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Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr.

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Jahren auf 35 Millionen Mark im Jahre 1888 gesteigert, ebenso die Einfuhr
aus Finnland während derselben Zeit von 3 Millionen auf 8 Millionen erhöht.

So erfreulich nun aber auch diese Zunahme des deutschen Handels nach
Norden geworden ist, so steht sie doch in keinem Verhältnis zu der Erhöhung
der wirklichen Produktionskraft seines Hinterlandes, die nur wegen Mangel
an billigen Verkehrswegen und den damit verbundnen Absatzerleichterungen
nicht vollständig ausgenutzt werden kann. Der Verfasser unsrer Denkschrift be¬
spricht daher den Plan eines Wasserwegs zwischen der Elbe und Ostsee ein¬
gehend und entwickelt die Vorteile, die durch eine solche Verbindung für den
deutschen Handel im allgemeinen und für das industriereiche Elbgebiet im be¬
sondern entstehn würden. Zwei Fragen sind es, die zu berücksichtigen sein
würden: 1. siud die Produktionsergebnisse des Elbgebicts überhaupt derart,
daß von einem Eid-Trave-Kanal eine Hebung und Förderung der Produktion
und des Handels zu erwarten sein würde? und 2. könnte durch den Kanal
die Elbe mit ihrem Abfluß zur Ostsee eine kürzere und billigere Ab- und Zu¬
fuhrstraße für die sächsische Ausfuhr und für nordische Rohstoffe werden, als
es mit dem Transport über Hamburg und mit der Wegkürzung durch den
Nordostseekanal der Fall ist?

Bei einer Prüfung des Nutzens, den ein Eid-Trave-Kanal dem Binnen¬
lande gewähren soll, ist von der sächsischen Schwergüterprodnktion auszugehen;
ans ihr beruhen die Vorteile, die die neue Wasserstraße thatsächlich vor
andern Wegen besitzt, und ferner haben die sächsischen Noherzeugnisse
und Halbfabrikate an der deutschen Ausfuhr nach dem Norden schon jetzt
einen großen Anteil. Hauptsächlich siud es der Braunkohlenbergbau, die
Brikettfabrikativn, die Brannkohlenteerschwelereien, der Kalibergbau und seine
chemischen Veredlungsindustrieu, die Steinsalzprvduktiou, die Rübenzucker¬
industrie, die Cichorieudarreu, die Samenkulturen, die Spiritusraffination, die
K^artvffelstärkefnbrikativn, die Ölmüllerei u. s. w., die sich durch ihre Massen¬
erzeugung von Gütern auszeichnen, und die für den Absatz ihr Augenmerk
immer mehr auf den Norden richten. Für die Rentabilität der Ausfuhr von
Massengütern füllt aber neben der Sicherheit und Schnelligkeit nichts so sehr
ins Gewicht als die Billigkeit. Die Wirkungen der Transportvervollkomm-
nung werden immer um so weiter reichen, je mehr die Transportkosten durch
sie verringert werden, denn die Verbilliguug des Transports hat sofort ein
Sinken des Güterpreises zur Folge, und die Absatzfühigkeit der Erzeugnisse
wächst dadurch in demselben Maße, wie "ein Kreis durch die Verlängerung
seiner Radien an Flächenrnum gewinnt."

Unsre Erzeugnisse haben durch ihren tiefbinnenländischeu Standort zu¬
nächst einen kostspieligen Binnenweg bis zur Ostseeküste zu überwinden, wäh¬
rend die Ausfuhrindustrien der westlichen Länder, hauptsächlich Großbritanniens,
den Vorzug genießen, nahe am Meere zu liegen. So muß denn jeder neue


Jahren auf 35 Millionen Mark im Jahre 1888 gesteigert, ebenso die Einfuhr
aus Finnland während derselben Zeit von 3 Millionen auf 8 Millionen erhöht.

So erfreulich nun aber auch diese Zunahme des deutschen Handels nach
Norden geworden ist, so steht sie doch in keinem Verhältnis zu der Erhöhung
der wirklichen Produktionskraft seines Hinterlandes, die nur wegen Mangel
an billigen Verkehrswegen und den damit verbundnen Absatzerleichterungen
nicht vollständig ausgenutzt werden kann. Der Verfasser unsrer Denkschrift be¬
spricht daher den Plan eines Wasserwegs zwischen der Elbe und Ostsee ein¬
gehend und entwickelt die Vorteile, die durch eine solche Verbindung für den
deutschen Handel im allgemeinen und für das industriereiche Elbgebiet im be¬
sondern entstehn würden. Zwei Fragen sind es, die zu berücksichtigen sein
würden: 1. siud die Produktionsergebnisse des Elbgebicts überhaupt derart,
daß von einem Eid-Trave-Kanal eine Hebung und Förderung der Produktion
und des Handels zu erwarten sein würde? und 2. könnte durch den Kanal
die Elbe mit ihrem Abfluß zur Ostsee eine kürzere und billigere Ab- und Zu¬
fuhrstraße für die sächsische Ausfuhr und für nordische Rohstoffe werden, als
es mit dem Transport über Hamburg und mit der Wegkürzung durch den
Nordostseekanal der Fall ist?

Bei einer Prüfung des Nutzens, den ein Eid-Trave-Kanal dem Binnen¬
lande gewähren soll, ist von der sächsischen Schwergüterprodnktion auszugehen;
ans ihr beruhen die Vorteile, die die neue Wasserstraße thatsächlich vor
andern Wegen besitzt, und ferner haben die sächsischen Noherzeugnisse
und Halbfabrikate an der deutschen Ausfuhr nach dem Norden schon jetzt
einen großen Anteil. Hauptsächlich siud es der Braunkohlenbergbau, die
Brikettfabrikativn, die Brannkohlenteerschwelereien, der Kalibergbau und seine
chemischen Veredlungsindustrieu, die Steinsalzprvduktiou, die Rübenzucker¬
industrie, die Cichorieudarreu, die Samenkulturen, die Spiritusraffination, die
K^artvffelstärkefnbrikativn, die Ölmüllerei u. s. w., die sich durch ihre Massen¬
erzeugung von Gütern auszeichnen, und die für den Absatz ihr Augenmerk
immer mehr auf den Norden richten. Für die Rentabilität der Ausfuhr von
Massengütern füllt aber neben der Sicherheit und Schnelligkeit nichts so sehr
ins Gewicht als die Billigkeit. Die Wirkungen der Transportvervollkomm-
nung werden immer um so weiter reichen, je mehr die Transportkosten durch
sie verringert werden, denn die Verbilliguug des Transports hat sofort ein
Sinken des Güterpreises zur Folge, und die Absatzfühigkeit der Erzeugnisse
wächst dadurch in demselben Maße, wie „ein Kreis durch die Verlängerung
seiner Radien an Flächenrnum gewinnt."

Unsre Erzeugnisse haben durch ihren tiefbinnenländischeu Standort zu¬
nächst einen kostspieligen Binnenweg bis zur Ostseeküste zu überwinden, wäh¬
rend die Ausfuhrindustrien der westlichen Länder, hauptsächlich Großbritanniens,
den Vorzug genießen, nahe am Meere zu liegen. So muß denn jeder neue


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 52, 1893, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341857_213791/87>, abgerufen am 23.05.2024.