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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Die sogenannte lex Heinze

nimmt und sie bei dessen Ausübung unterstützt. Nur eine Ergänzung des
181 a erscheint noch notwendig, nämlich daß im Rückfalle die Gefängnis¬
strafe nicht nnter drei Monaten festgesetzt und daneben gleichzeitig auf Über¬
weisung an die Lnndespolizeibehördc erkannt werde. Die Zuhälter sind durch¬
weg sittlich vollständig gesunken, verroht und arbeitsscheu, daher kann nur
der Aufenthalt in einem Arbeitshause nachhaltig auf sie einwirken. Es wird
nicht möglich sein, mit irgend welcher Definition alle vorkommenden Arten
der Zuhälterei zu treffen, das aber ist geniiß möglich und notwendig, die
wirklich getroffncn Fälle mit rücksichtsloser Strenge zu behandeln.

In zweiter Linie wird eine Erweiterung des Kreises der Verbrechen zu
184 vorgeschlagen. Nach dem gegenwärtigen Wortlaut dieses Paragraphen
ist die thatsächliche Verbreitung unzüchtiger Schriften Voraussetzung der Straf¬
barkeit, es kann erst eingeschritten werden, wenn eine Verbreitung bereits ge¬
schehn ist. Mau wird der Begründung der Borlage darin zustimmen müssen,
daß dieser Zeitpunkt des strafrechtlichen Einschreitens zu spät sei, und daß
Maßregeln nötig seien, um den Eintritt der Gefährdung der Sittlichkeit zu
verhüten. Daher will die Vorlage auch den mit Strafe treffen, der unzüch¬
tige Schriften n. f. w. feilhält, zur Verbreitung herstellt oder zum Zweck der
Verbreitung im Besitz hat, ankündigt oder anpreist. Diese Vorschläge er¬
scheinen aber insoweit bedenklich, als sie Thatbestände unter Strafe gestellt
wissen wollen, die sich in der Regel der öffentlichen Wahrnehmung entziehn.
Es würde deshalb die Gefahr vorliegen, daß die zur Strafverfolguug be¬
rufenen staatlichen Organe den Geschäftsbetrieb in Druckereien, Buch- und
Kunsthandlungen u. f. w. fortgesetzt mit Durchsuchungen und Beschlagnahmen
beunruhigen und diskreditiren könnten. Ein genügender Schutz dagegen würde
sich in einer Novelle zum Strafgesetzbuch nicht einschalte" lasten, weil für
Dnrchsuchungeu und Beschlagnahmen die !>4 f. der Strafprozeßordnung und
§ 23 des Reichspreßgesetzes vom 7. Mai 1874 maßgebend sind, und es doch
wohl bedenklich erscheint, gelegentlich und gleichzeitig auch uoch in die Straf¬
prozeßordnung hinüberzugreifen. Aus diesen Gründen wird es sich wohl
rechtfertigen, in der Vorlage die Worte: "wer sie zur Verbreitung herstellt
oder zum Zweck der Verbreitung im Besitz hat," zu streichen. Es wird dies
um so unbedenklicher sein, wenn nach der Absicht der Vorlage das Feilhalten,
Unkundigen und Anpreisen unzüchtiger Schriften u. f. w. unter Strafe gestellt
wird. Schon hierin wird eine ausreichende Maßregel gegen die thatsächliche
Verbreitung zu finden sein.

Weiter will die Vorlage auch den mit Strafe treffen, der durch Ankün-
digung in Druckschriften unzüchtige Verbindungen einzuleiten sucht. Dies er¬
scheint gerechtfertigt, weil solche Ankündigungen in der That schon viel Anstoß
erregt haben, und unerfahrene und leichtgläubige Personen dadurch auf ver¬
derbliche Wege geführt worden sind. Sehr bedenklich ist es dagegen wieder,


Die sogenannte lex Heinze

nimmt und sie bei dessen Ausübung unterstützt. Nur eine Ergänzung des
181 a erscheint noch notwendig, nämlich daß im Rückfalle die Gefängnis¬
strafe nicht nnter drei Monaten festgesetzt und daneben gleichzeitig auf Über¬
weisung an die Lnndespolizeibehördc erkannt werde. Die Zuhälter sind durch¬
weg sittlich vollständig gesunken, verroht und arbeitsscheu, daher kann nur
der Aufenthalt in einem Arbeitshause nachhaltig auf sie einwirken. Es wird
nicht möglich sein, mit irgend welcher Definition alle vorkommenden Arten
der Zuhälterei zu treffen, das aber ist geniiß möglich und notwendig, die
wirklich getroffncn Fälle mit rücksichtsloser Strenge zu behandeln.

