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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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großes Publikum wünscht und daher jedem Geschmacke Rechnung zu tragen
sucht. So wechseln denn in bunter Folge Landschaften, Tierstücke, Genre-
szenen, Allegorien, auch mancherlei Verfängliches mit einander ab, und sogar
unsre deutschen Märchen, wie Dornröschen, Aschenbrödel und Blaubart sind
der Feder eines französischen Umdichters verfallen, um als Grundlage für
Gonpilsche Illustrationen zu dienen. Übrigens-will ich dieses Märchenbuch
nicht etwa herabsetzen. Ich habe noch nie etwas Reizenderes gesehen, als diese
Bilder, zu denen Edouard de Veanmont die Vorbilder geliefert hat. Der
Künstler entfaltet darin den ganzen Zauber seines reichen Talents und bietet
uns dessen Früchte mit so entzückenden Humor, daß wir ihm nicht böse
werden können, auch wenn er noch so tolle Dinge anrichtet. Denn stillos
sind die Beanmontschen Illustrationen in einem Maße, daß jeder schulgerechte
Kritikus darob in Entsetzen geraten muß. Der Künstler macht sich gar nichts
daraus, seine Figuren mit den Beinen in den Text des Märchens hineinragen
zu lassen; seine Pflanzen wuchern vergnügt zwischen den Druckzeilen; er treibt
es so weit, die Buchstaben an einer Stelle hinter den Dampfwolken eines
Kvchtopfes nur blaß hervorschimmern zu lassen. Aber mer könnte der Liebens¬
würdigkeit dieser neckischen und geistreichen Zeichnungen gegenüber griesgräm-
liche Einwendungen machen? Man läßt den Künstler gewähren und vergnügt
sich -- das ist ja um Ende auch seine Absicht. Er hätte sie aber nicht er¬
reicht, wenn ihm nicht die Kunst der Goupilschen Werkstatt mit ihrer Vollkommen¬
heit dazu geholfen hätte.

Was mir sonst von Photogravüreu des Goupilschen Verlages bekannt
ist, reicht an die künstlerische Höhe des eben besprochenen Werkes nicht hinan.
Gleichwohl bietet jede der zwei jährlichen Ausgaben neuer Blätter beachtens¬
wertes; besonders gelungen sind die Tierstücke und Landschaften. Die Bilder
aus dem Leben der Beduinen von Schreyer, hervorragend durch die muster¬
hafte Zeichnung der herrlichen Pferde, brauche ich, da sie allbekannt find, hier
nur zu nennen. Von sonstigen Tierbildern ist sehr hübsch I,"zö ?vns^s as 1a
l'rmoessö, wobei freilich der, der den altmodischen Wunsch hat, den Titel
durch das Bild gerechtfertigt zu sehen, vergeblich uach der Prinzessin oder
nach irgend etwas suchen wird, was auf eine Prinzessin hindeutete. Unter den
Allegorien erwähne ich die Nu8iqnö 8!lor6s 8t pi-vllus, ein zweiteiliges Bild
von Dubufe, das auf einer Seite die heilige Cäcilie mit Engeln musizirend
zeigt, während ans der andern Gesang und Instrumentalmusik durch eine An¬
zahl allegorischer Frauengestalten dargestellt sind. Sehr niedlich sind die
Varmtions sur uri ttiöius vonnu, eine Anzahl von Kindergruppen, freilich ganz
in französischem Geiste gehalten, die parodistisch die verschiednen Arten der
Liebe vorführen. Von Landschaften greife ich nur zwei heraus: los viel
HomösrvAä von Horace Hooger, ausgezeichnet durch die Wiedergabe des in
tausend Pfützen glänzenden Regenwassers, und das Berniersche Bild: I>s


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großes Publikum wünscht und daher jedem Geschmacke Rechnung zu tragen
sucht. So wechseln denn in bunter Folge Landschaften, Tierstücke, Genre-
szenen, Allegorien, auch mancherlei Verfängliches mit einander ab, und sogar
unsre deutschen Märchen, wie Dornröschen, Aschenbrödel und Blaubart sind
der Feder eines französischen Umdichters verfallen, um als Grundlage für
Gonpilsche Illustrationen zu dienen. Übrigens-will ich dieses Märchenbuch
nicht etwa herabsetzen. Ich habe noch nie etwas Reizenderes gesehen, als diese
Bilder, zu denen Edouard de Veanmont die Vorbilder geliefert hat. Der
Künstler entfaltet darin den ganzen Zauber seines reichen Talents und bietet
uns dessen Früchte mit so entzückenden Humor, daß wir ihm nicht böse
werden können, auch wenn er noch so tolle Dinge anrichtet. Denn stillos
sind die Beanmontschen Illustrationen in einem Maße, daß jeder schulgerechte
Kritikus darob in Entsetzen geraten muß. Der Künstler macht sich gar nichts
daraus, seine Figuren mit den Beinen in den Text des Märchens hineinragen
zu lassen; seine Pflanzen wuchern vergnügt zwischen den Druckzeilen; er treibt
es so weit, die Buchstaben an einer Stelle hinter den Dampfwolken eines
Kvchtopfes nur blaß hervorschimmern zu lassen. Aber mer könnte der Liebens¬
würdigkeit dieser neckischen und geistreichen Zeichnungen gegenüber griesgräm-
liche Einwendungen machen? Man läßt den Künstler gewähren und vergnügt
sich — das ist ja um Ende auch seine Absicht. Er hätte sie aber nicht er¬
reicht, wenn ihm nicht die Kunst der Goupilschen Werkstatt mit ihrer Vollkommen¬
heit dazu geholfen hätte.

