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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Neue Photograviiren

dor<l8 as l'lsole-. Eine Menge andrer, zum Teil sehr effektvoller Stücke nniß
ich unerwähnt lassen, weil ihre Besprechung mich allzu weit führen würde.

Wer die Leistungen des Goupilschen Verlags kennt, wird sich nicht wundern,
daß sie fast bis auf diesen Tag unbestritten die Herrschaft gehabt haben; es
gehört Mut dazu, mit solchen Leistungen in Wettbewerb zu treten. Gleichwohl
ist das Wagnis auch bei uns Deutschen mehrfach unternommen worden, freilich
nicht allenthalben mit Erfolg. Die meiste Aussicht auf ein ehrenvolles Be¬
stehen scheint gegenwärtig der Caspersche Verlag in Berlin zu haben, auf dessen
vorzügliche Produktionen ans dem Gebiete der Radirnng ich die Leser schon
neulich aufmerksam machte. Die Leitung dieses Instituts läßt sichs angelegen
sein, eine Hebung der Photogravüre in dem Sinne anzustreben, daß sie sie
ans der Reihe der bloß mechanisch nachbildenden Techniken auf die Höhe einer
wirklichen Kunstübung emporzuheben sucht. Die Verschmelzung der Phvto-
gravüre und der Radirnng, die wir bei einer ganzen Anzahl der Casperschen
Werke bemerken, ist an sich kein neuer Gedanke, auch kann jene Heizung natür¬
lich nie weiter als bis zur Hälfte des Weges gelangen; trotzdem darf man
sich darüber freuen, daß sich jemand findet, der sie unternimmt. Einesteils
kommt darin doch wenigstens einigermaßen das Bewußtsein zur Geltung, daß
das wahre Kunstwerk dem Ange und Sinn und der schaffenden Hand des
Menschen, nicht der Maschine entspringt. Andcrnteils steht trotz ihres freudig
anzuerkennenden Aufschwunges die Knpferrndirung doch noch ans schwachen
Füßen, sodnß es immer eine gewagte Sache ist, die hohen durch sie verursachten
Kosten auf die Nachbildung solcher Bilder zu wenden, die rein durch Schönheit
der Form erfreuen. Eine entsetzlich zugerichtete Madonna von Murillo, die
ich kürzlich sah, lieferte den deutlichsten Beweis dafür. Den Namen des un-
glücklichen Nadirers will ich lieber verschweigen, lind doch verdiente der
Manu Lob, deun er versuchte sich doch am Größten. Aber eS gelingt eben
nur wenigen, und darum muß die Photogravüre vorläufig aushelfen. Natürlich
nur so lange, als sie unentbehrlich ist!

Von solchen Erwägungen hat sich der Caspersche Verlag leiten lassen, als
er dasjenige Bild in Photogravüre nachbilden ließ, das sich Kaivg Kcig-um
nennt. Gemalt von Morelli in Florenz, stellt es eine thronende Madonna
dar. Die Auffassung ist etwas ungewöhnlich, modern im höchsten Grade.
Das Gesicht der in ganz schlichten Gewändern bescheiden mit gesenkten. Blicke
dasitzenden Frau hat etwas idealisirt-porträtartiges; ans ihren Armen hält sie
den Knaben, aus dessen strahlende" Augen das Heil der Welt leuchtend hervor
bricht. Entzückend ist die Beimischung von Kindlichkeit, die den überirdische"
Erdengast zugleich als irdischen Knaben zu erkennen giebt ^ die zierliche
Bewegung des kleinen Fingers der linken Hand (und was für einer Hand!)
gegen die Lippen. K-no"! ki,6<>'M!>, ist ein Werk, das ich unbedenklich neben die
beste" Schöpsimge" der italiemsche" Frührenaissa"ce stelle. Daß es gleichwohl


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dor<l8 as l'lsole-. Eine Menge andrer, zum Teil sehr effektvoller Stücke nniß
ich unerwähnt lassen, weil ihre Besprechung mich allzu weit führen würde.

Wer die Leistungen des Goupilschen Verlags kennt, wird sich nicht wundern,
daß sie fast bis auf diesen Tag unbestritten die Herrschaft gehabt haben; es
gehört Mut dazu, mit solchen Leistungen in Wettbewerb zu treten. Gleichwohl
ist das Wagnis auch bei uns Deutschen mehrfach unternommen worden, freilich
nicht allenthalben mit Erfolg. Die meiste Aussicht auf ein ehrenvolles Be¬
stehen scheint gegenwärtig der Caspersche Verlag in Berlin zu haben, auf dessen
vorzügliche Produktionen ans dem Gebiete der Radirnng ich die Leser schon
neulich aufmerksam machte. Die Leitung dieses Instituts läßt sichs angelegen
sein, eine Hebung der Photogravüre in dem Sinne anzustreben, daß sie sie
ans der Reihe der bloß mechanisch nachbildenden Techniken auf die Höhe einer
wirklichen Kunstübung emporzuheben sucht. Die Verschmelzung der Phvto-
gravüre und der Radirnng, die wir bei einer ganzen Anzahl der Casperschen
Werke bemerken, ist an sich kein neuer Gedanke, auch kann jene Heizung natür¬
lich nie weiter als bis zur Hälfte des Weges gelangen; trotzdem darf man
sich darüber freuen, daß sich jemand findet, der sie unternimmt. Einesteils
kommt darin doch wenigstens einigermaßen das Bewußtsein zur Geltung, daß
das wahre Kunstwerk dem Ange und Sinn und der schaffenden Hand des
Menschen, nicht der Maschine entspringt. Andcrnteils steht trotz ihres freudig
anzuerkennenden Aufschwunges die Knpferrndirung doch noch ans schwachen
Füßen, sodnß es immer eine gewagte Sache ist, die hohen durch sie verursachten
Kosten auf die Nachbildung solcher Bilder zu wenden, die rein durch Schönheit
der Form erfreuen. Eine entsetzlich zugerichtete Madonna von Murillo, die
ich kürzlich sah, lieferte den deutlichsten Beweis dafür. Den Namen des un-
glücklichen Nadirers will ich lieber verschweigen, lind doch verdiente der
Manu Lob, deun er versuchte sich doch am Größten. Aber eS gelingt eben
nur wenigen, und darum muß die Photogravüre vorläufig aushelfen. Natürlich
nur so lange, als sie unentbehrlich ist!

