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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die sogenannte lex ^einze

so tritt Gefängnis nicht unter einem Jahre ein. Neben der Gefängnisstrafe
kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, auf Zulässigkeit von Polizei¬
aufsicht, sowie auf Überweisung an die Landespolizeibehörde mit den in 8 3l>2
Absatz 2 und 3 vorgesehenen Folgen erkannt werden/'

Unzweifelhaft liegt in diesem Vorschlag der Schwerpunkt der ganzen Vor¬
lage. Es soll damit der Begriff der "Zuhälterei" gesetzlich definirt und diese
allgemein unter Strafe gestellt werden. Darüber, daß gegen die Zuhälterei
mit äußerster Strenge vorgegangen werden müsse, besteht wohl keine Mei¬
nungsverschiedenheit; es bleibt nur die Frage zu lösen, wie dies mit Aussicht
auf sichern Erfolg gesetzlich geregelt werden soll. Nach der gegenwärtigen
Lage der Gesetzgebung kann der Zuhälter nur auf Grund des Z 180 des
Strafgesetzbuchs wegen Kuppelei zur Verantwortung gezogen werden. Dies
setzt aber voraus, daß in jedem Einzelfalle alle Merkmale der Kuppelei nach¬
gewiesen werden können. Mißlingt dieser Nachweis, so geht der Zuhälter
straflos aus, obwohl es nicht dem geringsten Zweifel unterliegt, daß er zu
der Prostituirten hält lind diese wieder an ihm einen Rückhalt findet. Weil
nun aber hauptsächlich hierdurch der Betrieb und die Verbreitung der ge¬
werbsmäßigen Unzucht wesentlich erleichtert wird, so wird es in der Begrün¬
dung des Entwurfs mit Recht als notwendig bezeichnet, den Zuhälter auch
ohne deu vollen Thatbestand des § 180 mit Strafe treffen zu können. Dies
setzt voraus, daß neben dem 180 ein selbständiger Thatbestand der Zu¬
hälterei gesetzlich definirt werde. Der Entwurf versucht dies in zwei¬
facher Weise.

Die erste Definition dürfte uun zu weit gehen. Es siud sehr wohl Fälle
denkbar, wo eine Prostituirte aus irgend einem Grunde einem örtlich entfernt
wohnenden Manne aus ihrem Verdienste fortlaufende Unterstützungen zuwendet,
der Empfänger die Art des Verdienstes sehr wohl kennt, sich aber im übrigen
um die Prostituirte in keiner Weise kümmert. In einem solchen Falle kann
doch wohl von einer Zuhälterei nicht die Rede sein, vielmehr wird dazu
immer noch eine gewisse nähere örtliche Beziehung erforderlich sein, weil ohne
persönlichen Verkehr Znhälterei überhaupt nicht denkbar ist. Andrerseits leidet
die Definition wieder an einer zu engen Fassung, deun ein Gesetz mit dem
vvrgeschlagneu Wortlaut würde leicht durch Verabreichung von Wertgeschenken
u. s. w. umgangen werden können. Weniger bedenklich dürfte die zweite De¬
finition sein, und wenn sie sich auch dem Thatbestände der einfachen Kuppelei
nähert, so würde doch mit ihrer Anwendung die strafrechtliche Verfolgung des
Zuhälters immer noch leichter sein, als auf Grund des ^ 180.

Zu der relativ richtigsten Definition der Zuhälterei wird man wohl nur
dann gelangen, wenn man dein thatsächlichen Verhalten des Zuhälters nach¬
geht. Dieses kaun zunächst ein nur vorsorgliches, beobachtendes sein. Er be¬
sorgt seiner Dirne zu ihrer Unterkunft, nicht aber als Absteigequartier zum


Die sogenannte lex ^einze

so tritt Gefängnis nicht unter einem Jahre ein. Neben der Gefängnisstrafe
kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, auf Zulässigkeit von Polizei¬
aufsicht, sowie auf Überweisung an die Landespolizeibehörde mit den in 8 3l>2
Absatz 2 und 3 vorgesehenen Folgen erkannt werden/'

Unzweifelhaft liegt in diesem Vorschlag der Schwerpunkt der ganzen Vor¬
lage. Es soll damit der Begriff der „Zuhälterei" gesetzlich definirt und diese
allgemein unter Strafe gestellt werden. Darüber, daß gegen die Zuhälterei
mit äußerster Strenge vorgegangen werden müsse, besteht wohl keine Mei¬
nungsverschiedenheit; es bleibt nur die Frage zu lösen, wie dies mit Aussicht
auf sichern Erfolg gesetzlich geregelt werden soll. Nach der gegenwärtigen
Lage der Gesetzgebung kann der Zuhälter nur auf Grund des Z 180 des
Strafgesetzbuchs wegen Kuppelei zur Verantwortung gezogen werden. Dies
setzt aber voraus, daß in jedem Einzelfalle alle Merkmale der Kuppelei nach¬
gewiesen werden können. Mißlingt dieser Nachweis, so geht der Zuhälter
straflos aus, obwohl es nicht dem geringsten Zweifel unterliegt, daß er zu
der Prostituirten hält lind diese wieder an ihm einen Rückhalt findet. Weil
nun aber hauptsächlich hierdurch der Betrieb und die Verbreitung der ge¬
werbsmäßigen Unzucht wesentlich erleichtert wird, so wird es in der Begrün¬
dung des Entwurfs mit Recht als notwendig bezeichnet, den Zuhälter auch
ohne deu vollen Thatbestand des § 180 mit Strafe treffen zu können. Dies
setzt voraus, daß neben dem 180 ein selbständiger Thatbestand der Zu¬
hälterei gesetzlich definirt werde. Der Entwurf versucht dies in zwei¬
facher Weise.

