Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
An Aorners Toni und AriUy

des Zimmers, legt die Hände wie eine Schlinge um den Hals und schwört,
sich erwürgen zu wollen, wenn der aufdringliche Liebhaber nicht entfernt würde.
Endlich entdeckt sie ihr Geheimnis dein Kalasiris, und so wird denn von den
Liebenden unter dein Beistand des Alten ein Fluchtplan entworfen und aus¬
geführt. Der Abstand dieser Erzählung von allen früheren springt in die
Augen. Hier handelt es sich um keine unerkannte Liebe, um keine Entsagung,
kein Opfer eines Besitzenden, und den Gegenstand der Leidenschaft bringt nicht
der Arzt heraus, sondern das freiwillige Geständnis der Kranken. Nur die
Pnlsfühlnng und die Diagnose stimmt; aber die Einführung des Alkamenes
in das Krankenzimmer hat eine lediglich negative Wirkung.")

(Schluß folgt)




Zu Körners Toni und Zriny
von Reinhard Rade (Schluß)

erthes schließt sich sehr eng der geschichtlichen Überlieferung an,
übersetzt ganze Stücke aus den Chroniken des Budina und des
Nensner, wie den großen Eid des Zriny und der Soldaten, und
macht dadurch sein Drama mehr zu einen: Geschichtswerk als
zu einem sein angelegten Kunstwerke. Darum können wir fast
behaupten, Körner habe nach der Lesung des Werthes gar nicht viel weiterer
Geschichtsguellen bedurft, wenn wir die soeben genannten kleinen Züge weg¬
lassen, die er allerdings ans Budina und Fvrgach entlehnte; daß er manches,
wie die Schilderung des Einzugs Solimaus in Belgrad (I, 459) aus eigner
Erfindung hinzuthat, kommt hier nicht in Betracht.

Sehen wir uus das Stück vou Werthes etwas genauer an. Es ist in
Prosa geschrieben. Der erste Akt spielt auf einem öffentlichen Platz in der
Festung Sigeth. Auf der einen Seite Edelleute und Bürger der Altstadt, die
auf den Ruf Zrinis gekommen sind; ans der andern ein Teil der Besatzung,
an deren Spitze Sektschudi steht. Es naht der greise Christoph Horvath und



Daß der Verfasser des AristenäU'sbnefes diese Geschichte kannte, hat schon der Her¬
ausgeber deS Heliodor, Korais, erkannt. Jener hat aus dem Akestmos einen Panaikos gemacht
und den Namen des Mädchens ans den liebeskranken Jüngling übertragen.
An Aorners Toni und AriUy

des Zimmers, legt die Hände wie eine Schlinge um den Hals und schwört,
sich erwürgen zu wollen, wenn der aufdringliche Liebhaber nicht entfernt würde.
Endlich entdeckt sie ihr Geheimnis dein Kalasiris, und so wird denn von den
Liebenden unter dein Beistand des Alten ein Fluchtplan entworfen und aus¬
geführt. Der Abstand dieser Erzählung von allen früheren springt in die
Augen. Hier handelt es sich um keine unerkannte Liebe, um keine Entsagung,
kein Opfer eines Besitzenden, und den Gegenstand der Leidenschaft bringt nicht
der Arzt heraus, sondern das freiwillige Geständnis der Kranken. Nur die
Pnlsfühlnng und die Diagnose stimmt; aber die Einführung des Alkamenes
in das Krankenzimmer hat eine lediglich negative Wirkung.")

(Schluß folgt)




Zu Körners Toni und Zriny
von Reinhard Rade (Schluß)

erthes schließt sich sehr eng der geschichtlichen Überlieferung an,
übersetzt ganze Stücke aus den Chroniken des Budina und des
Nensner, wie den großen Eid des Zriny und der Soldaten, und
macht dadurch sein Drama mehr zu einen: Geschichtswerk als
zu einem sein angelegten Kunstwerke. Darum können wir fast
behaupten, Körner habe nach der Lesung des Werthes gar nicht viel weiterer
Geschichtsguellen bedurft, wenn wir die soeben genannten kleinen Züge weg¬
lassen, die er allerdings ans Budina und Fvrgach entlehnte; daß er manches,
wie die Schilderung des Einzugs Solimaus in Belgrad (I, 459) aus eigner
Erfindung hinzuthat, kommt hier nicht in Betracht.

Sehen wir uus das Stück vou Werthes etwas genauer an. Es ist in
Prosa geschrieben. Der erste Akt spielt auf einem öffentlichen Platz in der
Festung Sigeth. Auf der einen Seite Edelleute und Bürger der Altstadt, die
auf den Ruf Zrinis gekommen sind; ans der andern ein Teil der Besatzung,
an deren Spitze Sektschudi steht. Es naht der greise Christoph Horvath und



