Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Lochai,' Bucher

dabei bleiben." Die Entlassung des Kanzlers war für ihn der härteste Schlag.
Von dein, was hierüber in Schorers Familieublatt behauptet wird, ist 'gerade
das Gegenteil wahr. Bücher stand bei dieser Katastrophe ganz auf Seiten des
Fürsten Bismarck und war weit entfernt, ihm irgend welche Schuld beizu-
messen. Ebenso unwahr ist aber auch die Behauptung verschiedner Blätter,
daß er später von Friedrichsruh ans Aufsätze und Broschüren gegen den
"neuen Kurs" verfaßt habe; in deu Jahren seines Ruhestandes hat er keine
Zeile mehr für irgend ein Blatt geschrieben. Ich habe auch Grund, einzu-
nehmen, daß er eher zum Frieden geraten als den Zwiespalt weiter geschürt
haben würde. Wie vorsichtig er mit seinem Urteil, und wie grenzenlos sein
Vertrauen auf den Fürsten war, zeigt auch folgende Äußerung, die ich auch
schon an andrer Stelle mitgeteilt habe. Wir kamen letzten Sommer auf die
aus Wien gemeldeten Auslassungen des Fürsten zu sprechen, und Vncher
wurde gefragt, ob Fürst Bismarck, mit Rücksicht ans den unerquicklichen
Zeitungskampf, nicht doch besser geschwiegen hätte. Darauf sagte Bucher: "Ich
würde ja in diesem Falle lieber nichts gesagt haben, aber wenn der Fürst ein¬
mal so gesprochen hat, dann wird er schon Recht daran gethan haben. Ich
habe mich gewöhnt, bei ihm alles gut zu heißen, nachdem ich wiederholt hatte
einsehen müssen, daß ihm die Zukunft doch noch Recht gab, wenn ich einmal
andrer Ansicht gewesen war."

Wie der ungenannte Verfasser schreibt, soll sich Fürst Bismarck erst nach
seiner Entlassung des alten Freundes wieder erinnert haben. Auch das ist
nicht richtig, denn die Beziehungen beider Männer haben niemals aufgehört,
und wenn sich auch Bücher im Ruhestande mehr zurückhielt, so ist er doch in
dieser Zwischenzeit einmal sechs Wochen lang bei dem Fürsten gewesen. Er
ging übrigens im Frühjahr lLW nicht nach Friedrichsruh, um Abwechslung
zu haben, und weil er des eintönigen Lebens in Berlin müde war - wie mau
auch in Schorers Familieublatt lesen kaun --, sondern lediglich aus persön¬
licher Freundschaft zum Fürsten, dem er durch seine Gesellschaft über die erste
empfindliche Zeit der Geschüstslosigleit hinweghelfen wollte. Später fesselte
ihn dort anch andres, besonders eine Arbeit, die sein ganzes Interesse in
Anspruch nahm.

In der Familie des Fürsten fühlte sich Bucher am meisten zur Gräfin
Rantzan hingezogen, die auch ihrerseits dem treuen Freunde des Vaters durch
allerlei kleine Aufmerksamkeiten ihre Verehrung bewies. "Geheimrat Bucher
soll sich mit der Mehrzahl seiner Kollegen nicht gut gestanden und gegen Leute
von vornehmer Geburt einen echt demokratischen Widerwillen empfunden haben."
Wie weit diese Behauptung wahr ist, kann ich nicht entscheiden, ich weiß aber,
daß gerade einige seiner intimsten Freunde dem hohen Adel angehörten. Schon
von London her war er mit dem 18L1 verstorbnen Prinzen Friedrich von
Schleswig-Holstein, dem Grafen Nver, sehr befreundet, und er ist auf dessen


Lochai,' Bucher

dabei bleiben." Die Entlassung des Kanzlers war für ihn der härteste Schlag.
Von dein, was hierüber in Schorers Familieublatt behauptet wird, ist 'gerade
das Gegenteil wahr. Bücher stand bei dieser Katastrophe ganz auf Seiten des
Fürsten Bismarck und war weit entfernt, ihm irgend welche Schuld beizu-
messen. Ebenso unwahr ist aber auch die Behauptung verschiedner Blätter,
daß er später von Friedrichsruh ans Aufsätze und Broschüren gegen den
„neuen Kurs" verfaßt habe; in deu Jahren seines Ruhestandes hat er keine
Zeile mehr für irgend ein Blatt geschrieben. Ich habe auch Grund, einzu-
nehmen, daß er eher zum Frieden geraten als den Zwiespalt weiter geschürt
haben würde. Wie vorsichtig er mit seinem Urteil, und wie grenzenlos sein
Vertrauen auf den Fürsten war, zeigt auch folgende Äußerung, die ich auch
schon an andrer Stelle mitgeteilt habe. Wir kamen letzten Sommer auf die
aus Wien gemeldeten Auslassungen des Fürsten zu sprechen, und Vncher
wurde gefragt, ob Fürst Bismarck, mit Rücksicht ans den unerquicklichen
Zeitungskampf, nicht doch besser geschwiegen hätte. Darauf sagte Bucher: „Ich
würde ja in diesem Falle lieber nichts gesagt haben, aber wenn der Fürst ein¬
mal so gesprochen hat, dann wird er schon Recht daran gethan haben. Ich
habe mich gewöhnt, bei ihm alles gut zu heißen, nachdem ich wiederholt hatte
einsehen müssen, daß ihm die Zukunft doch noch Recht gab, wenn ich einmal
andrer Ansicht gewesen war."

