Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Fürst Bismarck und die bildende Annst

Bevor er auf die Bismarck-Karrikaturen in de" einzelnen Ländern eingeht,
sucht er seinen Lesern eine Vorstellung von der wirklichen Erscheinung Bis-
marcks zu geben, indem er zwei Bildnisse des Fürsten, eins aus dem Jahre
1847 und ein nach den neuesten Photographien aus dem Jahre 1890 für die
Pariser Zeitschrift I^s nionäö illustrs gezeichnetes, reproduzirt und damit die
Beschreibungen französischer Journalisten aus den Jahren 1881 und 1890
verbindet. "Da die Karrikatur die Fälschung des auf die Person lautenden
Passes ist -- bemerkt er dabei --, ist es wichtig, den Paß in seiner genanen
Fassung wiederherzustellen." Wie sieht aber diese Fassung aus? Mit den
paar Bruchstücken, die er seinen Lesern bietet, wird sich in Deutschland nie¬
mand zufriedengeben. Schon die Bemerkung des einen seiner journalistischen
Zeugen wird einen starken Widerspruch herausfordern. Am^d"e Pigeon, ein
Franzose, der, nebenbei bemerkt, eine Zeit lang in Berlin journalistisch thätig
war, u. a. als Korrespondent des Pariser Figaro, sagt in seinem 1885 er¬
schienenen Buche I/^1IönmAn<z <is Ur. 1ji"raro>c: "Das Bildnis des Mannes
in seiner natürlichen Erscheinung hat nach meiner Meinung niemand geschaffen,
nicht einmal Lenbach, der nnr die Hnltnng des stolzen Löwen und noch dazu
in Übertreibung dargestellt hat. Man merkt mir zu sehr, daß dieses Bildnis
gemalt worden ist, um damit den Reisenden zu imponiren, die durch die
Museen laufen. Es wäre hier ein Holbein Vonnöten, der sich einige Vor¬
mittage dein Fürsten gegenübersetzen könnte -- oder wenigstens ein Prnd'hon,
dem der Fürst zu sitzen sich herbeiließe, wie einst Talleyrand." Den Wunsch,
den Fürsten Bismarck einem großen Portraitmaler von der kühlen Objektivität
und der geistvollen Detnillirnngsknnst eines Holbein gegenübergestellt zu sehen,
teilen wir mit dem Franzosen. Niemand wird ihm aber in Deutschland darin
beistimmen, daß die Leubachschen Bildnisse für die Museen gemalt worden
seien. Man brcincht nur daran zu erinnern, daß sich überall in den großen
Städten, sobald die Absicht laut wurde, ein Bildnis des Fürsten Bismarck
für eine staatliche oder städtische Kuustsammluug anzukaufen, ein Sturm der
Entrüstung erhob, der sich nach der vollzogenen Thatsache nnr langsam be¬
schwichtigte. Nicht etwa weil mau in den Lenbachschen Bildnissen eine Übertrei¬
bung, eine idealistische Steigerung der Persönlichkeit in das Heroische oder
Löwenhafte sah, sondern weil man im Gegenteil an der allzu familiären, so¬
zusagen schlottrigen Auffassung und an der argen Vernachlässigung des Körpers,
der Hände, des bürgerlichen Anzuges wie der militärischen Uniform Anstoß
nahm. Mau wollte den Helden und erhielt den Einsiedler von Friedrichsruh,
der im bequemen Hausrock in seinen Wäldern herumstreift und auf seine Land-
und Forstwirtschaft Acht giebt. Lenbach hat nnr selten den berechtigten
Wünschen seiner Auftraggeber nachgegebn. Er hat seinen Willen durchgesetzt,
die Überzeugung von der Richtigkeit seiner Auffassung andern aufgezwungen,
und man hat sich allmählich an seinen Bismarckthpns gewöhnt, vielleicht auch


Fürst Bismarck und die bildende Annst

Bevor er auf die Bismarck-Karrikaturen in de» einzelnen Ländern eingeht,