Von solchen Erwägungen hat sich der Caspersche Verlag leiten lassen, als
er dasjenige Bild in Photogravüre nachbilden ließ, das sich Kaivg Kcig-um
nennt. Gemalt von Morelli in Florenz, stellt es eine thronende Madonna
dar. Die Auffassung ist etwas ungewöhnlich, modern im höchsten Grade.
Das Gesicht der in ganz schlichten Gewändern bescheiden mit gesenkten. Blicke
dasitzenden Frau hat etwas idealisirt-porträtartiges; ans ihren Armen hält sie
den Knaben, aus dessen strahlende» Augen das Heil der Welt leuchtend hervor
bricht. Entzückend ist die Beimischung von Kindlichkeit, die den überirdische»
Erdengast zugleich als irdischen Knaben zu erkennen giebt ^ die zierliche
Bewegung des kleinen Fingers der linken Hand (und was für einer Hand!)
gegen die Lippen. K-no«! ki,6<>'M!>, ist ein Werk, das ich unbedenklich neben die
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[0128] Neue Photograviiren dor<l8 as l'lsole-. Eine Menge andrer, zum Teil sehr effektvoller Stücke nniß ich unerwähnt lassen, weil ihre Besprechung mich allzu weit führen würde. Wer die Leistungen des Goupilschen Verlags kennt, wird sich nicht wundern, daß sie fast bis auf diesen Tag unbestritten die Herrschaft gehabt haben; es gehört Mut dazu, mit solchen Leistungen in Wettbewerb zu treten. Gleichwohl ist das Wagnis auch bei uns Deutschen mehrfach unternommen worden, freilich nicht allenthalben mit Erfolg. Die meiste Aussicht auf ein ehrenvolles Be¬ stehen scheint gegenwärtig der Caspersche Verlag in Berlin zu haben, auf dessen vorzügliche Produktionen ans dem Gebiete der Radirnng ich die Leser schon neulich aufmerksam machte. Die Leitung dieses Instituts läßt sichs angelegen sein, eine Hebung der Photogravüre in dem Sinne anzustreben, daß sie sie ans der Reihe der bloß mechanisch nachbildenden Techniken auf die Höhe einer wirklichen Kunstübung emporzuheben sucht. Die Verschmelzung der Phvto- gravüre und der Radirnng, die wir bei einer ganzen Anzahl der Casperschen Werke bemerken, ist an sich kein neuer Gedanke, auch kann jene Heizung natür¬ lich nie weiter als bis zur Hälfte des Weges gelangen; trotzdem darf man sich darüber freuen, daß sich jemand findet, der sie unternimmt. Einesteils kommt darin doch wenigstens einigermaßen das Bewußtsein zur Geltung, daß das wahre Kunstwerk dem Ange und Sinn und der schaffenden Hand des Menschen, nicht der Maschine entspringt. Andcrnteils steht trotz ihres freudig anzuerkennenden Aufschwunges die Knpferrndirung doch noch ans schwachen Füßen, sodnß es immer eine gewagte Sache ist, die hohen durch sie verursachten Kosten auf die Nachbildung solcher Bilder zu wenden, die rein durch Schönheit der Form erfreuen. Eine entsetzlich zugerichtete Madonna von Murillo, die ich kürzlich sah, lieferte den deutlichsten Beweis dafür. Den Namen des un- glücklichen Nadirers will ich lieber verschweigen, lind doch verdiente der Manu Lob, deun er versuchte sich doch am Größten. Aber eS gelingt eben nur wenigen, und darum muß die Photogravüre vorläufig aushelfen. Natürlich nur so lange, als sie unentbehrlich ist! Von solchen Erwägungen hat sich der Caspersche Verlag leiten lassen, als er dasjenige Bild in Photogravüre nachbilden ließ, das sich Kaivg Kcig-um nennt. Gemalt von Morelli in Florenz, stellt es eine thronende Madonna dar. Die Auffassung ist etwas ungewöhnlich, modern im höchsten Grade. Das Gesicht der in ganz schlichten Gewändern bescheiden mit gesenkten. Blicke dasitzenden Frau hat etwas idealisirt-porträtartiges; ans ihren Armen hält sie den Knaben, aus dessen strahlende» Augen das Heil der Welt leuchtend hervor bricht. Entzückend ist die Beimischung von Kindlichkeit, die den überirdische» Erdengast zugleich als irdischen Knaben zu erkennen giebt ^ die zierliche Bewegung des kleinen Fingers der linken Hand (und was für einer Hand!) gegen die Lippen. K-no«! ki,6<>'M!>, ist ein Werk, das ich unbedenklich neben die beste» Schöpsimge» der italiemsche» Frührenaissa»ce stelle. Daß es gleichwohl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/128>, abgerufen am 26.05.2024.