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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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der Mitwirkenden der Ordnung nicht gerade förderlich zu sein -- jene be-
wunderungswürdige Ordnung herstellen, die zu erkennen für den begabtesten
der Menschen höchste Ehre ist, die nachschaffen zu können aber nur Narren
sich einbilden könnte".

Und so endet denn das Unternehmen, den Zweck aus der Welt zu be¬
seitigen und die bewirkende Ursache allein stehen zu lassen, mit der alten christ¬
lichen und aristotelischen, aber sich schon in allen vorphilosophische" Götter¬
sagen verratenden Erkenntnis, daß eine erste Ursache nur als zmecksetzende, ein
zwcclsetzendes Wesen aber nnr als bewußte Persönlichkeit gedacht werden kaun.
Ein Naturforscher nach dein andern stellt sich mit dem bescheidenen Bekenntnis
ein, daß die erste Ursache in einer dein menschlichen Wissen unzugänglichen
Tiefe waltet, daß der Gelehrte sich damit begnügen müsse, die Verkettung der
zweiten Ursachen, wie die Scholastiker das nannten, besser aufzudecken, und
daß nur entweder auf die Befriedigung des Kausalitätstriebes verzichten oder
an Gott glauben müssen. Denn das Aufdecken jener Verkettung verschiedner
Erscheinungsreihen befriedigt auch uicht einmal teilweise jenen Trieb, den die
moderne Wissenschaft als den höchsten und edelsten preist. Wir sehen z. B.
wohl, daß mit einem organischen Keime von bestimmter Art der Anstoß zu
einer Reihe ganz bestimmter Bildungen gegeben ist, aber wie es zugeht, daß
immer eine dieser Bildungen auf die andre folgt, und daß sich jedesmal gerade
diese und keine andre an die vorhergehende anschließt, davon haben wir keine
Ahnung. Zwar beobachten die Erscheinungen jedes Gebietes in ihrer zeit¬
lichen Aufeinanderfolge so beharrlich dieselbe Ordnung, daß nur aus einem
gegenwärtigen L mit völliger Sicherheit auf ein vorhergegangenes ^. schließen,
und aus dem gegenwärtigen ^ ohne Furcht, durch die Ereignisse widerlegt zu
werden, den Eintritt des U vorhersagen können; allein die Empfindung, daß
^. der zureichende Grund von U sei, haben wir niemals. Vollends, wo Reihen
seelischer Erscheinungen sich mit Reihen von organischen Veränderungen ver¬
schlingen, kaun von Ursächlichkeit keine Rede mehr sein. Wir beobachten zwar
die immer wiederkehrende Gleichzeitigkeit gewisser seelischer und Nerveuvvrgänge,
aber daß die einen durch die andern verursacht sein sollten, erscheint uns nicht
allein unbegreiflich, sondern bei der Unvergleichbarkeit beider geradezu wider¬
sinnig. Nur einen Gedanken giebt es in der ganzen Welt, der unsern Kau¬
salitätstrieb zu befriedigen vermag, das ist der eines allweisen und allmächtigen
Gottes; und jemehr zweckmäßig geordnete Erscheinnngsreihen die Natur-
forschung aufdeckt, desto gebieterischer fordert jeuer Trieb durch diesen Gedanken
befriedigt zu werde". Gott vom Throne zu stoßen, sind die modernen Titanen
ausgezogen, ""d diesen Thron in den Herzen aller denkenden Menschen für
alle Zeiten unerschütterlich befestigt zu habe", ist das Endergebnis ihrer ge¬
waltigen Anstrengungen. Habe" wir aber diese" allein zureichenden Erklärungs-
grund gewonnen, da"n brauchen wir auch uicht mel>r mit Hartenau" und


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der Mitwirkenden der Ordnung nicht gerade förderlich zu sein — jene be-
wunderungswürdige Ordnung herstellen, die zu erkennen für den begabtesten
der Menschen höchste Ehre ist, die nachschaffen zu können aber nur Narren
sich einbilden könnte».

