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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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und drittens an zahllosen Stellen, wo es an sich zwar richtig ist, aber
besser und wohllautender durch er oder dieser ersetzt würde. Ganz streichen
läßt es sich z. B. an folgenden Stellen: i? 994: "Er ist nicht befugt, die
Sache umzugestalten oder dieselbe wesentlich zu verändern." H 1933 Abs. 2:
"Eine widerrufene letztwillige Verfügung wird dadurch nicht wiederhergestellt,
daß der Widerruf derselben widerrufen wird." Falsch ist die Anwendung
u. n. in den §Z 454, 1727, 2045. 454: "Hat Jemand einem Anderen
aus einem zwischen ihnen bestehenden Schuldverhältnisse eine Geldsumme oder
andere Sachen zu leisten, so kann zwischen denselben vereinbart werden" u. s. w.
Hier muß es, wie vorher, zwischen ihnen heißen. In § 805: ,,dasz der bis¬
herige Besitzer im Einverständnisse mit dem Anderen diesem den Willen er¬
klärt, die thatsächliche Gewalt fortan für denselben auszuüben" beseitigt das
Wort geradezu den Nachdruck, den es geben soll, denn in dem hier gebrauchten
Sinne gestattet das Wort keine Betonung, während diese doch hier nötig ist;
es muß heißen: für ihn auszuüben. Ein besondres Beispiel falscher Anwen¬
dung bieten die "Motive." In Bd. 1 S. 391 heißt es: "Zur Tüchtigkeit
eines Bürgen muß es genügen, daß er ein der Höhe der zu leistenden Sicherheit
angemessenes Vermögen besitzt, andererseits, daß derselbe im Inlande seinen
allgemeinen Gerichtsstand hat." Was ist das für Deutsch: daß er, und daß
derselbe! Unnötig endlich ist das Wort fast in sämtlichen Fällen. Es sollen
hier nur einige besondre Arten solcher Fülle aufgeführt werden. "Hat der
Dritte die Sache selbst oder das Recht, dieselbe zu gebrauchen, erworben" --
"für die ordnungsmäßige Erhaltung der Sache und des wirthschaftlichen Be¬
standes derselben (ihres Bestandes) zu sorgen" -- "Eine letztmillige Ver¬
fügung kann angefochten werden, wenn der Erblasser zu derselben durch
Irrthum bestimmt worden ist (durch Irrtum dazu bestimmt worden ist).

Aber, wie gesagt -- derselbe gilt für vornehm; in Wahrheit raubt das
Wort der Sprache ihren Adel. Man denke, daß jemand sagte: Hier ist meine
Hand: darf ich Ihnen dieselbe für das Leben bieten?

Doch nicht mir um seiner Steifheit willen ist das Wort zu meiden; anch
weil seine Verwendung sprachunwirtschaftlich ist. Man zahlt nicht drei Mark
für etwas, was mit einer Mark zu erlangen ist. Und wie der feinfühlige
Schriftsteller eine Steigerung meidet, wo der einfache Ausdruck ausreicht, so
wird er auch nicht das gespreizte derselbe anwenden, wo das einfache er
genügt.

An der Steifheit und Schwerfälligkeit des Entwurfs ist aber auch eine
gewisse Ängstlichkeit der Verfasser mit schuld. Vo" der Sorge befangen, es
könnten Mißverständnisse oder auch nur Härten entstehen, greifen sie zu un¬
schönen Wiederholungen und Härten andrer Art. So ist eine stehende Rede¬
wendung: "wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht hat"; z.B.
in den tztz 877 und 878: "wenn der ErWerber diesen Umstand nicht gekannt,


und drittens an zahllosen Stellen, wo es an sich zwar richtig ist, aber
besser und wohllautender durch er oder dieser ersetzt würde. Ganz streichen
läßt es sich z. B. an folgenden Stellen: i? 994: „Er ist nicht befugt, die
Sache umzugestalten oder dieselbe wesentlich zu verändern." H 1933 Abs. 2:
„Eine widerrufene letztwillige Verfügung wird dadurch nicht wiederhergestellt,
daß der Widerruf derselben widerrufen wird." Falsch ist die Anwendung
u. n. in den §Z 454, 1727, 2045. 454: „Hat Jemand einem Anderen
aus einem zwischen ihnen bestehenden Schuldverhältnisse eine Geldsumme oder
andere Sachen zu leisten, so kann zwischen denselben vereinbart werden" u. s. w.
Hier muß es, wie vorher, zwischen ihnen heißen. In § 805: ,,dasz der bis¬
herige Besitzer im Einverständnisse mit dem Anderen diesem den Willen er¬
klärt, die thatsächliche Gewalt fortan für denselben auszuüben" beseitigt das
Wort geradezu den Nachdruck, den es geben soll, denn in dem hier gebrauchten
Sinne gestattet das Wort keine Betonung, während diese doch hier nötig ist;
es muß heißen: für ihn auszuüben. Ein besondres Beispiel falscher Anwen¬
dung bieten die „Motive." In Bd. 1 S. 391 heißt es: „Zur Tüchtigkeit
eines Bürgen muß es genügen, daß er ein der Höhe der zu leistenden Sicherheit
angemessenes Vermögen besitzt, andererseits, daß derselbe im Inlande seinen
allgemeinen Gerichtsstand hat." Was ist das für Deutsch: daß er, und daß
derselbe! Unnötig endlich ist das Wort fast in sämtlichen Fällen. Es sollen
hier nur einige besondre Arten solcher Fülle aufgeführt werden. „Hat der
Dritte die Sache selbst oder das Recht, dieselbe zu gebrauchen, erworben" —
„für die ordnungsmäßige Erhaltung der Sache und des wirthschaftlichen Be¬
standes derselben (ihres Bestandes) zu sorgen" — „Eine letztmillige Ver¬
fügung kann angefochten werden, wenn der Erblasser zu derselben durch
Irrthum bestimmt worden ist (durch Irrtum dazu bestimmt worden ist).

Aber, wie gesagt — derselbe gilt für vornehm; in Wahrheit raubt das
Wort der Sprache ihren Adel. Man denke, daß jemand sagte: Hier ist meine
Hand: darf ich Ihnen dieselbe für das Leben bieten?

Doch nicht mir um seiner Steifheit willen ist das Wort zu meiden; anch
weil seine Verwendung sprachunwirtschaftlich ist. Man zahlt nicht drei Mark
für etwas, was mit einer Mark zu erlangen ist. Und wie der feinfühlige
Schriftsteller eine Steigerung meidet, wo der einfache Ausdruck ausreicht, so
wird er auch nicht das gespreizte derselbe anwenden, wo das einfache er
genügt.

An der Steifheit und Schwerfälligkeit des Entwurfs ist aber auch eine
gewisse Ängstlichkeit der Verfasser mit schuld. Vo» der Sorge befangen, es
könnten Mißverständnisse oder auch nur Härten entstehen, greifen sie zu un¬
schönen Wiederholungen und Härten andrer Art. So ist eine stehende Rede¬
wendung: „wenn die Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruht hat"; z.B.
in den tztz 877 und 878: „wenn der ErWerber diesen Umstand nicht gekannt,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/240>, abgerufen am 06.06.2024.