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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Der Aufstand der Bergarbeiter

aus disziplinarischen Gründen entlassenen Bergleute sollen wieder angestellt
werden. Auch sollen Schiedsgerichte eingesetzt werden, in denen die Abgeord¬
neten der Bergleute das Übergewicht haben. Die Bergleute haben in dem
Schiedsgerichte die Mehrheit; alle Mitglieder werden von der Belegschaft ge¬
wählt. Der Grubenverwaltung bleibt weiter nichts übrig, als zu zahlen und
sich den Beschlüssen der Arbeiterschaft unterzuordnen. Und dies alles wird
gefordert, um, wie wiederholt erwähnt wird, die Gruben zu "Musteranstalten"
zu machen. Da es aber nicht unerläßlich notwendig ist, nur unter muster¬
haften Verhältnissen zu leben und zu arbeiten, so zeigt die Begründung des
Aufstandes klar, daß man nicht um das Nötige kämpft.

Daß diese Forderungen unerfüllbar sind, daß sie mit den Lebensbedin¬
gungen des Berghaus sowie jeden industriellen Unternehmens unvereinbar sind,
müßte jeder einigermaßen helle Kopf einsehen, ist auch sicher von den "ziel¬
bewußter" Führern der Bewegung eingesehen worden. Es kommt hinzu, daß
die Häuer den Lohn, den sie fordern, bereits haben. Für den Monat Oktober,
den letzten, für den die genauen Berechnungen schon abgeschlossen sind, be¬
trugen die Durchschnittslvhne für die 16000 Häuer 4 Mark 55 Pf. für die
Schicht (also uoch 5 Pf. mehr, als die Völkliuger Beschlüsse verlangen), für
30000 Mann Gesamtbelegschaft einschließlich der Schlepper und Jungen
3 Mark für die Schicht. Von den 15 819 Hauern haben verdient

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Also nur 10,51 Prozent der Hüner verdienen unter 4 Mark, 14,09 Prozent
über 5 Mark, und 75,40 Prozent, also über drei Viertel sämtlicher Häuer,
zwischen 4 und 5 Mark.

Das sind doch keine schlechten Lohne. Sie würden auch gewiß ausreichen,
wenn der Bergmann nicht die Gewohnheit Hütte, ans dem Bollen heraus zu
wirtschaften und besser zu essen und zu trinken, als es sich irgend ein Snb-
alternbeamter gestatten kann. Um den Lohn ist es uns auch gar nicht, haben
die Abgeordneten der Bergleute schon im Jahre 1889 gesagt. Um was denn
aber? Um die Gleichmäßigkeit und die Sicherheit des Einkommens. Der
schlechteste Arbeiter (solche Leute Pflegen gewöhnlich das größte Maul zu haben,
also auch bei Beschlüsse" am meisten ihren Einfluß geltend zu machen) soll dem
besten Arbeiter gleichgestellt sein. Der Lohn soll von dem Preise der Arbeit
unabhängig sein, vielleicht bei guter Konjunktur steigen, aber keinesfalls bei
schlechter fallen. Der Arbeiter wird statt dieses hohen Lohnes keinen haben.
Es ist selbstverständlich, daß die Werke bei schlechter Geschäftslage den Betrieb


Der Aufstand der Bergarbeiter

aus disziplinarischen Gründen entlassenen Bergleute sollen wieder angestellt
werden. Auch sollen Schiedsgerichte eingesetzt werden, in denen die Abgeord¬
neten der Bergleute das Übergewicht haben. Die Bergleute haben in dem
Schiedsgerichte die Mehrheit; alle Mitglieder werden von der Belegschaft ge¬
wählt. Der Grubenverwaltung bleibt weiter nichts übrig, als zu zahlen und
sich den Beschlüssen der Arbeiterschaft unterzuordnen. Und dies alles wird
gefordert, um, wie wiederholt erwähnt wird, die Gruben zu „Musteranstalten"
zu machen. Da es aber nicht unerläßlich notwendig ist, nur unter muster¬
haften Verhältnissen zu leben und zu arbeiten, so zeigt die Begründung des
Aufstandes klar, daß man nicht um das Nötige kämpft.

Daß diese Forderungen unerfüllbar sind, daß sie mit den Lebensbedin¬
gungen des Berghaus sowie jeden industriellen Unternehmens unvereinbar sind,
müßte jeder einigermaßen helle Kopf einsehen, ist auch sicher von den „ziel¬
bewußter" Führern der Bewegung eingesehen worden. Es kommt hinzu, daß
die Häuer den Lohn, den sie fordern, bereits haben. Für den Monat Oktober,
den letzten, für den die genauen Berechnungen schon abgeschlossen sind, be¬
trugen die Durchschnittslvhne für die 16000 Häuer 4 Mark 55 Pf. für die
Schicht (also uoch 5 Pf. mehr, als die Völkliuger Beschlüsse verlangen), für
30000 Mann Gesamtbelegschaft einschließlich der Schlepper und Jungen
3 Mark für die Schicht. Von den 15 819 Hauern haben verdient

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Also nur 10,51 Prozent der Hüner verdienen unter 4 Mark, 14,09 Prozent
über 5 Mark, und 75,40 Prozent, also über drei Viertel sämtlicher Häuer,
zwischen 4 und 5 Mark.

