Herrschaft Schmalkalden, der
bereits 1583 erfolgte. Bekannt ist, daß Landgraf Philipp, außer feiner recht¬
mäßigen Gemahlin, Christine von Sachsen, mit ausdrücklicher Genehmigung
Luthers und Mclanchthons noch eine zweite Frau, Margarete von der Saal,
geheiratet hatte. Die Söhne derselben machte er zu Grafen von Diez und



Nach Zerstörung der alten Burg baute ein Graf Johann gegen Ende des vier¬
zehnten Jahrhunderts Neu-Katzenellnbogen, welches als „die Kees" bei Se. Goarshcmsen jedem
Besucher des Rheins bekannt sein dürfte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/220>, abgerufen am 17.06.2024.