sucht er seinen Lesern eine Vorstellung von der wirklichen Erscheinung Bis-
marcks zu geben, indem er zwei Bildnisse des Fürsten, eins aus dem Jahre
1847 und ein nach den neuesten Photographien aus dem Jahre 1890 für die
Pariser Zeitschrift I^s nionäö illustrs gezeichnetes, reproduzirt und damit die
Beschreibungen französischer Journalisten aus den Jahren 1881 und 1890
verbindet. „Da die Karrikatur die Fälschung des auf die Person lautenden
Passes ist — bemerkt er dabei —, ist es wichtig, den Paß in seiner genanen
Fassung wiederherzustellen." Wie sieht aber diese Fassung aus? Mit den
paar Bruchstücken, die er seinen Lesern bietet, wird sich in Deutschland nie¬
mand zufriedengeben. Schon die Bemerkung des einen seiner journalistischen
Zeugen wird einen starken Widerspruch herausfordern. Am^d«e Pigeon, ein
Franzose, der, nebenbei bemerkt, eine Zeit lang in Berlin journalistisch thätig
war, u. a. als Korrespondent des Pariser Figaro, sagt in seinem 1885 er¬
schienenen Buche I/^1IönmAn<z <is Ur. 1ji«raro>c: „Das Bildnis des Mannes
in seiner natürlichen Erscheinung hat nach meiner Meinung niemand geschaffen,
nicht einmal Lenbach, der nnr die Hnltnng des stolzen Löwen und noch dazu
in Übertreibung dargestellt hat. Man merkt mir zu sehr, daß dieses Bildnis
gemalt worden ist, um damit den Reisenden zu imponiren, die durch die
Museen laufen. Es wäre hier ein Holbein Vonnöten, der sich einige Vor¬
mittage dein Fürsten gegenübersetzen könnte — oder wenigstens ein Prnd'hon,
dem der Fürst zu sitzen sich herbeiließe, wie einst Talleyrand." Den Wunsch,
den Fürsten Bismarck einem großen Portraitmaler von der kühlen Objektivität
und der geistvollen Detnillirnngsknnst eines Holbein gegenübergestellt zu sehen,
teilen wir mit dem Franzosen. Niemand wird ihm aber in Deutschland darin
beistimmen, daß die Leubachschen Bildnisse für die Museen gemalt worden
seien. Man brcincht nur daran zu erinnern, daß sich überall in den großen
Städten, sobald die Absicht laut wurde, ein Bildnis des Fürsten Bismarck
für eine staatliche oder städtische Kuustsammluug anzukaufen, ein Sturm der
Entrüstung erhob, der sich nach der vollzogenen Thatsache nnr langsam be¬
schwichtigte. Nicht etwa weil mau in den Lenbachschen Bildnissen eine Übertrei¬
bung, eine idealistische Steigerung der Persönlichkeit in das Heroische oder
Löwenhafte sah, sondern weil man im Gegenteil an der allzu familiären, so¬
zusagen schlottrigen Auffassung und an der argen Vernachlässigung des Körpers,
der Hände, des bürgerlichen Anzuges wie der militärischen Uniform Anstoß
nahm. Mau wollte den Helden und erhielt den Einsiedler von Friedrichsruh,
der im bequemen Hausrock in seinen Wäldern herumstreift und auf seine Land-
und Forstwirtschaft Acht giebt. Lenbach hat nnr selten den berechtigten
Wünschen seiner Auftraggeber nachgegebn. Er hat seinen Willen durchgesetzt,
die Überzeugung von der Richtigkeit seiner Auffassung andern aufgezwungen,
und man hat sich allmählich an seinen Bismarckthpns gewöhnt, vielleicht auch


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0012" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207949"/>
          <fw type="header" place="top"> Fürst Bismarck und die bildende Annst</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_8" prev="#ID_7" next="#ID_9"> Bevor er auf die Bismarck-Karrikaturen in de» einzelnen Ländern eingeht,<lb/>