In zweiter Linie wird eine Erweiterung des Kreises der Verbrechen zu
184 vorgeschlagen. Nach dem gegenwärtigen Wortlaut dieses Paragraphen
ist die thatsächliche Verbreitung unzüchtiger Schriften Voraussetzung der Straf¬
barkeit, es kann erst eingeschritten werden, wenn eine Verbreitung bereits ge¬
schehn ist. Mau wird der Begründung der Borlage darin zustimmen müssen,
daß dieser Zeitpunkt des strafrechtlichen Einschreitens zu spät sei, und daß
Maßregeln nötig seien, um den Eintritt der Gefährdung der Sittlichkeit zu
verhüten. Daher will die Vorlage auch den mit Strafe treffen, der unzüch¬
tige Schriften n. f. w. feilhält, zur Verbreitung herstellt oder zum Zweck der
Verbreitung im Besitz hat, ankündigt oder anpreist. Diese Vorschläge er¬
scheinen aber insoweit bedenklich, als sie Thatbestände unter Strafe gestellt
wissen wollen, die sich in der Regel der öffentlichen Wahrnehmung entziehn.
Es würde deshalb die Gefahr vorliegen, daß die zur Strafverfolguug be¬
rufenen staatlichen Organe den Geschäftsbetrieb in Druckereien, Buch- und
Kunsthandlungen u. f. w. fortgesetzt mit Durchsuchungen und Beschlagnahmen
beunruhigen und diskreditiren könnten. Ein genügender Schutz dagegen würde
sich in einer Novelle zum Strafgesetzbuch nicht einschalte» lasten, weil für
Dnrchsuchungeu und Beschlagnahmen die !>4 f. der Strafprozeßordnung und
§ 23 des Reichspreßgesetzes vom 7. Mai 1874 maßgebend sind, und es doch
wohl bedenklich erscheint, gelegentlich und gleichzeitig auch uoch in die Straf¬
prozeßordnung hinüberzugreifen. Aus diesen Gründen wird es sich wohl
rechtfertigen, in der Vorlage die Worte: „wer sie zur Verbreitung herstellt
oder zum Zweck der Verbreitung im Besitz hat," zu streichen. Es wird dies
um so unbedenklicher sein, wenn nach der Absicht der Vorlage das Feilhalten,
Unkundigen und Anpreisen unzüchtiger Schriften u. f. w. unter Strafe gestellt
wird. Schon hierin wird eine ausreichende Maßregel gegen die thatsächliche
Verbreitung zu finden sein.

Weiter will die Vorlage auch den mit Strafe treffen, der durch Ankün-
digung in Druckschriften unzüchtige Verbindungen einzuleiten sucht. Dies er¬
scheint gerechtfertigt, weil solche Ankündigungen in der That schon viel Anstoß
erregt haben, und unerfahrene und leichtgläubige Personen dadurch auf ver¬
derbliche Wege geführt worden sind. Sehr bedenklich ist es dagegen wieder,


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[0078] Die sogenannte lex Heinze nimmt und sie bei dessen Ausübung unterstützt. Nur eine Ergänzung des 181 a erscheint noch notwendig, nämlich daß im Rückfalle die Gefängnis¬ strafe nicht nnter drei Monaten festgesetzt und daneben gleichzeitig auf Über¬ weisung an die Lnndespolizeibehördc erkannt werde. Die Zuhälter sind durch¬ weg sittlich vollständig gesunken, verroht und arbeitsscheu, daher kann nur der Aufenthalt in einem Arbeitshause nachhaltig auf sie einwirken. Es wird nicht möglich sein, mit irgend welcher Definition alle vorkommenden Arten der Zuhälterei zu treffen, das aber ist geniiß möglich und notwendig, die wirklich getroffncn Fälle mit rücksichtsloser Strenge zu behandeln. In zweiter Linie wird eine Erweiterung des Kreises der Verbrechen zu 184 vorgeschlagen. Nach dem gegenwärtigen Wortlaut dieses Paragraphen ist die thatsächliche Verbreitung unzüchtiger Schriften Voraussetzung der Straf¬ barkeit, es kann erst eingeschritten werden, wenn eine Verbreitung bereits ge¬ schehn ist. Mau wird der Begründung der Borlage darin zustimmen müssen, daß dieser Zeitpunkt des strafrechtlichen Einschreitens zu spät sei, und daß Maßregeln nötig seien, um den Eintritt der Gefährdung der Sittlichkeit zu verhüten. Daher will die Vorlage auch den mit Strafe treffen, der unzüch¬ tige Schriften n. f. w. feilhält, zur Verbreitung herstellt oder zum Zweck der Verbreitung im Besitz hat, ankündigt oder anpreist. Diese Vorschläge er¬ scheinen aber insoweit bedenklich, als sie Thatbestände unter Strafe gestellt wissen wollen, die sich in der Regel der öffentlichen Wahrnehmung entziehn. Es würde deshalb die Gefahr vorliegen, daß die zur Strafverfolguug be¬ rufenen staatlichen Organe den Geschäftsbetrieb in Druckereien, Buch- und Kunsthandlungen u. f. w. fortgesetzt mit Durchsuchungen und Beschlagnahmen beunruhigen und diskreditiren könnten. Ein genügender Schutz dagegen würde sich in einer Novelle zum Strafgesetzbuch nicht einschalte» lasten, weil für Dnrchsuchungeu und Beschlagnahmen die !>4 f. der Strafprozeßordnung und § 23 des Reichspreßgesetzes vom 7. Mai 1874 maßgebend sind, und es doch wohl bedenklich erscheint, gelegentlich und gleichzeitig auch uoch in die Straf¬ prozeßordnung hinüberzugreifen. Aus diesen Gründen wird es sich wohl rechtfertigen, in der Vorlage die Worte: „wer sie zur Verbreitung herstellt oder zum Zweck der Verbreitung im Besitz hat," zu streichen. Es wird dies um so unbedenklicher sein, wenn nach der Absicht der Vorlage das Feilhalten, Unkundigen und Anpreisen unzüchtiger Schriften u. f. w. unter Strafe gestellt wird. Schon hierin wird eine ausreichende Maßregel gegen die thatsächliche Verbreitung zu finden sein. Weiter will die Vorlage auch den mit Strafe treffen, der durch Ankün- digung in Druckschriften unzüchtige Verbindungen einzuleiten sucht. Dies er¬ scheint gerechtfertigt, weil solche Ankündigungen in der That schon viel Anstoß erregt haben, und unerfahrene und leichtgläubige Personen dadurch auf ver¬ derbliche Wege geführt worden sind. Sehr bedenklich ist es dagegen wieder,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/78>, abgerufen am 06.06.2024.