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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Betriebe der Unzucht, eine Wohnung, er begleitet sie in angemessener Ent¬
fernung auf ihren Erwerbsgängen, warnt sie vor Polizeibeamten und nimmt
die Flüchtige in seiner Wohnung auf; seine Begleitung ermöglicht der Dirne
den Eintritt und den Aufenthalt in Lokalen, die sie allein nicht betreten dürfte.
Unter Umständen tritt der Zuhälter aber auch handelnd auf. Er sucht die
Dirne, der die Verhaftung droht, zu befreien, er schützt sie gegen Roheiten
der Besucher und erpreßt von diesen dnrch Drohung oder Mißhandlung mög¬
lichst hohe Bezahlung. Durch diese Fürsorge und durch dieses thätige Auf¬
treten des Zuhälters wird der Dirne der Betrieb ihres Gewerbes wesentlich
erleichtert, und dafür beansprucht er einen guten Teil ihres Verdienstes. In
beiden Fällen dient der Zuhälter einem unsittlichen und verwerflichen Zweck.

Nach dem bisher gesagten wird man den strafbaren Thatbestand der
Zuhälterei zunächst schon dann als vorliegend annehmen müssen, wenn er¬
wiesen ist, daß der Zuhälter mit der Dirne in Verkehr steht und Vermögens¬
vorteile von ihr annimmt, obwohl er weiß, daß diese Zuwendungen aus dem
unzüchtigen Gewerbe der Dirne herrühren. Eine solche Annahme von Zuwen¬
dungen wird aber anch eine wiederholte sein müssen; die nur gelegentliche,
einmalige Annahme eines Geschenkes kann nicht schon strafbar erscheinen. Das
vorsorgliche, beobachtende Verhalten des Zuhälters wird jedoch nicht mit in
den Thatbestand aufzunehmen sein, weil damit die Überführung zu sehr er¬
schwert werden würde, und weil das eigentlich strafbare schon darin liegt,
daß er an den Einkünften der Dirne teilnimmt. Ist der Zuhälter aber thätig
aufgetreten, dann wird er für strafbar zu erachten sein, wenn dies öfters oder
aus Eigennutz geschehen ist. Im erstern Falle ist mindestens zum Schutze un¬
sittlichen Treibens die öffentliche Ordnung bedroht worden, und im andern
Falle hat er wiederum an dein Verdienst aus unsittlichen Gewerbe teilge¬
nommen. Hiernach könnte dem § 181a des Entwurfs vielleicht folgende Fassung
gegeben werden- "Ein Manu, der mit einer Weibsperson, welche gewerbs¬
mäßig Unzucht treibt, in Verkehr steht und sich von ihr, ohne einen recht¬
lichen Anspruch darauf zu haben, gewohnheitsmäßig Vermögeusvorteile ge¬
währen läßt, von denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß,
daß sie dnrch gewerbsmäßige Unzucht erlangt sind, wird wegen Zuhälterei
mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft. Gleiche Strafe trifft einen
Mann, der einer solchen Weibsperson gewohnheitsmäßig oder ans Eigen¬
nutz in der Ausübung ihres unzüchtigen Gewerbes Schutz gewährt oder Bei¬
stand leistet."

Gegen den übrigen Inhalt des vorgeschlagnen 181 ^ dürften keine
wesentlichen Bedenken geltend zu machen sein, insbesondre erscheint es gerecht¬
fertigt, daß der Ehemann als Zuhälter mit eiuer strengern Strafe bedroht
werde, weil es besonders schimpflich ist, wenn der Ehemann, anstatt die Ehre
der Frau zu verteidigen, an den Vorteilen ihres unzüchtigen Gewerbes teil-


Betriebe der Unzucht, eine Wohnung, er begleitet sie in angemessener Ent¬
fernung auf ihren Erwerbsgängen, warnt sie vor Polizeibeamten und nimmt
die Flüchtige in seiner Wohnung auf; seine Begleitung ermöglicht der Dirne
den Eintritt und den Aufenthalt in Lokalen, die sie allein nicht betreten dürfte.
Unter Umständen tritt der Zuhälter aber auch handelnd auf. Er sucht die
Dirne, der die Verhaftung droht, zu befreien, er schützt sie gegen Roheiten
der Besucher und erpreßt von diesen dnrch Drohung oder Mißhandlung mög¬
lichst hohe Bezahlung. Durch diese Fürsorge und durch dieses thätige Auf¬
treten des Zuhälters wird der Dirne der Betrieb ihres Gewerbes wesentlich
erleichtert, und dafür beansprucht er einen guten Teil ihres Verdienstes. In
beiden Fällen dient der Zuhälter einem unsittlichen und verwerflichen Zweck.