sucht er seinen Lesern eine Vorstellung von der wirklichen Erscheinung Bis-<lb/>
marcks zu geben, indem er zwei Bildnisse des Fürsten, eins aus dem Jahre<lb/>
1847 und ein nach den neuesten Photographien aus dem Jahre 1890 für die<lb/>
Pariser Zeitschrift I^s nionäö illustrs gezeichnetes, reproduzirt und damit die<lb/>
Beschreibungen französischer Journalisten aus den Jahren 1881 und 1890<lb/>
verbindet. &#x201E;Da die Karrikatur die Fälschung des auf die Person lautenden<lb/>
Passes ist &#x2014; bemerkt er dabei &#x2014;, ist es wichtig, den Paß in seiner genanen<lb/>
Fassung wiederherzustellen." Wie sieht aber diese Fassung aus? Mit den<lb/>
paar Bruchstücken, die er seinen Lesern bietet, wird sich in Deutschland nie¬<lb/>
mand zufriedengeben. Schon die Bemerkung des einen seiner journalistischen<lb/>
Zeugen wird einen starken Widerspruch herausfordern. Am^d«e Pigeon, ein<lb/>
Franzose, der, nebenbei bemerkt, eine Zeit lang in Berlin journalistisch thätig<lb/>
war, u. a. als Korrespondent des Pariser Figaro, sagt in seinem 1885 er¬<lb/>
schienenen Buche I/^1IönmAn&lt;z &lt;is Ur. 1ji«raro&gt;c: &#x201E;Das Bildnis des Mannes<lb/>
in seiner natürlichen Erscheinung hat nach meiner Meinung niemand geschaffen,<lb/>
nicht einmal Lenbach, der nnr die Hnltnng des stolzen Löwen und noch dazu<lb/>
in Übertreibung dargestellt hat. Man merkt mir zu sehr, daß dieses Bildnis<lb/>
gemalt worden ist, um damit den Reisenden zu imponiren, die durch die<lb/>
Museen laufen. Es wäre hier ein Holbein Vonnöten, der sich einige Vor¬<lb/>
mittage dein Fürsten gegenübersetzen könnte &#x2014; oder wenigstens ein Prnd'hon,<lb/>
dem der Fürst zu sitzen sich herbeiließe, wie einst Talleyrand." Den Wunsch,<lb/>
den Fürsten Bismarck einem großen Portraitmaler von der kühlen Objektivität<lb/>
und der geistvollen Detnillirnngsknnst eines Holbein gegenübergestellt zu sehen,<lb/>
teilen wir mit dem Franzosen. Niemand wird ihm aber in Deutschland darin<lb/>
beistimmen, daß die Leubachschen Bildnisse für die Museen gemalt worden<lb/>
seien. Man brcincht nur daran zu erinnern, daß sich überall in den großen<lb/>
Städten, sobald die Absicht laut wurde, ein Bildnis des Fürsten Bismarck<lb/>
für eine staatliche oder städtische Kuustsammluug anzukaufen, ein Sturm der<lb/>
Entrüstung erhob, der sich nach der vollzogenen Thatsache nnr langsam be¬<lb/>
schwichtigte. Nicht etwa weil mau in den Lenbachschen Bildnissen eine Übertrei¬<lb/>
bung, eine idealistische Steigerung der Persönlichkeit in das Heroische oder<lb/>
Löwenhafte sah, sondern weil man im Gegenteil an der allzu familiären, so¬<lb/>
zusagen schlottrigen Auffassung und an der argen Vernachlässigung des Körpers,<lb/>
der Hände, des bürgerlichen Anzuges wie der militärischen Uniform Anstoß<lb/>
nahm. Mau wollte den Helden und erhielt den Einsiedler von Friedrichsruh,<lb/>
der im bequemen Hausrock in seinen Wäldern herumstreift und auf seine Land-<lb/>
und Forstwirtschaft Acht giebt. Lenbach hat nnr selten den berechtigten<lb/>
Wünschen seiner Auftraggeber nachgegebn. Er hat seinen Willen durchgesetzt,<lb/>
die Überzeugung von der Richtigkeit seiner Auffassung andern aufgezwungen,<lb/>
