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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr.

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haben. Im ganzen weisen seine Kataloge 846 Doppelsterne ans. Herschel ging
zunächst von der Ansicht aus, daß die beiden zusammengehörigen Sterne nnr
scheinbar nahe bei einander, in Wirklichkeit aber in nahezu gleicher Richtung
weit hinter einander stünden, und er beabsichtigte bei der Verschiebung dieser
beiden Sterne zufolge des Umgangs der Erde um die Sonne ihre Entfernung
zu berechnen. Dies ist ihm nun allerdings nicht gelungen, wohl aber konnte
er eine Eigenbewegung der Doppelsterne und zu Anfang dieses Jahrhunderts
bei Beobachtung des Doppelsternes ? im Herkules die Thatsache feststellen,
das; ein Fixstern durch den andern bedeckt wurde.

Erst mit dem Gebrauche Fraunhvferschcr achromatischer Refraktoren, das
heißt von großen, mit farbfreien Glaslinsen versehenen Fernrohren gelang es,
neue Erfolge auf dein Gebiete der Beobachtung von Doppelsternen zu erzielen.
Struve entdeckte und beobachtete in den Jahren 1824 bis 1836 mit seinein
großen Dorpater Refraktor nicht weniger als 2641 Doppelsterne von weniger
als 32 Bogensekunden Entfernung. In etwa derselben Zeit durchforschte der
jüngere Herschel von Kap der guten Hoffnung aus deu südlichen Sternhimmel
und fand 2100 neue Doppelsterne. Ihnen folgten der jüngere Struve und
Bnrnham, von denen der letztere mit einem kleineren und später mit dem großen
Refraktor zu Chicago 1000 neue Doppelsterne fand.

Noch eine besondre Merkwürdigkeit der Doppelsterne hat sich gezeigt,
nämlich eine häufig vorhandene ungleiche Färbung der beiden Sterne. Nicht
selten ist der eine Stern gelb, der andre blau, bisweilen der eine grün, der
andre blau; häufig findet man einen Weißen Hauptstern und einen binnen
Begleiter. In jüngster Zeit hat mau die Vermutung ausgesprochen, daß
sich in einigen Doppelsternsystemen die Färbung je nach der Stellung deS
Begleiters in seiner Bahn ändere. Es drängt sich die Frage auf, wie sich
unter diesen Verhältnissen die Beleuchtung eines Planeten, der diese Doppel-
sonnen umkreist, gestalten muß? Muß ein solcher Planet nicht sehr farbige
und sehr ungleich farbige Tage haben, wenn seine beiden Sonnen etwa rot
und grün sind? Nehmen wir an, unsre Sonne sei purpurrot und stehe hoch
am Himmel. Nun ist die ganze Natur von diesem farbigen Lichte Übergossen;
aber°statt des blauen Himmels sehen wir ein schwarzes Firmament, und eben
so schwarz erscheint der Pflanzenteppich. Jetzt erhebt sich über dein Horizont
eine zweite Sonne, nehmen wir an von goldgelber Farbe. Sofort verwandelt
sich der Anblick der ganzen Umgebung, neue Farben und Schattirungen ent¬
stehen, wer vermag sie zu schildern! Wie wir Menschen uns auf einen schönen
Sonnentag freuen, so können vielleicht die Bewohner der Planeten jener
Doppelsterne den Aufgang ihrer blauen oder goldgelben Sonne erwarten, um
eine Landpartie zu machen!

Man darf schließen, daß mit zunehmender optischer Kraft der Ferngläser
auch die Zahl der sehr engen Doppelsterne zunehmen wird. Aber die Leistungs-


haben. Im ganzen weisen seine Kataloge 846 Doppelsterne ans. Herschel ging
zunächst von der Ansicht aus, daß die beiden zusammengehörigen Sterne nnr
scheinbar nahe bei einander, in Wirklichkeit aber in nahezu gleicher Richtung
weit hinter einander stünden, und er beabsichtigte bei der Verschiebung dieser
beiden Sterne zufolge des Umgangs der Erde um die Sonne ihre Entfernung
zu berechnen. Dies ist ihm nun allerdings nicht gelungen, wohl aber konnte
er eine Eigenbewegung der Doppelsterne und zu Anfang dieses Jahrhunderts
bei Beobachtung des Doppelsternes ? im Herkules die Thatsache feststellen,
das; ein Fixstern durch den andern bedeckt wurde.

Erst mit dem Gebrauche Fraunhvferschcr achromatischer Refraktoren, das
heißt von großen, mit farbfreien Glaslinsen versehenen Fernrohren gelang es,
neue Erfolge auf dein Gebiete der Beobachtung von Doppelsternen zu erzielen.
Struve entdeckte und beobachtete in den Jahren 1824 bis 1836 mit seinein
großen Dorpater Refraktor nicht weniger als 2641 Doppelsterne von weniger
als 32 Bogensekunden Entfernung. In etwa derselben Zeit durchforschte der
jüngere Herschel von Kap der guten Hoffnung aus deu südlichen Sternhimmel
und fand 2100 neue Doppelsterne. Ihnen folgten der jüngere Struve und
Bnrnham, von denen der letztere mit einem kleineren und später mit dem großen
Refraktor zu Chicago 1000 neue Doppelsterne fand.

Noch eine besondre Merkwürdigkeit der Doppelsterne hat sich gezeigt,
nämlich eine häufig vorhandene ungleiche Färbung der beiden Sterne. Nicht
selten ist der eine Stern gelb, der andre blau, bisweilen der eine grün, der
andre blau; häufig findet man einen Weißen Hauptstern und einen binnen
Begleiter. In jüngster Zeit hat mau die Vermutung ausgesprochen, daß
sich in einigen Doppelsternsystemen die Färbung je nach der Stellung deS
Begleiters in seiner Bahn ändere. Es drängt sich die Frage auf, wie sich
unter diesen Verhältnissen die Beleuchtung eines Planeten, der diese Doppel-
sonnen umkreist, gestalten muß? Muß ein solcher Planet nicht sehr farbige
und sehr ungleich farbige Tage haben, wenn seine beiden Sonnen etwa rot
und grün sind? Nehmen wir an, unsre Sonne sei purpurrot und stehe hoch
am Himmel. Nun ist die ganze Natur von diesem farbigen Lichte Übergossen;
aber°statt des blauen Himmels sehen wir ein schwarzes Firmament, und eben
so schwarz erscheint der Pflanzenteppich. Jetzt erhebt sich über dein Horizont
eine zweite Sonne, nehmen wir an von goldgelber Farbe. Sofort verwandelt
sich der Anblick der ganzen Umgebung, neue Farben und Schattirungen ent¬
stehen, wer vermag sie zu schildern! Wie wir Menschen uns auf einen schönen
Sonnentag freuen, so können vielleicht die Bewohner der Planeten jener
Doppelsterne den Aufgang ihrer blauen oder goldgelben Sonne erwarten, um
eine Landpartie zu machen!

Man darf schließen, daß mit zunehmender optischer Kraft der Ferngläser
auch die Zahl der sehr engen Doppelsterne zunehmen wird. Aber die Leistungs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_207936/183>, abgerufen am 05.06.2024.