Was mir sonst von Photogravüreu des Goupilschen Verlages bekannt
ist, reicht an die künstlerische Höhe des eben besprochenen Werkes nicht hinan.
Gleichwohl bietet jede der zwei jährlichen Ausgaben neuer Blätter beachtens¬
wertes; besonders gelungen sind die Tierstücke und Landschaften. Die Bilder
aus dem Leben der Beduinen von Schreyer, hervorragend durch die muster¬
hafte Zeichnung der herrlichen Pferde, brauche ich, da sie allbekannt find, hier
nur zu nennen. Von sonstigen Tierbildern ist sehr hübsch I,«zö ?vns^s as 1a
l'rmoessö, wobei freilich der, der den altmodischen Wunsch hat, den Titel
durch das Bild gerechtfertigt zu sehen, vergeblich uach der Prinzessin oder
nach irgend etwas suchen wird, was auf eine Prinzessin hindeutete. Unter den
Allegorien erwähne ich die Nu8iqnö 8!lor6s 8t pi-vllus, ein zweiteiliges Bild
von Dubufe, das auf einer Seite die heilige Cäcilie mit Engeln musizirend
zeigt, während ans der andern Gesang und Instrumentalmusik durch eine An¬
zahl allegorischer Frauengestalten dargestellt sind. Sehr niedlich sind die
Varmtions sur uri ttiöius vonnu, eine Anzahl von Kindergruppen, freilich ganz
in französischem Geiste gehalten, die parodistisch die verschiednen Arten der
Liebe vorführen. Von Landschaften greife ich nur zwei heraus: los viel
HomösrvAä von Horace Hooger, ausgezeichnet durch die Wiedergabe des in
tausend Pfützen glänzenden Regenwassers, und das Berniersche Bild: I>s


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[0127] Neue Photogravüren großes Publikum wünscht und daher jedem Geschmacke Rechnung zu tragen sucht. So wechseln denn in bunter Folge Landschaften, Tierstücke, Genre- szenen, Allegorien, auch mancherlei Verfängliches mit einander ab, und sogar unsre deutschen Märchen, wie Dornröschen, Aschenbrödel und Blaubart sind der Feder eines französischen Umdichters verfallen, um als Grundlage für Gonpilsche Illustrationen zu dienen. Übrigens-will ich dieses Märchenbuch nicht etwa herabsetzen. Ich habe noch nie etwas Reizenderes gesehen, als diese Bilder, zu denen Edouard de Veanmont die Vorbilder geliefert hat. Der Künstler entfaltet darin den ganzen Zauber seines reichen Talents und bietet uns dessen Früchte mit so entzückenden Humor, daß wir ihm nicht böse werden können, auch wenn er noch so tolle Dinge anrichtet. Denn stillos sind die Beanmontschen Illustrationen in einem Maße, daß jeder schulgerechte Kritikus darob in Entsetzen geraten muß. Der Künstler macht sich gar nichts daraus, seine Figuren mit den Beinen in den Text des Märchens hineinragen zu lassen; seine Pflanzen wuchern vergnügt zwischen den Druckzeilen; er treibt es so weit, die Buchstaben an einer Stelle hinter den Dampfwolken eines Kvchtopfes nur blaß hervorschimmern zu lassen. Aber mer könnte der Liebens¬ würdigkeit dieser neckischen und geistreichen Zeichnungen gegenüber griesgräm- liche Einwendungen machen? Man läßt den Künstler gewähren und vergnügt sich — das ist ja um Ende auch seine Absicht. Er hätte sie aber nicht er¬ reicht, wenn ihm nicht die Kunst der Goupilschen Werkstatt mit ihrer Vollkommen¬ heit dazu geholfen hätte. Was mir sonst von Photogravüreu des Goupilschen Verlages bekannt ist, reicht an die künstlerische Höhe des eben besprochenen Werkes nicht hinan. Gleichwohl bietet jede der zwei jährlichen Ausgaben neuer Blätter beachtens¬ wertes; besonders gelungen sind die Tierstücke und Landschaften. Die Bilder aus dem Leben der Beduinen von Schreyer, hervorragend durch die muster¬ hafte Zeichnung der herrlichen Pferde, brauche ich, da sie allbekannt find, hier nur zu nennen. Von sonstigen Tierbildern ist sehr hübsch I,«zö ?vns^s as 1a l'rmoessö, wobei freilich der, der den altmodischen Wunsch hat, den Titel durch das Bild gerechtfertigt zu sehen, vergeblich uach der Prinzessin oder nach irgend etwas suchen wird, was auf eine Prinzessin hindeutete. Unter den Allegorien erwähne ich die Nu8iqnö 8!lor6s 8t pi-vllus, ein zweiteiliges Bild von Dubufe, das auf einer Seite die heilige Cäcilie mit Engeln musizirend zeigt, während ans der andern Gesang und Instrumentalmusik durch eine An¬ zahl allegorischer Frauengestalten dargestellt sind. Sehr niedlich sind die Varmtions sur uri ttiöius vonnu, eine Anzahl von Kindergruppen, freilich ganz in französischem Geiste gehalten, die parodistisch die verschiednen Arten der Liebe vorführen. Von Landschaften greife ich nur zwei heraus: los viel HomösrvAä von Horace Hooger, ausgezeichnet durch die Wiedergabe des in tausend Pfützen glänzenden Regenwassers, und das Berniersche Bild: I>s

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/127>, abgerufen am 27.05.2024.