Die erste Definition dürfte uun zu weit gehen. Es siud sehr wohl Fälle
denkbar, wo eine Prostituirte aus irgend einem Grunde einem örtlich entfernt
wohnenden Manne aus ihrem Verdienste fortlaufende Unterstützungen zuwendet,
der Empfänger die Art des Verdienstes sehr wohl kennt, sich aber im übrigen
um die Prostituirte in keiner Weise kümmert. In einem solchen Falle kann
doch wohl von einer Zuhälterei nicht die Rede sein, vielmehr wird dazu
immer noch eine gewisse nähere örtliche Beziehung erforderlich sein, weil ohne
persönlichen Verkehr Znhälterei überhaupt nicht denkbar ist. Andrerseits leidet
die Definition wieder an einer zu engen Fassung, deun ein Gesetz mit dem
vvrgeschlagneu Wortlaut würde leicht durch Verabreichung von Wertgeschenken
u. s. w. umgangen werden können. Weniger bedenklich dürfte die zweite De¬
finition sein, und wenn sie sich auch dem Thatbestände der einfachen Kuppelei
nähert, so würde doch mit ihrer Anwendung die strafrechtliche Verfolgung des
Zuhälters immer noch leichter sein, als auf Grund des ^ 180.

Zu der relativ richtigsten Definition der Zuhälterei wird man wohl nur
dann gelangen, wenn man dein thatsächlichen Verhalten des Zuhälters nach¬
geht. Dieses kaun zunächst ein nur vorsorgliches, beobachtendes sein. Er be¬
sorgt seiner Dirne zu ihrer Unterkunft, nicht aber als Absteigequartier zum


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[0076] Die sogenannte lex ^einze so tritt Gefängnis nicht unter einem Jahre ein. Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, auf Zulässigkeit von Polizei¬ aufsicht, sowie auf Überweisung an die Landespolizeibehörde mit den in 8 3l>2 Absatz 2 und 3 vorgesehenen Folgen erkannt werden/' Unzweifelhaft liegt in diesem Vorschlag der Schwerpunkt der ganzen Vor¬ lage. Es soll damit der Begriff der „Zuhälterei" gesetzlich definirt und diese allgemein unter Strafe gestellt werden. Darüber, daß gegen die Zuhälterei mit äußerster Strenge vorgegangen werden müsse, besteht wohl keine Mei¬ nungsverschiedenheit; es bleibt nur die Frage zu lösen, wie dies mit Aussicht auf sichern Erfolg gesetzlich geregelt werden soll. Nach der gegenwärtigen Lage der Gesetzgebung kann der Zuhälter nur auf Grund des Z 180 des Strafgesetzbuchs wegen Kuppelei zur Verantwortung gezogen werden. Dies setzt aber voraus, daß in jedem Einzelfalle alle Merkmale der Kuppelei nach¬ gewiesen werden können. Mißlingt dieser Nachweis, so geht der Zuhälter straflos aus, obwohl es nicht dem geringsten Zweifel unterliegt, daß er zu der Prostituirten hält lind diese wieder an ihm einen Rückhalt findet. Weil nun aber hauptsächlich hierdurch der Betrieb und die Verbreitung der ge¬ werbsmäßigen Unzucht wesentlich erleichtert wird, so wird es in der Begrün¬ dung des Entwurfs mit Recht als notwendig bezeichnet, den Zuhälter auch ohne deu vollen Thatbestand des § 180 mit Strafe treffen zu können. Dies setzt voraus, daß neben dem 180 ein selbständiger Thatbestand der Zu¬ hälterei gesetzlich definirt werde. Der Entwurf versucht dies in zwei¬ facher Weise. Die erste Definition dürfte uun zu weit gehen. Es siud sehr wohl Fälle denkbar, wo eine Prostituirte aus irgend einem Grunde einem örtlich entfernt wohnenden Manne aus ihrem Verdienste fortlaufende Unterstützungen zuwendet, der Empfänger die Art des Verdienstes sehr wohl kennt, sich aber im übrigen um die Prostituirte in keiner Weise kümmert. In einem solchen Falle kann doch wohl von einer Zuhälterei nicht die Rede sein, vielmehr wird dazu immer noch eine gewisse nähere örtliche Beziehung erforderlich sein, weil ohne persönlichen Verkehr Znhälterei überhaupt nicht denkbar ist. Andrerseits leidet die Definition wieder an einer zu engen Fassung, deun ein Gesetz mit dem vvrgeschlagneu Wortlaut würde leicht durch Verabreichung von Wertgeschenken u. s. w. umgangen werden können. Weniger bedenklich dürfte die zweite De¬ finition sein, und wenn sie sich auch dem Thatbestände der einfachen Kuppelei nähert, so würde doch mit ihrer Anwendung die strafrechtliche Verfolgung des Zuhälters immer noch leichter sein, als auf Grund des ^ 180. Zu der relativ richtigsten Definition der Zuhälterei wird man wohl nur dann gelangen, wenn man dein thatsächlichen Verhalten des Zuhälters nach¬ geht. Dieses kaun zunächst ein nur vorsorgliches, beobachtendes sein. Er be¬ sorgt seiner Dirne zu ihrer Unterkunft, nicht aber als Absteigequartier zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/76>, abgerufen am 27.05.2024.