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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Der Untergang der Lide

Seetüchtigkeit. Die ältere Cimbria wurde ursprünglich als Sturmdeckschiff
gebaut. Solche Fahrzeuge verwendet unter andern die Red Star Line in
Antwerpen mehrfach. Ihre Eigentümlichkeit besteht darin, daß das oberste Stock¬
werk viel schwächer als die untern gebaut ist, indem es gleichsam nur einen
durchlaufenden leichten Überbau über dem kräftigen Oberdeck darstellt, das
so zum zweiten, zum "Hauptdeck" wird. Sturmdeckschiffe dürfen nicht
so tief wie vollgebaute Schiffe beladen werden. Ihre wasserdichten Schotten
(Zwischenwände), die dazu dienen sollen, das Schiff in eine Anzahl selbständige
Abteilungen zu zerlegen, reichen im allgemeinen nicht, wie dies bei den übrigen
Schiffsarten sein muß, bis zum obersten Deck, sondern nur bis zum Hcmpt-
dcck. Die seeamtlichen Nachforschungen haben ergeben, daß die Cimbria, die
als "Spardecker" ging, später zwar in ihrem obern Teile verstärkt worden
war, aber nicht ausreichend, um ihr den Charakter als Sturmdecker ganz
zu nehmen, ferner daß die Schotten weder der Höhe noch der Festigkeit nach
genügten.

Die Elbe war ein Spardeckdampfer mit vier Decks. Spardeckschiffe sind
im ganzen etwas leichter gebaut als Frachtdampser. Im besondern gilt das
von dem obersten Deck, dem Spardeck, das jedoch stärker ist als das Sturm¬
deck*), von dem das Sturmdeckschiff feinen Namen führt. Auch das Spar¬
deckschiff muß mehr als das Vollschiff aus dem Wasser tauchen oder, wie der
technische Ausdruck lautet, "größern Freibord haben." Während jedoch das
Hauptdeck des Sturmdeckschiffs im allgemeinen beträchtlich über der Wasser¬
linie liegen soll, darf es beim Spardeckschiff noch eben darunter gehen. Der
Ausdruck "Hauptdeck" im Sinne von "zweites Deck" hat sich auch auf die
vollgebauten Drei- und Vierdeckschiffe übertragen. Bei sehr großen Fahr¬
zeugen ist überhaupt der Unterschied zwischen voll- und spargebaut kaum
wesentlich.

Die Elbe stammte aus dem Jahre 1881 und war noch ein Eisenschiff.
Der heutige Schiffbau verwendet fast durchweg den dehnbaren, also weniger
zerreißbnren Stahl und erzielt dadurch eine Kostenersparnis, weil die Material¬
stärke geringer genommen werden kann und das Gewicht des Gesamtschiffes
sich erniedrigt, was für die Ladefähigkeit wichtig ist. Aber gleichviel ob Eisen
oder Stahl, dem Andrange des englischen Dampfers hätte die Außenhaut der
Elbe nimmer widerstanden, und wäre sie 25 Millimeter dick gewesen. Hat



*) In den Überfahrtsprospekten der Reedereien findet man statt dessen auch die Be¬
zeichnung Hurricanedeck oder Awningdeck, Anning (engl.) heißt eigentlich Sonnensegel. Der
Name soll daher stammen, daß diese Art von Schiffen zuerst im arabisch-indischen Verkehr
zur Beförderung von Mekkapilgern u. s. w. verwendet wurde; man ersetzte das ursprüngliche
Zeltdach durch ein Holzdach und später durch eine" geschlossenen Bau. Die Vorschriften der
Klassifikationsgesellschaften für die verschiednen Schiffsarten haben im Laufe der Jahre ge¬
wechselt, sodaß die ältern Dampfer nicht ohne weiteres in das heutige Schema passen.
Der Untergang der Lide

Seetüchtigkeit. Die ältere Cimbria wurde ursprünglich als Sturmdeckschiff
gebaut. Solche Fahrzeuge verwendet unter andern die Red Star Line in
Antwerpen mehrfach. Ihre Eigentümlichkeit besteht darin, daß das oberste Stock¬
werk viel schwächer als die untern gebaut ist, indem es gleichsam nur einen
durchlaufenden leichten Überbau über dem kräftigen Oberdeck darstellt, das
so zum zweiten, zum „Hauptdeck" wird. Sturmdeckschiffe dürfen nicht
so tief wie vollgebaute Schiffe beladen werden. Ihre wasserdichten Schotten
(Zwischenwände), die dazu dienen sollen, das Schiff in eine Anzahl selbständige
Abteilungen zu zerlegen, reichen im allgemeinen nicht, wie dies bei den übrigen
Schiffsarten sein muß, bis zum obersten Deck, sondern nur bis zum Hcmpt-
dcck. Die seeamtlichen Nachforschungen haben ergeben, daß die Cimbria, die
als „Spardecker" ging, später zwar in ihrem obern Teile verstärkt worden
war, aber nicht ausreichend, um ihr den Charakter als Sturmdecker ganz
zu nehmen, ferner daß die Schotten weder der Höhe noch der Festigkeit nach
genügten.

Die Elbe war ein Spardeckdampfer mit vier Decks. Spardeckschiffe sind
im ganzen etwas leichter gebaut als Frachtdampser. Im besondern gilt das
von dem obersten Deck, dem Spardeck, das jedoch stärker ist als das Sturm¬
deck*), von dem das Sturmdeckschiff feinen Namen führt. Auch das Spar¬
deckschiff muß mehr als das Vollschiff aus dem Wasser tauchen oder, wie der
technische Ausdruck lautet, „größern Freibord haben." Während jedoch das
Hauptdeck des Sturmdeckschiffs im allgemeinen beträchtlich über der Wasser¬
linie liegen soll, darf es beim Spardeckschiff noch eben darunter gehen. Der
Ausdruck „Hauptdeck" im Sinne von „zweites Deck" hat sich auch auf die
vollgebauten Drei- und Vierdeckschiffe übertragen. Bei sehr großen Fahr¬
zeugen ist überhaupt der Unterschied zwischen voll- und spargebaut kaum
wesentlich.

