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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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Monarchie und Republik in, Altertum

Da finden wir denn zunächst fast als ein Naturgesetz, daß selbst bei den
freiheitsliebenden Völkern des klassischen Altertums Anfang und Ende ihrer
Politischen Entwicklung die Monarchie bezeichnet: sie ist das A und O aller
menschlichen Staatenbildung, und wie aus dem sageuumwölkten Morgennebel
der frühesten Zeiten die leuchtenden Strahlen fürstlicher Kraft hervorbrechen
und den vollen Tag einer höher:: Kultur heraufführen, so erscheint auch nach
vollbrachtem Tageslaufe durch blutige Abendröte die milde Leuchte des regie¬
renden Nachtgestirns, unter dessen versöhnenden Glänze die Völker von des
Tages Hitze aufatmen und sich der sichern Ruhe hingeben. Zwischen diesen
beiden Endpunkten bleibt allerdings noch ein genügender Spielraum für die
beiden andern um die freigewordene Regierungsgewalt ringenden Kräfte, Adel
und Volk, in deren, Wechselnden Stellungen sich gleichfalls ein gewisser gesetz¬
mäßiger Verlauf erkennen läßt. Dem Adel, der mit sicherer Hand die Zügel
der Regierung zu ergreifen weiß, werden sie namentlich in Griechenland je
einmal durch einen abtrünnigen, auf die Volksgunst sich stützenden Standes¬
genossen entrissen und so mit dem Übergange durch die Tyrmmis dem Volke
in die Hände gespielt, bis dann die immer mehr ausartende Demokratie eine
kräftige Reaktion und stärkere Zentralisation erwünscht erscheine:: läßt; damit
übereinstimmend sehen wir auch in Rom die Herrschaft des Senats durch demo¬
kratische Wirren ins Wanken geraten und dann wieder dem Prinzipat eines
Einzelnen Platz machen.

Wenn wir jedoch nach der Dauer und Bedeutung der besprochenen Re¬
gierungsgegensätze im Altertum fragen, so ist ohne weiteres zuzugeben, daß
trotz der Existenz staatsgründender, durch Körperkraft und Reichtum hervor-
ragender Könige, die als Oberanführer, Oberpriester und Richter an der Spitze
des jungen Volkes stehen, trotz der spätern glänzenden Hofhaltung weit be¬
rühmter Tyrannen, die gestützt auf stehende Heere und Bündnisse unter ein¬
ander die Macht und Kultur ihres Landes auf eine höhere Stufe heben, endlich
trotz des die spiralförmige Bewegung abschließenden, durch militärische Erfolge
empfohlenen absoluten Königtums, das deu erschütterte:: Völkern die lang¬
ersehnte, durch Vergötterung gedankte Ruhe und Befriedigung bringt, -- trotz all
dieser leuchtenden Phasen der Monarchie bleibt doch als Thatsache bestehen,
daß beide klassische Völker die längste Zeit nicht unter Königen gestanden, die
glänzendste:: Perioden ihrer Entwicklung, an die wir bei ihren Namen zunächst
denken, der Republik zu danken haben. Und in der That ist dies eine er¬
staunliche Erscheinung: daß die höchste Stufe nationaler Wohlfahrt und mate¬
riellen Wohlbefindens erreicht werden, daß ebenso die tapferste Abwehr scheinbar
unwiderstehlicher Feinde wie unübertroffene Leistungen in Kunst und Wissen¬
schaft gelingen, ja daß sogar die Weltherrschaft errungen und behauptet werde::
konnte ohne Leitung eines erblichen Staatsoberhauptes, wie denn zumal in
Rom Gehorsam, Unbestechlichkeit, Vaterlandsliebe, Opferfreudigkeit auch ohne


Monarchie und Republik in, Altertum

Da finden wir denn zunächst fast als ein Naturgesetz, daß selbst bei den
freiheitsliebenden Völkern des klassischen Altertums Anfang und Ende ihrer
Politischen Entwicklung die Monarchie bezeichnet: sie ist das A und O aller
menschlichen Staatenbildung, und wie aus dem sageuumwölkten Morgennebel
der frühesten Zeiten die leuchtenden Strahlen fürstlicher Kraft hervorbrechen
und den vollen Tag einer höher:: Kultur heraufführen, so erscheint auch nach
vollbrachtem Tageslaufe durch blutige Abendröte die milde Leuchte des regie¬
renden Nachtgestirns, unter dessen versöhnenden Glänze die Völker von des
Tages Hitze aufatmen und sich der sichern Ruhe hingeben. Zwischen diesen
beiden Endpunkten bleibt allerdings noch ein genügender Spielraum für die
beiden andern um die freigewordene Regierungsgewalt ringenden Kräfte, Adel
und Volk, in deren, Wechselnden Stellungen sich gleichfalls ein gewisser gesetz¬
mäßiger Verlauf erkennen läßt. Dem Adel, der mit sicherer Hand die Zügel
der Regierung zu ergreifen weiß, werden sie namentlich in Griechenland je
einmal durch einen abtrünnigen, auf die Volksgunst sich stützenden Standes¬
genossen entrissen und so mit dem Übergange durch die Tyrmmis dem Volke
in die Hände gespielt, bis dann die immer mehr ausartende Demokratie eine
kräftige Reaktion und stärkere Zentralisation erwünscht erscheine:: läßt; damit
übereinstimmend sehen wir auch in Rom die Herrschaft des Senats durch demo¬
kratische Wirren ins Wanken geraten und dann wieder dem Prinzipat eines
Einzelnen Platz machen.

