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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Monarchie und Republik im Altertum

In Marius, in Cinna jubelte die unaustilgbare Volkspartei ihren stets
nachwachsenden Häuptern zu, in deren gehäuften Konsulaten man bereits
sichtlich -- und wohl mit sehenden Augen -- der Monarchie zusteuerte; bis
dann endlich der große Cäsar, auf dein der menschenfreundliche Geist der
Gracchen nebst dem Glück und dem Genie Snllas ruhte, mit sicherer Hand
die reife Frucht der Alleinherrschaft pflückte, um sie zwar nicht selbst zu ge¬
nießen, aber doch die neue Regierungsform so mit seinem Geiste zu durch-
dringen, daß sie trotz Verschwörung und Intriguen festbegrttndet und an seinen
Namen geknüpft forterbte. Und es wäre ein Glück für den Staat, ein Glück
für das römische Volk gewesen, Hütte Cäsar auch seinen für alles Große und
Gute erleuchteten Geist, seinen milden, die Gegner lieber entwaffnenden als
vernichtenden Sinn, seinen hellen, alle Schwierigkeiten überschauenden Blick
auf seine Nachfolger vererben können. Aber wenn diese sich auch nicht, wie
ihr Heros eponymos,*) als sieghafte Führer auf der Bahn alles menschlichen
Fortschrittes erwiesen, sondern sich dem Sklavengeist ihrer Unterthanen anbe¬
quemten und spätern senatorischen Schriftstellern Anlaß gaben, eine neue Art
wahnsinniger Herrscherwillkür zu schildern, die zugleich ihre Namen mit dem
Fluche mißtrauischer Grausamkeit und unmenschlicher Lasterhaftigkeit behaftete,
so dürfen wir doch anderseits nicht vergessen, daß die bedeutendsten zeit¬
genössischen Dichter dieselben ersten Kaiser wegen ihrer Verdienste gepriesen
und in den Himmel gehoben haben gleich einem Theseus und Alexander, gleich
einem Quirinus und Dipus Julius. Und wenn thatsächlich im ganzen römischen
Reiche neben den alten Göttern den Cäsaren Tempel und Altäre errichtet
wurden, so sprach sich darin auch die dankbare Verehrung aus, die ihnen zumal
der untere Teil der Bevölkerung zollte, die armen, so lange von Senatoren
und Rittern ausgesogenen Bundesgenossen und Provinzialen, die jetzt zum
erstenmale eine menschenwürdige Stellung einnahmen und ähnlichen Schlitz der
Staatsgesetze unter kaiserlichen Statthaltern genossen wie die unverletzlichen
römischen Bürger. Das römische Reich und die römischen Kaiser sind eine
ehrwürdige Erscheinung geblieben selbst für die freien germanischen Völker, deren
gewaltigste Fürsten es noch nach Jahrhunderten für die höchste Auszeichnung
gehalten haben, wenn ihnen der stolze Titel "Kaiser" übertragen wurde: er
ist noch heute der Inbegriff der höchsten Macht, das Zauberwort, das den
gewaltigsten Reichen Europas eine gesegnete Regierung zu verbürgen scheint.

So haben wir denn die Gesamtentwicklung der Staatsverfassungen des
Altertums verfolgt bis zu ihrem alles mvellirenden Abschluß in der römischen
Weltmonarchie. Wir wollen nun noch einige Ergebnisse dieses Überblickes her¬
ausheben.



5) Die attischen Stämme, wie viele Genossenschaften der Griechen, verehren ihren Namens-
Heroen.
Monarchie und Republik im Altertum

In Marius, in Cinna jubelte die unaustilgbare Volkspartei ihren stets
nachwachsenden Häuptern zu, in deren gehäuften Konsulaten man bereits
sichtlich — und wohl mit sehenden Augen — der Monarchie zusteuerte; bis
dann endlich der große Cäsar, auf dein der menschenfreundliche Geist der
Gracchen nebst dem Glück und dem Genie Snllas ruhte, mit sicherer Hand
die reife Frucht der Alleinherrschaft pflückte, um sie zwar nicht selbst zu ge¬
nießen, aber doch die neue Regierungsform so mit seinem Geiste zu durch-
dringen, daß sie trotz Verschwörung und Intriguen festbegrttndet und an seinen
Namen geknüpft forterbte. Und es wäre ein Glück für den Staat, ein Glück
für das römische Volk gewesen, Hütte Cäsar auch seinen für alles Große und
Gute erleuchteten Geist, seinen milden, die Gegner lieber entwaffnenden als
vernichtenden Sinn, seinen hellen, alle Schwierigkeiten überschauenden Blick
auf seine Nachfolger vererben können. Aber wenn diese sich auch nicht, wie
ihr Heros eponymos,*) als sieghafte Führer auf der Bahn alles menschlichen
Fortschrittes erwiesen, sondern sich dem Sklavengeist ihrer Unterthanen anbe¬
quemten und spätern senatorischen Schriftstellern Anlaß gaben, eine neue Art
wahnsinniger Herrscherwillkür zu schildern, die zugleich ihre Namen mit dem
Fluche mißtrauischer Grausamkeit und unmenschlicher Lasterhaftigkeit behaftete,
so dürfen wir doch anderseits nicht vergessen, daß die bedeutendsten zeit¬
genössischen Dichter dieselben ersten Kaiser wegen ihrer Verdienste gepriesen
und in den Himmel gehoben haben gleich einem Theseus und Alexander, gleich
einem Quirinus und Dipus Julius. Und wenn thatsächlich im ganzen römischen
Reiche neben den alten Göttern den Cäsaren Tempel und Altäre errichtet
wurden, so sprach sich darin auch die dankbare Verehrung aus, die ihnen zumal
der untere Teil der Bevölkerung zollte, die armen, so lange von Senatoren
und Rittern ausgesogenen Bundesgenossen und Provinzialen, die jetzt zum
erstenmale eine menschenwürdige Stellung einnahmen und ähnlichen Schlitz der
Staatsgesetze unter kaiserlichen Statthaltern genossen wie die unverletzlichen
römischen Bürger. Das römische Reich und die römischen Kaiser sind eine
ehrwürdige Erscheinung geblieben selbst für die freien germanischen Völker, deren
gewaltigste Fürsten es noch nach Jahrhunderten für die höchste Auszeichnung
gehalten haben, wenn ihnen der stolze Titel „Kaiser" übertragen wurde: er
ist noch heute der Inbegriff der höchsten Macht, das Zauberwort, das den
gewaltigsten Reichen Europas eine gesegnete Regierung zu verbürgen scheint.

So haben wir denn die Gesamtentwicklung der Staatsverfassungen des
Altertums verfolgt bis zu ihrem alles mvellirenden Abschluß in der römischen
Weltmonarchie. Wir wollen nun noch einige Ergebnisse dieses Überblickes her¬
ausheben.



5) Die attischen Stämme, wie viele Genossenschaften der Griechen, verehren ihren Namens-
Heroen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/164>, abgerufen am 17.06.2024.