Die Elbe stammte aus dem Jahre 1881 und war noch ein Eisenschiff.
Der heutige Schiffbau verwendet fast durchweg den dehnbaren, also weniger
zerreißbnren Stahl und erzielt dadurch eine Kostenersparnis, weil die Material¬
stärke geringer genommen werden kann und das Gewicht des Gesamtschiffes
sich erniedrigt, was für die Ladefähigkeit wichtig ist. Aber gleichviel ob Eisen
oder Stahl, dem Andrange des englischen Dampfers hätte die Außenhaut der
Elbe nimmer widerstanden, und wäre sie 25 Millimeter dick gewesen. Hat



*) In den Überfahrtsprospekten der Reedereien findet man statt dessen auch die Be¬
zeichnung Hurricanedeck oder Awningdeck, Anning (engl.) heißt eigentlich Sonnensegel. Der
Name soll daher stammen, daß diese Art von Schiffen zuerst im arabisch-indischen Verkehr
zur Beförderung von Mekkapilgern u. s. w. verwendet wurde; man ersetzte das ursprüngliche
Zeltdach durch ein Holzdach und später durch eine» geschlossenen Bau. Die Vorschriften der
Klassifikationsgesellschaften für die verschiednen Schiffsarten haben im Laufe der Jahre ge¬
wechselt, sodaß die ältern Dampfer nicht ohne weiteres in das heutige Schema passen.
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[0357] Der Untergang der Lide Seetüchtigkeit. Die ältere Cimbria wurde ursprünglich als Sturmdeckschiff gebaut. Solche Fahrzeuge verwendet unter andern die Red Star Line in Antwerpen mehrfach. Ihre Eigentümlichkeit besteht darin, daß das oberste Stock¬ werk viel schwächer als die untern gebaut ist, indem es gleichsam nur einen durchlaufenden leichten Überbau über dem kräftigen Oberdeck darstellt, das so zum zweiten, zum „Hauptdeck" wird. Sturmdeckschiffe dürfen nicht so tief wie vollgebaute Schiffe beladen werden. Ihre wasserdichten Schotten (Zwischenwände), die dazu dienen sollen, das Schiff in eine Anzahl selbständige Abteilungen zu zerlegen, reichen im allgemeinen nicht, wie dies bei den übrigen Schiffsarten sein muß, bis zum obersten Deck, sondern nur bis zum Hcmpt- dcck. Die seeamtlichen Nachforschungen haben ergeben, daß die Cimbria, die als „Spardecker" ging, später zwar in ihrem obern Teile verstärkt worden war, aber nicht ausreichend, um ihr den Charakter als Sturmdecker ganz zu nehmen, ferner daß die Schotten weder der Höhe noch der Festigkeit nach genügten. Die Elbe war ein Spardeckdampfer mit vier Decks. Spardeckschiffe sind im ganzen etwas leichter gebaut als Frachtdampser. Im besondern gilt das von dem obersten Deck, dem Spardeck, das jedoch stärker ist als das Sturm¬ deck*), von dem das Sturmdeckschiff feinen Namen führt. Auch das Spar¬ deckschiff muß mehr als das Vollschiff aus dem Wasser tauchen oder, wie der technische Ausdruck lautet, „größern Freibord haben." Während jedoch das Hauptdeck des Sturmdeckschiffs im allgemeinen beträchtlich über der Wasser¬ linie liegen soll, darf es beim Spardeckschiff noch eben darunter gehen. Der Ausdruck „Hauptdeck" im Sinne von „zweites Deck" hat sich auch auf die vollgebauten Drei- und Vierdeckschiffe übertragen. Bei sehr großen Fahr¬ zeugen ist überhaupt der Unterschied zwischen voll- und spargebaut kaum wesentlich. Die Elbe stammte aus dem Jahre 1881 und war noch ein Eisenschiff. Der heutige Schiffbau verwendet fast durchweg den dehnbaren, also weniger zerreißbnren Stahl und erzielt dadurch eine Kostenersparnis, weil die Material¬ stärke geringer genommen werden kann und das Gewicht des Gesamtschiffes sich erniedrigt, was für die Ladefähigkeit wichtig ist. Aber gleichviel ob Eisen oder Stahl, dem Andrange des englischen Dampfers hätte die Außenhaut der Elbe nimmer widerstanden, und wäre sie 25 Millimeter dick gewesen. Hat *) In den Überfahrtsprospekten der Reedereien findet man statt dessen auch die Be¬ zeichnung Hurricanedeck oder Awningdeck, Anning (engl.) heißt eigentlich Sonnensegel. Der Name soll daher stammen, daß diese Art von Schiffen zuerst im arabisch-indischen Verkehr zur Beförderung von Mekkapilgern u. s. w. verwendet wurde; man ersetzte das ursprüngliche Zeltdach durch ein Holzdach und später durch eine» geschlossenen Bau. Die Vorschriften der Klassifikationsgesellschaften für die verschiednen Schiffsarten haben im Laufe der Jahre ge¬ wechselt, sodaß die ältern Dampfer nicht ohne weiteres in das heutige Schema passen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/357>, abgerufen am 24.05.2024.