Wenn wir jedoch nach der Dauer und Bedeutung der besprochenen Re¬
gierungsgegensätze im Altertum fragen, so ist ohne weiteres zuzugeben, daß
trotz der Existenz staatsgründender, durch Körperkraft und Reichtum hervor-
ragender Könige, die als Oberanführer, Oberpriester und Richter an der Spitze
des jungen Volkes stehen, trotz der spätern glänzenden Hofhaltung weit be¬
rühmter Tyrannen, die gestützt auf stehende Heere und Bündnisse unter ein¬
ander die Macht und Kultur ihres Landes auf eine höhere Stufe heben, endlich
trotz des die spiralförmige Bewegung abschließenden, durch militärische Erfolge
empfohlenen absoluten Königtums, das deu erschütterte:: Völkern die lang¬
ersehnte, durch Vergötterung gedankte Ruhe und Befriedigung bringt, — trotz all
dieser leuchtenden Phasen der Monarchie bleibt doch als Thatsache bestehen,
daß beide klassische Völker die längste Zeit nicht unter Königen gestanden, die
glänzendste:: Perioden ihrer Entwicklung, an die wir bei ihren Namen zunächst
denken, der Republik zu danken haben. Und in der That ist dies eine er¬
staunliche Erscheinung: daß die höchste Stufe nationaler Wohlfahrt und mate¬
riellen Wohlbefindens erreicht werden, daß ebenso die tapferste Abwehr scheinbar
unwiderstehlicher Feinde wie unübertroffene Leistungen in Kunst und Wissen¬
schaft gelingen, ja daß sogar die Weltherrschaft errungen und behauptet werde::
konnte ohne Leitung eines erblichen Staatsoberhauptes, wie denn zumal in
Rom Gehorsam, Unbestechlichkeit, Vaterlandsliebe, Opferfreudigkeit auch ohne


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[0165] Monarchie und Republik in, Altertum Da finden wir denn zunächst fast als ein Naturgesetz, daß selbst bei den freiheitsliebenden Völkern des klassischen Altertums Anfang und Ende ihrer Politischen Entwicklung die Monarchie bezeichnet: sie ist das A und O aller menschlichen Staatenbildung, und wie aus dem sageuumwölkten Morgennebel der frühesten Zeiten die leuchtenden Strahlen fürstlicher Kraft hervorbrechen und den vollen Tag einer höher:: Kultur heraufführen, so erscheint auch nach vollbrachtem Tageslaufe durch blutige Abendröte die milde Leuchte des regie¬ renden Nachtgestirns, unter dessen versöhnenden Glänze die Völker von des Tages Hitze aufatmen und sich der sichern Ruhe hingeben. Zwischen diesen beiden Endpunkten bleibt allerdings noch ein genügender Spielraum für die beiden andern um die freigewordene Regierungsgewalt ringenden Kräfte, Adel und Volk, in deren, Wechselnden Stellungen sich gleichfalls ein gewisser gesetz¬ mäßiger Verlauf erkennen läßt. Dem Adel, der mit sicherer Hand die Zügel der Regierung zu ergreifen weiß, werden sie namentlich in Griechenland je einmal durch einen abtrünnigen, auf die Volksgunst sich stützenden Standes¬ genossen entrissen und so mit dem Übergange durch die Tyrmmis dem Volke in die Hände gespielt, bis dann die immer mehr ausartende Demokratie eine kräftige Reaktion und stärkere Zentralisation erwünscht erscheine:: läßt; damit übereinstimmend sehen wir auch in Rom die Herrschaft des Senats durch demo¬ kratische Wirren ins Wanken geraten und dann wieder dem Prinzipat eines Einzelnen Platz machen. Wenn wir jedoch nach der Dauer und Bedeutung der besprochenen Re¬ gierungsgegensätze im Altertum fragen, so ist ohne weiteres zuzugeben, daß trotz der Existenz staatsgründender, durch Körperkraft und Reichtum hervor- ragender Könige, die als Oberanführer, Oberpriester und Richter an der Spitze des jungen Volkes stehen, trotz der spätern glänzenden Hofhaltung weit be¬ rühmter Tyrannen, die gestützt auf stehende Heere und Bündnisse unter ein¬ ander die Macht und Kultur ihres Landes auf eine höhere Stufe heben, endlich trotz des die spiralförmige Bewegung abschließenden, durch militärische Erfolge empfohlenen absoluten Königtums, das deu erschütterte:: Völkern die lang¬ ersehnte, durch Vergötterung gedankte Ruhe und Befriedigung bringt, — trotz all dieser leuchtenden Phasen der Monarchie bleibt doch als Thatsache bestehen, daß beide klassische Völker die längste Zeit nicht unter Königen gestanden, die glänzendste:: Perioden ihrer Entwicklung, an die wir bei ihren Namen zunächst denken, der Republik zu danken haben. Und in der That ist dies eine er¬ staunliche Erscheinung: daß die höchste Stufe nationaler Wohlfahrt und mate¬ riellen Wohlbefindens erreicht werden, daß ebenso die tapferste Abwehr scheinbar unwiderstehlicher Feinde wie unübertroffene Leistungen in Kunst und Wissen¬ schaft gelingen, ja daß sogar die Weltherrschaft errungen und behauptet werde:: konnte ohne Leitung eines erblichen Staatsoberhauptes, wie denn zumal in Rom Gehorsam, Unbestechlichkeit, Vaterlandsliebe, Opferfreudigkeit auch ohne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/165>, abgerufen am 17.06.2024.