Wie der ungenannte Verfasser schreibt, soll sich Fürst Bismarck erst nach
seiner Entlassung des alten Freundes wieder erinnert haben. Auch das ist
nicht richtig, denn die Beziehungen beider Männer haben niemals aufgehört,
und wenn sich auch Bücher im Ruhestande mehr zurückhielt, so ist er doch in
dieser Zwischenzeit einmal sechs Wochen lang bei dem Fürsten gewesen. Er
ging übrigens im Frühjahr lLW nicht nach Friedrichsruh, um Abwechslung
zu haben, und weil er des eintönigen Lebens in Berlin müde war - wie mau
auch in Schorers Familieublatt lesen kaun —, sondern lediglich aus persön¬
licher Freundschaft zum Fürsten, dem er durch seine Gesellschaft über die erste
empfindliche Zeit der Geschüstslosigleit hinweghelfen wollte. Später fesselte
ihn dort anch andres, besonders eine Arbeit, die sein ganzes Interesse in
Anspruch nahm.

In der Familie des Fürsten fühlte sich Bucher am meisten zur Gräfin
Rantzan hingezogen, die auch ihrerseits dem treuen Freunde des Vaters durch
allerlei kleine Aufmerksamkeiten ihre Verehrung bewies. „Geheimrat Bucher
soll sich mit der Mehrzahl seiner Kollegen nicht gut gestanden und gegen Leute
von vornehmer Geburt einen echt demokratischen Widerwillen empfunden haben."
Wie weit diese Behauptung wahr ist, kann ich nicht entscheiden, ich weiß aber,
daß gerade einige seiner intimsten Freunde dem hohen Adel angehörten. Schon
von London her war er mit dem 18L1 verstorbnen Prinzen Friedrich von
Schleswig-Holstein, dem Grafen Nver, sehr befreundet, und er ist auf dessen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0191" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/213983"/>
          <fw type="header" place="top"> Lochai,' Bucher</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_584" prev="#ID_583"> dabei bleiben." Die Entlassung des Kanzlers war für ihn der härteste Schlag.<lb/>
Von dein, was hierüber in Schorers Familieublatt behauptet wird, ist 'gerade<lb/>
das Gegenteil wahr. Bücher stand bei dieser Katastrophe ganz auf Seiten des<lb/>
Fürsten Bismarck und war weit entfernt, ihm irgend welche Schuld beizu-<lb/>
messen. Ebenso unwahr ist aber auch die Behauptung verschiedner Blätter,<lb/>
daß er später von Friedrichsruh ans Aufsätze und Broschüren gegen den<lb/>
&#x201E;neuen Kurs" verfaßt habe; in deu Jahren seines Ruhestandes hat er keine<lb/>
Zeile mehr für irgend ein Blatt geschrieben. Ich habe auch Grund, einzu-<lb/>
nehmen, daß er eher zum Frieden geraten als den Zwiespalt weiter geschürt<lb/>
haben würde. Wie vorsichtig er mit seinem Urteil, und wie grenzenlos sein<lb/>
Vertrauen auf den Fürsten war, zeigt auch folgende Äußerung, die ich auch<lb/>
schon an andrer Stelle mitgeteilt habe. Wir kamen letzten Sommer auf die<lb/>
aus Wien gemeldeten Auslassungen des Fürsten zu sprechen, und Vncher<lb/>
wurde gefragt, ob Fürst Bismarck, mit Rücksicht ans den unerquicklichen<lb/>
Zeitungskampf, nicht doch besser geschwiegen hätte. Darauf sagte Bucher: &#x201E;Ich<lb/>
würde ja in diesem Falle lieber nichts gesagt haben, aber wenn der Fürst ein¬<lb/>
mal so gesprochen hat, dann wird er schon Recht daran gethan haben. Ich<lb/>
habe mich gewöhnt, bei ihm alles gut zu heißen, nachdem ich wiederholt hatte<lb/>
einsehen müssen, daß ihm die Zukunft doch noch Recht gab, wenn ich einmal<lb/>
andrer Ansicht gewesen war."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_585"> Wie der ungenannte Verfasser schreibt, soll sich Fürst Bismarck erst nach<lb/>
seiner Entlassung des alten Freundes wieder erinnert haben. Auch das ist<lb/>
nicht richtig, denn die Beziehungen beider Männer haben niemals aufgehört,<lb/>
und wenn sich auch Bücher im Ruhestande mehr zurückhielt, so ist er doch in<lb/>
dieser Zwischenzeit einmal sechs Wochen lang bei dem Fürsten gewesen. Er<lb/>
ging übrigens im Frühjahr lLW nicht nach Friedrichsruh, um Abwechslung<lb/>
zu haben, und weil er des eintönigen Lebens in Berlin müde war - wie mau<lb/>
auch in Schorers Familieublatt lesen kaun &#x2014;, sondern lediglich aus persön¬<lb/>
licher Freundschaft zum Fürsten, dem er durch seine Gesellschaft über die erste<lb/>
