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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Einkommen nur als der Ertrag von Geldkapital möglich erscheint), und zwar
umso mehr, als jetzt mit dem überall vortretenden Tauschwert ein gleichnamiger
Maßstab gegeben ist, um das Verhältnis jenes "Ertrages" zum Vermögen
auszudrücken." Bekanntlich drückt man es nicht als Bruch ans: als ein
Zwanzigstel etwa, sondern mau sagt fünf vom Hundert. Ganz ebenso druckt
der Grundbesitzer den Zinsenbetrag seines Betriebskapitals aus. Und zwar
richtet sich der Zinsfuß des ländlichen Betriebskapitals nach dein des gewerb¬
lichen. Endlich wird auch die Grundrente, die nicht mit den Zinsen des land¬
wirtschaftlichen Betriebskapitals verwechselt werden darf, in Prozenten ausge¬
drückt. Aber während in der Fabrikation die Zinsen nach dem Kapital berechnet
werden, indem man nachsieht, den wievielten Teil von diesem sie ausmachen,
wird umgekehrt der Tauschwert des landwirtschaftlichen Urkapitals, des ur¬
sprünglich kostenlosen Bodens, erst aus der Grundrente gefunden, indem man
deren Betrag für einen Morgen je nach dem landesüblichen Zinsfuß mit 20
oder 25 oder 33',^ multiplizirt. Der Beweis dafür, daß nicht etwa bloß,
wie Rieardo meint, auf dem bessern Boden, sondern unter allen Umständen
Grundrente übrig bleibt, bildet den am schwersten verständlichen, am meisten
angefochtenen und wohl auch anfechtbarsten Teil des dritten Briefes an Kirch-
mann. Der Beweis stützt sich vorzugsweise auf deu Umstand, daß der Grund¬
besitzer nicht, wie der Fabrikant, Geld ans Rohstoffe auszulegen braucht.
Anstatt darauf einzugehen, wollen wir lieber einen einzelnen Fall anführen,
wo über deu Kapitalzins hinaus Rente übrigbleibt, einen Fall, den Rvdbertus
aus der Geschichte seiner eignen Gutswirtschaft zu einem andern Zweck erzählt.
Die Kosten der Drainirung eines Teiles seiner Feldmark wurden vollständig durch
den Erwerb von 120 Morgen neuen Ackers gedeckt, die er durch Zuschüttung
der Gräben des alten Entwässerungssystems gewann. Er hatte also die
Drainirung der schon vorhandnen 880 Morgen umsonst, und der Mehrertrag,
den sie seitdem abwarfen, verursachte ihm keinen Pfennig Betriebskosten. Hier
haben wir also ein Einkommen, das offenbar nicht als Kapitalzins angesehen
werden kann, sondern dem Besitzer des Grundstücks lediglich darum zufällt,
weil er Besitzer ist.

Rvdbertus bestreitet natürlich dem Besitzer nicht den Anspruch auf Ent¬
schädigung seiner persönlichen Leistungen als Mitarbeiter oder Leiter seiner
Wirtschaft. Daß aber die Rente etwas andres ist als diese Entschädigung,
sieht man deutlich bei der Pacht- und bei der Kapitalanlage in deu Unter¬
nehmungen andrer. Denken wir uns, daß die Ahnen eines Gutsherrn ihr Gut
vor Jahrhunderten verpachtet hätten, so würde die Familie Geschlecht für
Geschlecht die stetig steigende Rente bezogen haben ohne andre Mühewaltung,
als daß das Fcuuilienhnupt von Zeit zu Zeit einen neuen Pachtkvntrakt unter¬
schrieben Hütte. Dem Hausbesitzer in der Großstadt fällt lediglich durch die
fortwährende Steigerung des Grnndstückwertes alljährlich eine Rentenzulage


Einkommen nur als der Ertrag von Geldkapital möglich erscheint), und zwar
umso mehr, als jetzt mit dem überall vortretenden Tauschwert ein gleichnamiger
Maßstab gegeben ist, um das Verhältnis jenes »Ertrages« zum Vermögen
auszudrücken." Bekanntlich drückt man es nicht als Bruch ans: als ein
Zwanzigstel etwa, sondern mau sagt fünf vom Hundert. Ganz ebenso druckt
der Grundbesitzer den Zinsenbetrag seines Betriebskapitals aus. Und zwar
richtet sich der Zinsfuß des ländlichen Betriebskapitals nach dein des gewerb¬
lichen. Endlich wird auch die Grundrente, die nicht mit den Zinsen des land¬
wirtschaftlichen Betriebskapitals verwechselt werden darf, in Prozenten ausge¬
drückt. Aber während in der Fabrikation die Zinsen nach dem Kapital berechnet
werden, indem man nachsieht, den wievielten Teil von diesem sie ausmachen,
wird umgekehrt der Tauschwert des landwirtschaftlichen Urkapitals, des ur¬
sprünglich kostenlosen Bodens, erst aus der Grundrente gefunden, indem man
deren Betrag für einen Morgen je nach dem landesüblichen Zinsfuß mit 20
oder 25 oder 33',^ multiplizirt. Der Beweis dafür, daß nicht etwa bloß,
wie Rieardo meint, auf dem bessern Boden, sondern unter allen Umständen
Grundrente übrig bleibt, bildet den am schwersten verständlichen, am meisten
angefochtenen und wohl auch anfechtbarsten Teil des dritten Briefes an Kirch-
mann. Der Beweis stützt sich vorzugsweise auf deu Umstand, daß der Grund¬
besitzer nicht, wie der Fabrikant, Geld ans Rohstoffe auszulegen braucht.
Anstatt darauf einzugehen, wollen wir lieber einen einzelnen Fall anführen,
wo über deu Kapitalzins hinaus Rente übrigbleibt, einen Fall, den Rvdbertus
aus der Geschichte seiner eignen Gutswirtschaft zu einem andern Zweck erzählt.
Die Kosten der Drainirung eines Teiles seiner Feldmark wurden vollständig durch
den Erwerb von 120 Morgen neuen Ackers gedeckt, die er durch Zuschüttung
der Gräben des alten Entwässerungssystems gewann. Er hatte also die
Drainirung der schon vorhandnen 880 Morgen umsonst, und der Mehrertrag,
den sie seitdem abwarfen, verursachte ihm keinen Pfennig Betriebskosten. Hier
haben wir also ein Einkommen, das offenbar nicht als Kapitalzins angesehen
werden kann, sondern dem Besitzer des Grundstücks lediglich darum zufällt,
weil er Besitzer ist.