und man hat sich allmählich an seinen Bismarckthpns gewöhnt, vielleicht auch</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0012] Fürst Bismarck und die bildende Annst Bevor er auf die Bismarck-Karrikaturen in de» einzelnen Ländern eingeht, sucht er seinen Lesern eine Vorstellung von der wirklichen Erscheinung Bis- marcks zu geben, indem er zwei Bildnisse des Fürsten, eins aus dem Jahre 1847 und ein nach den neuesten Photographien aus dem Jahre 1890 für die Pariser Zeitschrift I^s nionäö illustrs gezeichnetes, reproduzirt und damit die Beschreibungen französischer Journalisten aus den Jahren 1881 und 1890 verbindet. „Da die Karrikatur die Fälschung des auf die Person lautenden Passes ist — bemerkt er dabei —, ist es wichtig, den Paß in seiner genanen Fassung wiederherzustellen." Wie sieht aber diese Fassung aus? Mit den paar Bruchstücken, die er seinen Lesern bietet, wird sich in Deutschland nie¬ mand zufriedengeben. Schon die Bemerkung des einen seiner journalistischen Zeugen wird einen starken Widerspruch herausfordern. Am^d«e Pigeon, ein Franzose, der, nebenbei bemerkt, eine Zeit lang in Berlin journalistisch thätig war, u. a. als Korrespondent des Pariser Figaro, sagt in seinem 1885 er¬ schienenen Buche I/^1IönmAn<z <is Ur. 1ji«raro>c: „Das Bildnis des Mannes in seiner natürlichen Erscheinung hat nach meiner Meinung niemand geschaffen, nicht einmal Lenbach, der nnr die Hnltnng des stolzen Löwen und noch dazu in Übertreibung dargestellt hat. Man merkt mir zu sehr, daß dieses Bildnis gemalt worden ist, um damit den Reisenden zu imponiren, die durch die Museen laufen. Es wäre hier ein Holbein Vonnöten, der sich einige Vor¬ mittage dein Fürsten gegenübersetzen könnte — oder wenigstens ein Prnd'hon, dem der Fürst zu sitzen sich herbeiließe, wie einst Talleyrand." Den Wunsch, den Fürsten Bismarck einem großen Portraitmaler von der kühlen Objektivität und der geistvollen Detnillirnngsknnst eines Holbein gegenübergestellt zu sehen, teilen wir mit dem Franzosen. Niemand wird ihm aber in Deutschland darin beistimmen, daß die Leubachschen Bildnisse für die Museen gemalt worden seien. Man brcincht nur daran zu erinnern, daß sich überall in den großen Städten, sobald die Absicht laut wurde, ein Bildnis des Fürsten Bismarck für eine staatliche oder städtische Kuustsammluug anzukaufen, ein Sturm der Entrüstung erhob, der sich nach der vollzogenen Thatsache nnr langsam be¬ schwichtigte. Nicht etwa weil mau in den Lenbachschen Bildnissen eine Übertrei¬ bung, eine idealistische Steigerung der Persönlichkeit in das Heroische oder Löwenhafte sah, sondern weil man im Gegenteil an der allzu familiären, so¬ zusagen schlottrigen Auffassung und an der argen Vernachlässigung des Körpers, der Hände, des bürgerlichen Anzuges wie der militärischen Uniform Anstoß nahm. Mau wollte den Helden und erhielt den Einsiedler von Friedrichsruh, der im bequemen Hausrock in seinen Wäldern herumstreift und auf seine Land- und Forstwirtschaft Acht giebt. Lenbach hat nnr selten den berechtigten Wünschen seiner Auftraggeber nachgegebn. Er hat seinen Willen durchgesetzt, die Überzeugung von der Richtigkeit seiner Auffassung andern aufgezwungen, und man hat sich allmählich an seinen Bismarckthpns gewöhnt, vielleicht auch

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/12
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/12>, abgerufen am 19.05.2024.