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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr.

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Der Rcimpf mit geistigen Waffen gegen die Sozialdemokratie

die Wichtigkeit der Erhaltung von Vaterlandsliebe und Religiosität in den
jugendlichen Gemütern hingewiesen, dann auf die Vorbildung der Lehrer, die
nicht nur die rein äußerliche Fertigkeit in Betracht zu ziehen hätte. Der
Geist, der die ganze Schule durchdringt, also die Erziehung, ist die Hauptsache;
die pommersche Provinzialsynode beschloß: "Nicht durch Vermehrung der Unter¬
richtsgegenstände und nicht durch Vervollkommnung der Methode allein,
sondern vornehmlich durch die Wirkung des Geistes, der vom Lehrer ausgeht,
kann die Schule ihre Aufgabe losen, nicht nur die Liebe zur Sache und zum
Fach, sondern die Liebe zu den Seelen der Jugend muß in der Schule
regieren." Wenn jetzt nach einer kaiserlichen Kabinetsordre an das preußische
Staatsministerium auch der Unterricht "in den elementaren Grundsätzen der
Volkswirtschaft" oder "über die Verderblichkeit der Sozialdemokratie" eingeführt
werden soll, so müßte man die Augen absichtlich verschließen, wenn man nicht
zugeben wollte, daß eine solche Neuerung nicht ohne Bedenken ist. Auch auf
dem Gebiete des Schulwesens sind gute und schlechte, aufbauende und zer¬
störende Kräfte in beständigem Ringen um die Herrschaft begriffen. Ein wunder
Punkt ist die chaotische Verschiedenheit der Meinungen je nach der verschiednen
Weltanschauung über Methode und Ziel des Unterrichts und die Einrichtung
der Schulen, wie sie in der hochangeschwollenen pädagogischen Reformlitteratur
hervortritt. Der Hauptpunkt aber ist vielleicht die in dem höhern und in dem
niedern Lehrerstande weitverbreitete Unzufriedenheit in Beziehung auf Stellung
und Geltung; "weder Besoldung noch soziale Stellung entsprechen vielfach dem
Bildungsstande der heutigen Lehrerschaft" sind z. B. die Schlußworte selbst
eines in streng kirchlich-konservativem Sinne gehaltenen Vortrciges über "die
Schule und die soziale Frage" auf der Generalversammlung des evangelischen
Lehrerbundes in Erfurt. stutzig könnte man besonders über den Beifall werden,
den das "Berliner Volksblatt" dem neuen Erlasse zollt; "wenn wir Minister
wären, schreibt das Blatt, würden wir dies auch anordnen. Nationalökonomie
ist heutzutage die Wissenschaft der Wissenschaften. Und den Lehrern der
Jugend darf sie nicht fremd sein. . . . Wir versprechen uns von dem Erlaß
die günstigsten Resultate." Trotzdem glauben wir, daß das Vertrauen, das
die Ordre auf'die deutschen Lehrer setzt, nicht getäuscht werden wird; die
Sozialdemokratie wird bei einem Stande, der die Ungleichheit der Menschen
täglich vor Augen hat, fortwährend mit dem gesunden Menschenverstande
operiren muß, die natürliche Ungebundenheit und Freiheit zu Zucht und
Ordnung bringt, keine großen Erfolge in der Proselytenmacherei erzielen. Die
Hoffnung ist also nicht unbegründet, daß die Erwartungen, die in dem Erlaß
ausgesprochen werden, in Erfüllung gehen werden.

Große Rührigkeit haben in dem Kampfe mit geistigen Waffen die Organe
der Kirche entwickelt, besonders infolge der sozialdemokratischen Wühlerei für
den Eintritt in die freien Gemeinden und ein offenes Bekenntnis des Atheismus.


Der Rcimpf mit geistigen Waffen gegen die Sozialdemokratie

die Wichtigkeit der Erhaltung von Vaterlandsliebe und Religiosität in den
jugendlichen Gemütern hingewiesen, dann auf die Vorbildung der Lehrer, die
nicht nur die rein äußerliche Fertigkeit in Betracht zu ziehen hätte. Der
Geist, der die ganze Schule durchdringt, also die Erziehung, ist die Hauptsache;
die pommersche Provinzialsynode beschloß: „Nicht durch Vermehrung der Unter¬
richtsgegenstände und nicht durch Vervollkommnung der Methode allein,
sondern vornehmlich durch die Wirkung des Geistes, der vom Lehrer ausgeht,
kann die Schule ihre Aufgabe losen, nicht nur die Liebe zur Sache und zum
Fach, sondern die Liebe zu den Seelen der Jugend muß in der Schule
regieren." Wenn jetzt nach einer kaiserlichen Kabinetsordre an das preußische
Staatsministerium auch der Unterricht „in den elementaren Grundsätzen der
Volkswirtschaft" oder „über die Verderblichkeit der Sozialdemokratie" eingeführt
werden soll, so müßte man die Augen absichtlich verschließen, wenn man nicht
zugeben wollte, daß eine solche Neuerung nicht ohne Bedenken ist. Auch auf
dem Gebiete des Schulwesens sind gute und schlechte, aufbauende und zer¬
störende Kräfte in beständigem Ringen um die Herrschaft begriffen. Ein wunder
Punkt ist die chaotische Verschiedenheit der Meinungen je nach der verschiednen
Weltanschauung über Methode und Ziel des Unterrichts und die Einrichtung
der Schulen, wie sie in der hochangeschwollenen pädagogischen Reformlitteratur
hervortritt. Der Hauptpunkt aber ist vielleicht die in dem höhern und in dem
niedern Lehrerstande weitverbreitete Unzufriedenheit in Beziehung auf Stellung
und Geltung; „weder Besoldung noch soziale Stellung entsprechen vielfach dem
Bildungsstande der heutigen Lehrerschaft" sind z. B. die Schlußworte selbst
eines in streng kirchlich-konservativem Sinne gehaltenen Vortrciges über „die
Schule und die soziale Frage" auf der Generalversammlung des evangelischen
Lehrerbundes in Erfurt. stutzig könnte man besonders über den Beifall werden,
den das „Berliner Volksblatt" dem neuen Erlasse zollt; „wenn wir Minister
wären, schreibt das Blatt, würden wir dies auch anordnen. Nationalökonomie
ist heutzutage die Wissenschaft der Wissenschaften. Und den Lehrern der
Jugend darf sie nicht fremd sein. . . . Wir versprechen uns von dem Erlaß
die günstigsten Resultate." Trotzdem glauben wir, daß das Vertrauen, das
die Ordre auf'die deutschen Lehrer setzt, nicht getäuscht werden wird; die
Sozialdemokratie wird bei einem Stande, der die Ungleichheit der Menschen
täglich vor Augen hat, fortwährend mit dem gesunden Menschenverstande
operiren muß, die natürliche Ungebundenheit und Freiheit zu Zucht und
Ordnung bringt, keine großen Erfolge in der Proselytenmacherei erzielen. Die
Hoffnung ist also nicht unbegründet, daß die Erwartungen, die in dem Erlaß
ausgesprochen werden, in Erfüllung gehen werden.