Und so endet denn das Unternehmen, den Zweck aus der Welt zu be¬
seitigen und die bewirkende Ursache allein stehen zu lassen, mit der alten christ¬
lichen und aristotelischen, aber sich schon in allen vorphilosophische» Götter¬
sagen verratenden Erkenntnis, daß eine erste Ursache nur als zmecksetzende, ein
zwcclsetzendes Wesen aber nnr als bewußte Persönlichkeit gedacht werden kaun.
Ein Naturforscher nach dein andern stellt sich mit dem bescheidenen Bekenntnis
ein, daß die erste Ursache in einer dein menschlichen Wissen unzugänglichen
Tiefe waltet, daß der Gelehrte sich damit begnügen müsse, die Verkettung der
zweiten Ursachen, wie die Scholastiker das nannten, besser aufzudecken, und
daß nur entweder auf die Befriedigung des Kausalitätstriebes verzichten oder
an Gott glauben müssen. Denn das Aufdecken jener Verkettung verschiedner
Erscheinungsreihen befriedigt auch uicht einmal teilweise jenen Trieb, den die
moderne Wissenschaft als den höchsten und edelsten preist. Wir sehen z. B.
wohl, daß mit einem organischen Keime von bestimmter Art der Anstoß zu
einer Reihe ganz bestimmter Bildungen gegeben ist, aber wie es zugeht, daß
immer eine dieser Bildungen auf die andre folgt, und daß sich jedesmal gerade
diese und keine andre an die vorhergehende anschließt, davon haben wir keine
Ahnung. Zwar beobachten die Erscheinungen jedes Gebietes in ihrer zeit¬
lichen Aufeinanderfolge so beharrlich dieselbe Ordnung, daß nur aus einem
gegenwärtigen L mit völliger Sicherheit auf ein vorhergegangenes ^. schließen,
und aus dem gegenwärtigen ^ ohne Furcht, durch die Ereignisse widerlegt zu
werden, den Eintritt des U vorhersagen können; allein die Empfindung, daß
^. der zureichende Grund von U sei, haben wir niemals. Vollends, wo Reihen
seelischer Erscheinungen sich mit Reihen von organischen Veränderungen ver¬
schlingen, kaun von Ursächlichkeit keine Rede mehr sein. Wir beobachten zwar
die immer wiederkehrende Gleichzeitigkeit gewisser seelischer und Nerveuvvrgänge,
aber daß die einen durch die andern verursacht sein sollten, erscheint uns nicht
allein unbegreiflich, sondern bei der Unvergleichbarkeit beider geradezu wider¬
sinnig. Nur einen Gedanken giebt es in der ganzen Welt, der unsern Kau¬
salitätstrieb zu befriedigen vermag, das ist der eines allweisen und allmächtigen
Gottes; und jemehr zweckmäßig geordnete Erscheinnngsreihen die Natur-
forschung aufdeckt, desto gebieterischer fordert jeuer Trieb durch diesen Gedanken
befriedigt zu werde». Gott vom Throne zu stoßen, sind die modernen Titanen
ausgezogen, »»d diesen Thron in den Herzen aller denkenden Menschen für
alle Zeiten unerschütterlich befestigt zu habe», ist das Endergebnis ihrer ge¬
waltigen Anstrengungen. Habe» wir aber diese» allein zureichenden Erklärungs-
grund gewonnen, da»n brauchen wir auch uicht mel>r mit Hartenau» und


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[0472] oil? Zecke des Ambos der Mitwirkenden der Ordnung nicht gerade förderlich zu sein — jene be- wunderungswürdige Ordnung herstellen, die zu erkennen für den begabtesten der Menschen höchste Ehre ist, die nachschaffen zu können aber nur Narren sich einbilden könnte». Und so endet denn das Unternehmen, den Zweck aus der Welt zu be¬ seitigen und die bewirkende Ursache allein stehen zu lassen, mit der alten christ¬ lichen und aristotelischen, aber sich schon in allen vorphilosophische» Götter¬ sagen verratenden Erkenntnis, daß eine erste Ursache nur als zmecksetzende, ein zwcclsetzendes Wesen aber nnr als bewußte Persönlichkeit gedacht werden kaun. Ein Naturforscher nach dein andern stellt sich mit dem bescheidenen Bekenntnis ein, daß die erste Ursache in einer dein menschlichen Wissen unzugänglichen Tiefe waltet, daß der Gelehrte sich damit begnügen müsse, die Verkettung der zweiten Ursachen, wie die Scholastiker das nannten, besser aufzudecken, und daß nur entweder auf die Befriedigung des Kausalitätstriebes verzichten oder an Gott glauben müssen. Denn das Aufdecken jener Verkettung verschiedner Erscheinungsreihen befriedigt auch uicht einmal teilweise jenen Trieb, den die moderne Wissenschaft als den höchsten und edelsten preist. Wir sehen z. B. wohl, daß mit einem organischen Keime von bestimmter Art der Anstoß zu einer Reihe ganz bestimmter Bildungen gegeben ist, aber wie es zugeht, daß immer eine dieser Bildungen auf die andre folgt, und daß sich jedesmal gerade diese und keine andre an die vorhergehende anschließt, davon haben wir keine Ahnung. Zwar beobachten die Erscheinungen jedes Gebietes in ihrer zeit¬ lichen Aufeinanderfolge so beharrlich dieselbe Ordnung, daß nur aus einem gegenwärtigen L mit völliger Sicherheit auf ein vorhergegangenes ^. schließen, und aus dem gegenwärtigen ^ ohne Furcht, durch die Ereignisse widerlegt zu werden, den Eintritt des U vorhersagen können; allein die Empfindung, daß ^. der zureichende Grund von U sei, haben wir niemals. Vollends, wo Reihen seelischer Erscheinungen sich mit Reihen von organischen Veränderungen ver¬ schlingen, kaun von Ursächlichkeit keine Rede mehr sein. Wir beobachten zwar die immer wiederkehrende Gleichzeitigkeit gewisser seelischer und Nerveuvvrgänge, aber daß die einen durch die andern verursacht sein sollten, erscheint uns nicht allein unbegreiflich, sondern bei der Unvergleichbarkeit beider geradezu wider¬ sinnig. Nur einen Gedanken giebt es in der ganzen Welt, der unsern Kau¬ salitätstrieb zu befriedigen vermag, das ist der eines allweisen und allmächtigen Gottes; und jemehr zweckmäßig geordnete Erscheinnngsreihen die Natur- forschung aufdeckt, desto gebieterischer fordert jeuer Trieb durch diesen Gedanken befriedigt zu werde». Gott vom Throne zu stoßen, sind die modernen Titanen ausgezogen, »»d diesen Thron in den Herzen aller denkenden Menschen für alle Zeiten unerschütterlich befestigt zu habe», ist das Endergebnis ihrer ge¬ waltigen Anstrengungen. Habe» wir aber diese» allein zureichenden Erklärungs- grund gewonnen, da»n brauchen wir auch uicht mel>r mit Hartenau» und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/472>, abgerufen am 23.05.2024.