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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr.

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Line Dorfbilanz

meindeflur ist mit 361947 Mark 53 Pfennigen angegeben, darf aber bei dem
gegenwärtigen Preise der Grundstücke nicht höher als mit 300 000 Mark an¬
gesetzt werden. Davon ist aber ein Viertel im Besitz von Auswärtigen, sodaß
der im Besitze der Bewohner befindliche Flurwert nur mit 225000 Mark an¬
genommen werden kann. Dazu kommt der Grundbesitz der Eingesessenen in
auswärtigen Gemeinden mit etwa 10000 Mark. Das giebt in Summa
310000 Mark.

Diese Zahlen sind nicht etwa absichtlich zu niedrig gegriffen; sie sind viel¬
mehr in Wirklichkeit viel zu hoch, wenn man berücksichtigt, daß in solchen
außerhalb der Verkehrswege befindlichen Gegenden ländlicher Besitz fast ganz
unverkäuflich ist.

Dem greifbaren Vermögen der Dorfeinwohner in dem angenommnen Be¬
trage von 310000 Mark stehen nun zunächst Hypotheken im Betrage von
100000 Mark gegenüber. Mindestens ebenso viel wie die Hypothekenschuld
wird die nicht eingetragne Schuld der Ortsbewohner zusammen ausmachen;
sie soll aber hier gar uicht in Anschlag gebracht werden, sodaß als reines
Vermögen der 76 Steuerzahler die Summe von 210000 Mark verbliebe.
Bon diesen 76 Steuerzahlern des Ortes sind: 13 überverschuldet, 39 zur Hälfte
und mehr verschuldet, 20 bis zur Hälfte verschuldet, 4 ohne Schulden. Zu
den letzten gehören außer dem Pfarrer und dem Lehrer, die baren Gehalt be¬
ziehen, nur zwei Bauern. Diese allgemeine Lage wurde durch eine Umfrage
festgestellt. Viele kleine Schulden können nicht genau angegeben werden, weil
bei einer Wirtschaft ohne Buchführung in diesen Dörfern oft nicht einmal der
Gläubiger weiß, was er vom Schuldner zu fordern hat. Um nicht in den
Verdacht zu kommen, die Lage des Dorfes zu schwarz zu malen, will ich
die große Gesamtsumme der vielen kleinen Schulden weglassen.

Staat und Gemeinde würden also ihre Steuern von dem Reste mit
210000 Mark von den Bewohnern von Düdinghausen und dazu die Grund¬
steuer von denen zu erheben haben, die in andern Orten wohnen, aber in der
Flur ihren Besitz haben. Diesen Rest von 210000 Mark verteilt auf 76 Steuer¬
zahler, giebt für jeden durchschnittlich ein freies Vermögen von 2765 Mark
80 Pfennigen. Nähme man wohlmeinend an, die landwirtschaftliche Arbeit
in diesem Orte gäbe einen Ertrag von wenigstens 3 Prozent -- womit sich
die durchschnittliche Höhe des vorjährigen Hafers mit 12 bis 16 Centimeter,
der vorjährige Ausfall von Klee, Wicken und Heu kaum vereinigen läßt --,
so würde jeder eine Steuer von einem Einkommen von 82 Mark 93 Pfennigen
zu zahlen haben.

Von Steuerkraft kann aber hier nicht die Rede sein. Solche haben
eigentlich nur vier Bewohner des Dorfes. An Staatssteuer und Gemeinde¬
steuer (350 Prozent der Staatssteuer) wurden im letzten Jahre 1331 Mark er¬
hoben. Zieht man davon 30 Mark 4 Pfennige, die an den Staat abgeliefert


Line Dorfbilanz

meindeflur ist mit 361947 Mark 53 Pfennigen angegeben, darf aber bei dem
gegenwärtigen Preise der Grundstücke nicht höher als mit 300 000 Mark an¬
gesetzt werden. Davon ist aber ein Viertel im Besitz von Auswärtigen, sodaß
der im Besitze der Bewohner befindliche Flurwert nur mit 225000 Mark an¬
genommen werden kann. Dazu kommt der Grundbesitz der Eingesessenen in
auswärtigen Gemeinden mit etwa 10000 Mark. Das giebt in Summa
310000 Mark.

Diese Zahlen sind nicht etwa absichtlich zu niedrig gegriffen; sie sind viel¬
mehr in Wirklichkeit viel zu hoch, wenn man berücksichtigt, daß in solchen
außerhalb der Verkehrswege befindlichen Gegenden ländlicher Besitz fast ganz
unverkäuflich ist.

Dem greifbaren Vermögen der Dorfeinwohner in dem angenommnen Be¬
trage von 310000 Mark stehen nun zunächst Hypotheken im Betrage von
100000 Mark gegenüber. Mindestens ebenso viel wie die Hypothekenschuld
wird die nicht eingetragne Schuld der Ortsbewohner zusammen ausmachen;
sie soll aber hier gar uicht in Anschlag gebracht werden, sodaß als reines
Vermögen der 76 Steuerzahler die Summe von 210000 Mark verbliebe.
Bon diesen 76 Steuerzahlern des Ortes sind: 13 überverschuldet, 39 zur Hälfte
und mehr verschuldet, 20 bis zur Hälfte verschuldet, 4 ohne Schulden. Zu
den letzten gehören außer dem Pfarrer und dem Lehrer, die baren Gehalt be¬
ziehen, nur zwei Bauern. Diese allgemeine Lage wurde durch eine Umfrage
festgestellt. Viele kleine Schulden können nicht genau angegeben werden, weil
bei einer Wirtschaft ohne Buchführung in diesen Dörfern oft nicht einmal der
Gläubiger weiß, was er vom Schuldner zu fordern hat. Um nicht in den
Verdacht zu kommen, die Lage des Dorfes zu schwarz zu malen, will ich
die große Gesamtsumme der vielen kleinen Schulden weglassen.