Rvdbertus bestreitet natürlich dem Besitzer nicht den Anspruch auf Ent¬
schädigung seiner persönlichen Leistungen als Mitarbeiter oder Leiter seiner
Wirtschaft. Daß aber die Rente etwas andres ist als diese Entschädigung,
sieht man deutlich bei der Pacht- und bei der Kapitalanlage in deu Unter¬
nehmungen andrer. Denken wir uns, daß die Ahnen eines Gutsherrn ihr Gut
vor Jahrhunderten verpachtet hätten, so würde die Familie Geschlecht für
Geschlecht die stetig steigende Rente bezogen haben ohne andre Mühewaltung,
als daß das Fcuuilienhnupt von Zeit zu Zeit einen neuen Pachtkvntrakt unter¬
schrieben Hütte. Dem Hausbesitzer in der Großstadt fällt lediglich durch die
fortwährende Steigerung des Grnndstückwertes alljährlich eine Rentenzulage


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[0271] Einkommen nur als der Ertrag von Geldkapital möglich erscheint), und zwar umso mehr, als jetzt mit dem überall vortretenden Tauschwert ein gleichnamiger Maßstab gegeben ist, um das Verhältnis jenes »Ertrages« zum Vermögen auszudrücken." Bekanntlich drückt man es nicht als Bruch ans: als ein Zwanzigstel etwa, sondern mau sagt fünf vom Hundert. Ganz ebenso druckt der Grundbesitzer den Zinsenbetrag seines Betriebskapitals aus. Und zwar richtet sich der Zinsfuß des ländlichen Betriebskapitals nach dein des gewerb¬ lichen. Endlich wird auch die Grundrente, die nicht mit den Zinsen des land¬ wirtschaftlichen Betriebskapitals verwechselt werden darf, in Prozenten ausge¬ drückt. Aber während in der Fabrikation die Zinsen nach dem Kapital berechnet werden, indem man nachsieht, den wievielten Teil von diesem sie ausmachen, wird umgekehrt der Tauschwert des landwirtschaftlichen Urkapitals, des ur¬ sprünglich kostenlosen Bodens, erst aus der Grundrente gefunden, indem man deren Betrag für einen Morgen je nach dem landesüblichen Zinsfuß mit 20 oder 25 oder 33',^ multiplizirt. Der Beweis dafür, daß nicht etwa bloß, wie Rieardo meint, auf dem bessern Boden, sondern unter allen Umständen Grundrente übrig bleibt, bildet den am schwersten verständlichen, am meisten angefochtenen und wohl auch anfechtbarsten Teil des dritten Briefes an Kirch- mann. Der Beweis stützt sich vorzugsweise auf deu Umstand, daß der Grund¬ besitzer nicht, wie der Fabrikant, Geld ans Rohstoffe auszulegen braucht. Anstatt darauf einzugehen, wollen wir lieber einen einzelnen Fall anführen, wo über deu Kapitalzins hinaus Rente übrigbleibt, einen Fall, den Rvdbertus aus der Geschichte seiner eignen Gutswirtschaft zu einem andern Zweck erzählt. Die Kosten der Drainirung eines Teiles seiner Feldmark wurden vollständig durch den Erwerb von 120 Morgen neuen Ackers gedeckt, die er durch Zuschüttung der Gräben des alten Entwässerungssystems gewann. Er hatte also die Drainirung der schon vorhandnen 880 Morgen umsonst, und der Mehrertrag, den sie seitdem abwarfen, verursachte ihm keinen Pfennig Betriebskosten. Hier haben wir also ein Einkommen, das offenbar nicht als Kapitalzins angesehen werden kann, sondern dem Besitzer des Grundstücks lediglich darum zufällt, weil er Besitzer ist. Rvdbertus bestreitet natürlich dem Besitzer nicht den Anspruch auf Ent¬ schädigung seiner persönlichen Leistungen als Mitarbeiter oder Leiter seiner Wirtschaft. Daß aber die Rente etwas andres ist als diese Entschädigung, sieht man deutlich bei der Pacht- und bei der Kapitalanlage in deu Unter¬ nehmungen andrer. Denken wir uns, daß die Ahnen eines Gutsherrn ihr Gut vor Jahrhunderten verpachtet hätten, so würde die Familie Geschlecht für Geschlecht die stetig steigende Rente bezogen haben ohne andre Mühewaltung, als daß das Fcuuilienhnupt von Zeit zu Zeit einen neuen Pachtkvntrakt unter¬ schrieben Hütte. Dem Hausbesitzer in der Großstadt fällt lediglich durch die fortwährende Steigerung des Grnndstückwertes alljährlich eine Rentenzulage

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/271>, abgerufen am 16.06.2024.