Daß der Verfasser des AristenäU'sbnefes diese Geschichte kannte, hat schon der Her¬
ausgeber deS Heliodor, Korais, erkannt. Jener hat aus dem Akestmos einen Panaikos gemacht
und den Namen des Mädchens ans den liebeskranken Jüngling übertragen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0232" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204321"/>
          <fw type="header" place="top"> An Aorners Toni und AriUy</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_713" prev="#ID_712"> des Zimmers, legt die Hände wie eine Schlinge um den Hals und schwört,<lb/>
sich erwürgen zu wollen, wenn der aufdringliche Liebhaber nicht entfernt würde.<lb/>
Endlich entdeckt sie ihr Geheimnis dein Kalasiris, und so wird denn von den<lb/>
Liebenden unter dein Beistand des Alten ein Fluchtplan entworfen und aus¬<lb/>
geführt. Der Abstand dieser Erzählung von allen früheren springt in die<lb/>
Augen. Hier handelt es sich um keine unerkannte Liebe, um keine Entsagung,<lb/>
kein Opfer eines Besitzenden, und den Gegenstand der Leidenschaft bringt nicht<lb/>
der Arzt heraus, sondern das freiwillige Geständnis der Kranken. Nur die<lb/>
Pnlsfühlnng und die Diagnose stimmt; aber die Einführung des Alkamenes<lb/>
in das Krankenzimmer hat eine lediglich negative Wirkung.")</p><lb/>
          <p xml:id="ID_714"> (Schluß folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zu Körners Toni und Zriny<lb/><note type="byline"> von Reinhard Rade</note> (Schluß)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_715"> erthes schließt sich sehr eng der geschichtlichen Überlieferung an,<lb/>
übersetzt ganze Stücke aus den Chroniken des Budina und des<lb/>
Nensner, wie den großen Eid des Zriny und der Soldaten, und<lb/>
macht dadurch sein Drama mehr zu einen: Geschichtswerk als<lb/>
zu einem sein angelegten Kunstwerke. Darum können wir fast<lb/>
behaupten, Körner habe nach der Lesung des Werthes gar nicht viel weiterer<lb/>
Geschichtsguellen bedurft, wenn wir die soeben genannten kleinen Züge weg¬<lb/>
lassen, die er allerdings ans Budina und Fvrgach entlehnte; daß er manches,<lb/>
wie die Schilderung des Einzugs Solimaus in Belgrad (I, 459) aus eigner<lb/>
Erfindung hinzuthat, kommt hier nicht in Betracht.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_716" next="#ID_717"> Sehen wir uus das Stück vou Werthes etwas genauer an. Es ist in<lb/>
Prosa geschrieben. Der erste Akt spielt auf einem öffentlichen Platz in der<lb/>
Festung Sigeth. Auf der einen Seite Edelleute und Bürger der Altstadt, die<lb/>
auf den Ruf Zrinis gekommen sind; ans der andern ein Teil der Besatzung,<lb/>
an deren Spitze Sektschudi steht.  Es naht der greise Christoph Horvath und</p><lb/>
          <note xml:id="FID_21" place="foot"> Daß der Verfasser des AristenäU'sbnefes diese Geschichte kannte, hat schon der Her¬<lb/>
ausgeber deS Heliodor, Korais, erkannt. Jener hat aus dem Akestmos einen Panaikos gemacht<lb/>
und den Namen des Mädchens ans den liebeskranken Jüngling übertragen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0232] An Aorners Toni und AriUy des Zimmers, legt die Hände wie eine Schlinge um den Hals und schwört, sich erwürgen zu wollen, wenn der aufdringliche Liebhaber nicht entfernt würde. Endlich entdeckt sie ihr Geheimnis dein Kalasiris, und so wird denn von den Liebenden unter dein Beistand des Alten ein Fluchtplan entworfen und aus¬ geführt. Der Abstand dieser Erzählung von allen früheren springt in die Augen. Hier handelt es sich um keine unerkannte Liebe, um keine Entsagung, kein Opfer eines Besitzenden, und den Gegenstand der Leidenschaft bringt nicht der Arzt heraus, sondern das freiwillige Geständnis der Kranken. Nur die Pnlsfühlnng und die Diagnose stimmt; aber die Einführung des Alkamenes in das Krankenzimmer hat eine lediglich negative Wirkung.") (Schluß folgt) Zu Körners Toni und Zriny von Reinhard Rade (Schluß) erthes schließt sich sehr eng der geschichtlichen Überlieferung an, übersetzt ganze Stücke aus den Chroniken des Budina und des Nensner, wie den großen Eid des Zriny und der Soldaten, und macht dadurch sein Drama mehr zu einen: Geschichtswerk als zu einem sein angelegten Kunstwerke. Darum können wir fast behaupten, Körner habe nach der Lesung des Werthes gar nicht viel weiterer Geschichtsguellen bedurft, wenn wir die soeben genannten kleinen Züge weg¬ lassen, die er allerdings ans Budina und Fvrgach entlehnte; daß er manches, wie die Schilderung des Einzugs Solimaus in Belgrad (I, 459) aus eigner Erfindung hinzuthat, kommt hier nicht in Betracht. Sehen wir uus das Stück vou Werthes etwas genauer an. Es ist in Prosa geschrieben. Der erste Akt spielt auf einem öffentlichen Platz in der Festung Sigeth. Auf der einen Seite Edelleute und Bürger der Altstadt, die auf den Ruf Zrinis gekommen sind; ans der andern ein Teil der Besatzung, an deren Spitze Sektschudi steht. Es naht der greise Christoph Horvath und Daß der Verfasser des AristenäU'sbnefes diese Geschichte kannte, hat schon der Her¬ ausgeber deS Heliodor, Korais, erkannt. Jener hat aus dem Akestmos einen Panaikos gemacht und den Namen des Mädchens ans den liebeskranken Jüngling übertragen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/232
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/232>, abgerufen am 17.06.2024.