Nach dem bisher gesagten wird man den strafbaren Thatbestand der
Zuhälterei zunächst schon dann als vorliegend annehmen müssen, wenn er¬
wiesen ist, daß der Zuhälter mit der Dirne in Verkehr steht und Vermögens¬
vorteile von ihr annimmt, obwohl er weiß, daß diese Zuwendungen aus dem
unzüchtigen Gewerbe der Dirne herrühren. Eine solche Annahme von Zuwen¬
dungen wird aber anch eine wiederholte sein müssen; die nur gelegentliche,
einmalige Annahme eines Geschenkes kann nicht schon strafbar erscheinen. Das
vorsorgliche, beobachtende Verhalten des Zuhälters wird jedoch nicht mit in
den Thatbestand aufzunehmen sein, weil damit die Überführung zu sehr er¬
schwert werden würde, und weil das eigentlich strafbare schon darin liegt,
daß er an den Einkünften der Dirne teilnimmt. Ist der Zuhälter aber thätig
aufgetreten, dann wird er für strafbar zu erachten sein, wenn dies öfters oder
aus Eigennutz geschehen ist. Im erstern Falle ist mindestens zum Schutze un¬
sittlichen Treibens die öffentliche Ordnung bedroht worden, und im andern
Falle hat er wiederum an dein Verdienst aus unsittlichen Gewerbe teilge¬
nommen. Hiernach könnte dem § 181a des Entwurfs vielleicht folgende Fassung
gegeben werden- „Ein Manu, der mit einer Weibsperson, welche gewerbs¬
mäßig Unzucht treibt, in Verkehr steht und sich von ihr, ohne einen recht¬
lichen Anspruch darauf zu haben, gewohnheitsmäßig Vermögeusvorteile ge¬
währen läßt, von denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß,
daß sie dnrch gewerbsmäßige Unzucht erlangt sind, wird wegen Zuhälterei
mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft. Gleiche Strafe trifft einen
Mann, der einer solchen Weibsperson gewohnheitsmäßig oder ans Eigen¬
nutz in der Ausübung ihres unzüchtigen Gewerbes Schutz gewährt oder Bei¬
stand leistet."

Gegen den übrigen Inhalt des vorgeschlagnen 181 ^ dürften keine
wesentlichen Bedenken geltend zu machen sein, insbesondre erscheint es gerecht¬
fertigt, daß der Ehemann als Zuhälter mit eiuer strengern Strafe bedroht
werde, weil es besonders schimpflich ist, wenn der Ehemann, anstatt die Ehre
der Frau zu verteidigen, an den Vorteilen ihres unzüchtigen Gewerbes teil-


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[0077] Betriebe der Unzucht, eine Wohnung, er begleitet sie in angemessener Ent¬ fernung auf ihren Erwerbsgängen, warnt sie vor Polizeibeamten und nimmt die Flüchtige in seiner Wohnung auf; seine Begleitung ermöglicht der Dirne den Eintritt und den Aufenthalt in Lokalen, die sie allein nicht betreten dürfte. Unter Umständen tritt der Zuhälter aber auch handelnd auf. Er sucht die Dirne, der die Verhaftung droht, zu befreien, er schützt sie gegen Roheiten der Besucher und erpreßt von diesen dnrch Drohung oder Mißhandlung mög¬ lichst hohe Bezahlung. Durch diese Fürsorge und durch dieses thätige Auf¬ treten des Zuhälters wird der Dirne der Betrieb ihres Gewerbes wesentlich erleichtert, und dafür beansprucht er einen guten Teil ihres Verdienstes. In beiden Fällen dient der Zuhälter einem unsittlichen und verwerflichen Zweck. Nach dem bisher gesagten wird man den strafbaren Thatbestand der Zuhälterei zunächst schon dann als vorliegend annehmen müssen, wenn er¬ wiesen ist, daß der Zuhälter mit der Dirne in Verkehr steht und Vermögens¬ vorteile von ihr annimmt, obwohl er weiß, daß diese Zuwendungen aus dem unzüchtigen Gewerbe der Dirne herrühren. Eine solche Annahme von Zuwen¬ dungen wird aber anch eine wiederholte sein müssen; die nur gelegentliche, einmalige Annahme eines Geschenkes kann nicht schon strafbar erscheinen. Das vorsorgliche, beobachtende Verhalten des Zuhälters wird jedoch nicht mit in den Thatbestand aufzunehmen sein, weil damit die Überführung zu sehr er¬ schwert werden würde, und weil das eigentlich strafbare schon darin liegt, daß er an den Einkünften der Dirne teilnimmt. Ist der Zuhälter aber thätig aufgetreten, dann wird er für strafbar zu erachten sein, wenn dies öfters oder aus Eigennutz geschehen ist. Im erstern Falle ist mindestens zum Schutze un¬ sittlichen Treibens die öffentliche Ordnung bedroht worden, und im andern Falle hat er wiederum an dein Verdienst aus unsittlichen Gewerbe teilge¬ nommen. Hiernach könnte dem § 181a des Entwurfs vielleicht folgende Fassung gegeben werden- „Ein Manu, der mit einer Weibsperson, welche gewerbs¬ mäßig Unzucht treibt, in Verkehr steht und sich von ihr, ohne einen recht¬ lichen Anspruch darauf zu haben, gewohnheitsmäßig Vermögeusvorteile ge¬ währen läßt, von denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß sie dnrch gewerbsmäßige Unzucht erlangt sind, wird wegen Zuhälterei mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft. Gleiche Strafe trifft einen Mann, der einer solchen Weibsperson gewohnheitsmäßig oder ans Eigen¬ nutz in der Ausübung ihres unzüchtigen Gewerbes Schutz gewährt oder Bei¬ stand leistet." Gegen den übrigen Inhalt des vorgeschlagnen 181 ^ dürften keine wesentlichen Bedenken geltend zu machen sein, insbesondre erscheint es gerecht¬ fertigt, daß der Ehemann als Zuhälter mit eiuer strengern Strafe bedroht werde, weil es besonders schimpflich ist, wenn der Ehemann, anstatt die Ehre der Frau zu verteidigen, an den Vorteilen ihres unzüchtigen Gewerbes teil-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/77>, abgerufen am 06.06.2024.