Große Rührigkeit haben in dem Kampfe mit geistigen Waffen die Organe
der Kirche entwickelt, besonders infolge der sozialdemokratischen Wühlerei für
den Eintritt in die freien Gemeinden und ein offenes Bekenntnis des Atheismus.


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[0510] Der Rcimpf mit geistigen Waffen gegen die Sozialdemokratie die Wichtigkeit der Erhaltung von Vaterlandsliebe und Religiosität in den jugendlichen Gemütern hingewiesen, dann auf die Vorbildung der Lehrer, die nicht nur die rein äußerliche Fertigkeit in Betracht zu ziehen hätte. Der Geist, der die ganze Schule durchdringt, also die Erziehung, ist die Hauptsache; die pommersche Provinzialsynode beschloß: „Nicht durch Vermehrung der Unter¬ richtsgegenstände und nicht durch Vervollkommnung der Methode allein, sondern vornehmlich durch die Wirkung des Geistes, der vom Lehrer ausgeht, kann die Schule ihre Aufgabe losen, nicht nur die Liebe zur Sache und zum Fach, sondern die Liebe zu den Seelen der Jugend muß in der Schule regieren." Wenn jetzt nach einer kaiserlichen Kabinetsordre an das preußische Staatsministerium auch der Unterricht „in den elementaren Grundsätzen der Volkswirtschaft" oder „über die Verderblichkeit der Sozialdemokratie" eingeführt werden soll, so müßte man die Augen absichtlich verschließen, wenn man nicht zugeben wollte, daß eine solche Neuerung nicht ohne Bedenken ist. Auch auf dem Gebiete des Schulwesens sind gute und schlechte, aufbauende und zer¬ störende Kräfte in beständigem Ringen um die Herrschaft begriffen. Ein wunder Punkt ist die chaotische Verschiedenheit der Meinungen je nach der verschiednen Weltanschauung über Methode und Ziel des Unterrichts und die Einrichtung der Schulen, wie sie in der hochangeschwollenen pädagogischen Reformlitteratur hervortritt. Der Hauptpunkt aber ist vielleicht die in dem höhern und in dem niedern Lehrerstande weitverbreitete Unzufriedenheit in Beziehung auf Stellung und Geltung; „weder Besoldung noch soziale Stellung entsprechen vielfach dem Bildungsstande der heutigen Lehrerschaft" sind z. B. die Schlußworte selbst eines in streng kirchlich-konservativem Sinne gehaltenen Vortrciges über „die Schule und die soziale Frage" auf der Generalversammlung des evangelischen Lehrerbundes in Erfurt. stutzig könnte man besonders über den Beifall werden, den das „Berliner Volksblatt" dem neuen Erlasse zollt; „wenn wir Minister wären, schreibt das Blatt, würden wir dies auch anordnen. Nationalökonomie ist heutzutage die Wissenschaft der Wissenschaften. Und den Lehrern der Jugend darf sie nicht fremd sein. . . . Wir versprechen uns von dem Erlaß die günstigsten Resultate." Trotzdem glauben wir, daß das Vertrauen, das die Ordre auf'die deutschen Lehrer setzt, nicht getäuscht werden wird; die Sozialdemokratie wird bei einem Stande, der die Ungleichheit der Menschen täglich vor Augen hat, fortwährend mit dem gesunden Menschenverstande operiren muß, die natürliche Ungebundenheit und Freiheit zu Zucht und Ordnung bringt, keine großen Erfolge in der Proselytenmacherei erzielen. Die Hoffnung ist also nicht unbegründet, daß die Erwartungen, die in dem Erlaß ausgesprochen werden, in Erfüllung gehen werden. Große Rührigkeit haben in dem Kampfe mit geistigen Waffen die Organe der Kirche entwickelt, besonders infolge der sozialdemokratischen Wühlerei für den Eintritt in die freien Gemeinden und ein offenes Bekenntnis des Atheismus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_208578/510>, abgerufen am 23.05.2024.