empfindliche Zeit der Geschüstslosigleit hinweghelfen wollte. Später fesselte<lb/>
ihn dort anch andres, besonders eine Arbeit, die sein ganzes Interesse in<lb/>
Anspruch nahm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_586" next="#ID_587"> In der Familie des Fürsten fühlte sich Bucher am meisten zur Gräfin<lb/>
Rantzan hingezogen, die auch ihrerseits dem treuen Freunde des Vaters durch<lb/>
allerlei kleine Aufmerksamkeiten ihre Verehrung bewies. &#x201E;Geheimrat Bucher<lb/>
soll sich mit der Mehrzahl seiner Kollegen nicht gut gestanden und gegen Leute<lb/>
von vornehmer Geburt einen echt demokratischen Widerwillen empfunden haben."<lb/>
Wie weit diese Behauptung wahr ist, kann ich nicht entscheiden, ich weiß aber,<lb/>
daß gerade einige seiner intimsten Freunde dem hohen Adel angehörten. Schon<lb/>
von London her war er mit dem 18L1 verstorbnen Prinzen Friedrich von<lb/>
Schleswig-Holstein, dem Grafen Nver, sehr befreundet, und er ist auf dessen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0191] Lochai,' Bucher dabei bleiben." Die Entlassung des Kanzlers war für ihn der härteste Schlag. Von dein, was hierüber in Schorers Familieublatt behauptet wird, ist 'gerade das Gegenteil wahr. Bücher stand bei dieser Katastrophe ganz auf Seiten des Fürsten Bismarck und war weit entfernt, ihm irgend welche Schuld beizu- messen. Ebenso unwahr ist aber auch die Behauptung verschiedner Blätter, daß er später von Friedrichsruh ans Aufsätze und Broschüren gegen den „neuen Kurs" verfaßt habe; in deu Jahren seines Ruhestandes hat er keine Zeile mehr für irgend ein Blatt geschrieben. Ich habe auch Grund, einzu- nehmen, daß er eher zum Frieden geraten als den Zwiespalt weiter geschürt haben würde. Wie vorsichtig er mit seinem Urteil, und wie grenzenlos sein Vertrauen auf den Fürsten war, zeigt auch folgende Äußerung, die ich auch schon an andrer Stelle mitgeteilt habe. Wir kamen letzten Sommer auf die aus Wien gemeldeten Auslassungen des Fürsten zu sprechen, und Vncher wurde gefragt, ob Fürst Bismarck, mit Rücksicht ans den unerquicklichen Zeitungskampf, nicht doch besser geschwiegen hätte. Darauf sagte Bucher: „Ich würde ja in diesem Falle lieber nichts gesagt haben, aber wenn der Fürst ein¬ mal so gesprochen hat, dann wird er schon Recht daran gethan haben. Ich habe mich gewöhnt, bei ihm alles gut zu heißen, nachdem ich wiederholt hatte einsehen müssen, daß ihm die Zukunft doch noch Recht gab, wenn ich einmal andrer Ansicht gewesen war." Wie der ungenannte Verfasser schreibt, soll sich Fürst Bismarck erst nach seiner Entlassung des alten Freundes wieder erinnert haben. Auch das ist nicht richtig, denn die Beziehungen beider Männer haben niemals aufgehört, und wenn sich auch Bücher im Ruhestande mehr zurückhielt, so ist er doch in dieser Zwischenzeit einmal sechs Wochen lang bei dem Fürsten gewesen. Er ging übrigens im Frühjahr lLW nicht nach Friedrichsruh, um Abwechslung zu haben, und weil er des eintönigen Lebens in Berlin müde war - wie mau auch in Schorers Familieublatt lesen kaun —, sondern lediglich aus persön¬ licher Freundschaft zum Fürsten, dem er durch seine Gesellschaft über die erste empfindliche Zeit der Geschüstslosigleit hinweghelfen wollte. Später fesselte ihn dort anch andres, besonders eine Arbeit, die sein ganzes Interesse in Anspruch nahm. In der Familie des Fürsten fühlte sich Bucher am meisten zur Gräfin Rantzan hingezogen, die auch ihrerseits dem treuen Freunde des Vaters durch allerlei kleine Aufmerksamkeiten ihre Verehrung bewies. „Geheimrat Bucher soll sich mit der Mehrzahl seiner Kollegen nicht gut gestanden und gegen Leute von vornehmer Geburt einen echt demokratischen Widerwillen empfunden haben." Wie weit diese Behauptung wahr ist, kann ich nicht entscheiden, ich weiß aber, daß gerade einige seiner intimsten Freunde dem hohen Adel angehörten. Schon von London her war er mit dem 18L1 verstorbnen Prinzen Friedrich von Schleswig-Holstein, dem Grafen Nver, sehr befreundet, und er ist auf dessen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/191
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/191>, abgerufen am 25.05.2024.