Das sind doch keine schlechten Lohne. Sie würden auch gewiß ausreichen,
wenn der Bergmann nicht die Gewohnheit Hütte, ans dem Bollen heraus zu
wirtschaften und besser zu essen und zu trinken, als es sich irgend ein Snb-
alternbeamter gestatten kann. Um den Lohn ist es uns auch gar nicht, haben
die Abgeordneten der Bergleute schon im Jahre 1889 gesagt. Um was denn
aber? Um die Gleichmäßigkeit und die Sicherheit des Einkommens. Der
schlechteste Arbeiter (solche Leute Pflegen gewöhnlich das größte Maul zu haben,
also auch bei Beschlüsse« am meisten ihren Einfluß geltend zu machen) soll dem
besten Arbeiter gleichgestellt sein. Der Lohn soll von dem Preise der Arbeit
unabhängig sein, vielleicht bei guter Konjunktur steigen, aber keinesfalls bei
schlechter fallen. Der Arbeiter wird statt dieses hohen Lohnes keinen haben.
Es ist selbstverständlich, daß die Werke bei schlechter Geschäftslage den Betrieb


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[0213] Der Aufstand der Bergarbeiter aus disziplinarischen Gründen entlassenen Bergleute sollen wieder angestellt werden. Auch sollen Schiedsgerichte eingesetzt werden, in denen die Abgeord¬ neten der Bergleute das Übergewicht haben. Die Bergleute haben in dem Schiedsgerichte die Mehrheit; alle Mitglieder werden von der Belegschaft ge¬ wählt. Der Grubenverwaltung bleibt weiter nichts übrig, als zu zahlen und sich den Beschlüssen der Arbeiterschaft unterzuordnen. Und dies alles wird gefordert, um, wie wiederholt erwähnt wird, die Gruben zu „Musteranstalten" zu machen. Da es aber nicht unerläßlich notwendig ist, nur unter muster¬ haften Verhältnissen zu leben und zu arbeiten, so zeigt die Begründung des Aufstandes klar, daß man nicht um das Nötige kämpft. Daß diese Forderungen unerfüllbar sind, daß sie mit den Lebensbedin¬ gungen des Berghaus sowie jeden industriellen Unternehmens unvereinbar sind, müßte jeder einigermaßen helle Kopf einsehen, ist auch sicher von den „ziel¬ bewußter" Führern der Bewegung eingesehen worden. Es kommt hinzu, daß die Häuer den Lohn, den sie fordern, bereits haben. Für den Monat Oktober, den letzten, für den die genauen Berechnungen schon abgeschlossen sind, be¬ trugen die Durchschnittslvhne für die 16000 Häuer 4 Mark 55 Pf. für die Schicht (also uoch 5 Pf. mehr, als die Völkliuger Beschlüsse verlangen), für 30000 Mann Gesamtbelegschaft einschließlich der Schlepper und Jungen 3 Mark für die Schicht. Von den 15 819 Hauern haben verdient zwischen 2,60 und 3,80 Mark 3 Mann oder 0,02 Prozent 2,80 „^, „1? „0,11 „ 3,- „3,40 „1<!5 „„ 1,04 ., 3,40 „4- „1477 „„ 9,34 „ 4-- „>< 6,— „11S28 „„ 75,40 „ s - ..darüber2229 „„ 14,09 ., Also nur 10,51 Prozent der Hüner verdienen unter 4 Mark, 14,09 Prozent über 5 Mark, und 75,40 Prozent, also über drei Viertel sämtlicher Häuer, zwischen 4 und 5 Mark. Das sind doch keine schlechten Lohne. Sie würden auch gewiß ausreichen, wenn der Bergmann nicht die Gewohnheit Hütte, ans dem Bollen heraus zu wirtschaften und besser zu essen und zu trinken, als es sich irgend ein Snb- alternbeamter gestatten kann. Um den Lohn ist es uns auch gar nicht, haben die Abgeordneten der Bergleute schon im Jahre 1889 gesagt. Um was denn aber? Um die Gleichmäßigkeit und die Sicherheit des Einkommens. Der schlechteste Arbeiter (solche Leute Pflegen gewöhnlich das größte Maul zu haben, also auch bei Beschlüsse« am meisten ihren Einfluß geltend zu machen) soll dem besten Arbeiter gleichgestellt sein. Der Lohn soll von dem Preise der Arbeit unabhängig sein, vielleicht bei guter Konjunktur steigen, aber keinesfalls bei schlechter fallen. Der Arbeiter wird statt dieses hohen Lohnes keinen haben. Es ist selbstverständlich, daß die Werke bei schlechter Geschäftslage den Betrieb

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/213>, abgerufen am 06.06.2024.