Staat und Gemeinde würden also ihre Steuern von dem Reste mit
210000 Mark von den Bewohnern von Düdinghausen und dazu die Grund¬
steuer von denen zu erheben haben, die in andern Orten wohnen, aber in der
Flur ihren Besitz haben. Diesen Rest von 210000 Mark verteilt auf 76 Steuer¬
zahler, giebt für jeden durchschnittlich ein freies Vermögen von 2765 Mark
80 Pfennigen. Nähme man wohlmeinend an, die landwirtschaftliche Arbeit
in diesem Orte gäbe einen Ertrag von wenigstens 3 Prozent — womit sich
die durchschnittliche Höhe des vorjährigen Hafers mit 12 bis 16 Centimeter,
der vorjährige Ausfall von Klee, Wicken und Heu kaum vereinigen läßt —,
so würde jeder eine Steuer von einem Einkommen von 82 Mark 93 Pfennigen
zu zahlen haben.

Von Steuerkraft kann aber hier nicht die Rede sein. Solche haben
eigentlich nur vier Bewohner des Dorfes. An Staatssteuer und Gemeinde¬
steuer (350 Prozent der Staatssteuer) wurden im letzten Jahre 1331 Mark er¬
hoben. Zieht man davon 30 Mark 4 Pfennige, die an den Staat abgeliefert


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[0367] Line Dorfbilanz meindeflur ist mit 361947 Mark 53 Pfennigen angegeben, darf aber bei dem gegenwärtigen Preise der Grundstücke nicht höher als mit 300 000 Mark an¬ gesetzt werden. Davon ist aber ein Viertel im Besitz von Auswärtigen, sodaß der im Besitze der Bewohner befindliche Flurwert nur mit 225000 Mark an¬ genommen werden kann. Dazu kommt der Grundbesitz der Eingesessenen in auswärtigen Gemeinden mit etwa 10000 Mark. Das giebt in Summa 310000 Mark. Diese Zahlen sind nicht etwa absichtlich zu niedrig gegriffen; sie sind viel¬ mehr in Wirklichkeit viel zu hoch, wenn man berücksichtigt, daß in solchen außerhalb der Verkehrswege befindlichen Gegenden ländlicher Besitz fast ganz unverkäuflich ist. Dem greifbaren Vermögen der Dorfeinwohner in dem angenommnen Be¬ trage von 310000 Mark stehen nun zunächst Hypotheken im Betrage von 100000 Mark gegenüber. Mindestens ebenso viel wie die Hypothekenschuld wird die nicht eingetragne Schuld der Ortsbewohner zusammen ausmachen; sie soll aber hier gar uicht in Anschlag gebracht werden, sodaß als reines Vermögen der 76 Steuerzahler die Summe von 210000 Mark verbliebe. Bon diesen 76 Steuerzahlern des Ortes sind: 13 überverschuldet, 39 zur Hälfte und mehr verschuldet, 20 bis zur Hälfte verschuldet, 4 ohne Schulden. Zu den letzten gehören außer dem Pfarrer und dem Lehrer, die baren Gehalt be¬ ziehen, nur zwei Bauern. Diese allgemeine Lage wurde durch eine Umfrage festgestellt. Viele kleine Schulden können nicht genau angegeben werden, weil bei einer Wirtschaft ohne Buchführung in diesen Dörfern oft nicht einmal der Gläubiger weiß, was er vom Schuldner zu fordern hat. Um nicht in den Verdacht zu kommen, die Lage des Dorfes zu schwarz zu malen, will ich die große Gesamtsumme der vielen kleinen Schulden weglassen. Staat und Gemeinde würden also ihre Steuern von dem Reste mit 210000 Mark von den Bewohnern von Düdinghausen und dazu die Grund¬ steuer von denen zu erheben haben, die in andern Orten wohnen, aber in der Flur ihren Besitz haben. Diesen Rest von 210000 Mark verteilt auf 76 Steuer¬ zahler, giebt für jeden durchschnittlich ein freies Vermögen von 2765 Mark 80 Pfennigen. Nähme man wohlmeinend an, die landwirtschaftliche Arbeit in diesem Orte gäbe einen Ertrag von wenigstens 3 Prozent — womit sich die durchschnittliche Höhe des vorjährigen Hafers mit 12 bis 16 Centimeter, der vorjährige Ausfall von Klee, Wicken und Heu kaum vereinigen läßt —, so würde jeder eine Steuer von einem Einkommen von 82 Mark 93 Pfennigen zu zahlen haben. Von Steuerkraft kann aber hier nicht die Rede sein. Solche haben eigentlich nur vier Bewohner des Dorfes. An Staatssteuer und Gemeinde¬ steuer (350 Prozent der Staatssteuer) wurden im letzten Jahre 1331 Mark er¬ hoben. Zieht man davon 30 Mark 4 Pfennige, die an den Staat abgeliefert

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_219001/367>, abgerufen am 27.05.2024.