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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Aonrad Fiedler

Paris. Denn die dritte Neuigkeit, die ich ihm mitgebracht hatte, war die
Schilderung des Eindrucks gewesen, den Paris auf mich gemacht hatte, das
er noch nicht kannte. Und so lockte es ihn vor allem dorthin, um zunächst
an der vornehmsten modernen Kulturstätte einen längern Aufenthalt zu nehmen.
Spätere Reisen führten ihn auch zu den Kulturstätten des Altertums, nament¬
lich zu denen, die sich um das Mittelmeer gruppiren, nach Spanien, Ägypten,
Syrien, Palästina. Dauernder verweilte er verschiednemal in Italien, erst in
Rom, später in Florenz.

In den Jahren 1868 bis 1872 hatte ich noch einmal das Glück, längere
Zeit mit ihm zusammen im vertrautesten persönlichen Verkehr in Berlin zu
leben. Es hatte sich wieder ein kleiner Freundeskreis gebildet, der aber doch
noch durch wichtigere und klarer erkannte Ziele verbunden war, als der noch
jugendlichere und harmlosere Kreis, in dem ich ihn kennen gelernt hatte.

Nach seiner Verheiratung im Jahre 1875 ließ sich Fiedler zunächst in
Berlin nieder und siedelte dann dauernd nach München über, der Heimat seiner
Gattin.

Diese kurzen Angaben über den äußern Lebensgang Fiedlers und über
meine persönlichen Beziehungen zu ihm mögen genügen. Ich will mich nun
zu der Hauptaufgabe wenden, die ich mir gestellt habe: ein, wenn auch nur
unvollkommnes, so doch möglichst getreues Abbild des Wesens und Wirkens
eines der edelsten, begabtesten Menschen zu geben.

Seine Reisen, besonders sein erster längerer Aufenthalt in Rom hatten
Fiedler in persönliche Berührung mit einigen jungen Künstlern gebracht, die er
in den schwierigen Anfängen ihrer Laufbahn ermutigte und unterstützte. Diese
Entwicklung vom Kunstfreunde zum Künstlerfreunde, die eine ihn immer mehr in
Anspruch nehmende, aber mit steter Freudigkeit und aufopfernder Liebe von ihm
erfüllte Lebensaufgabe für ihn wurde, hat ihm mit Recht den Ruf eines Be-
schützers von Kunst und Künstlern, den Namen eines Mäcen eingetragen.

Ein kurz nach seinem Tode in der Frankfurter Zeitung erschienener Aufsatz
von Wilhelm Porte hat ihn in dieser Eigenschaft, sowie auch als Kunstschrift¬
steller so vortrefflich charakterisirt und gewürdigt, daß ich eigentlich nichts
besseres thun könnte, als diese meisterhafte Skizze hier wiederzugeben. Doch
möchte ich, selbst auf die Gefahr hiu, mit andern Worten manches schon in
jenem Aufsatz enthaltene zu wiederholen, meine eigne Auffassung darlegen.
Es läßt sich ja auch noch viel zur Ergänzung und Erläuterung jener kurz ge¬
faßten Charakteristik hinzufügen.

Alle Schwächen, die dem landläufigen Mäzenatentum anzuhaften Pflegen,
waren der Art, wie sich Fiedler dieser Aufgabe unterzog, fremd. Sein Ver¬
hältnis zum Künstler war nicht das des Dilettanten, der den Umgang mit
Künstlern sucht und sich etwas kosten läßt, um sich selbst als Künstler zu
fühlen. Es war auch nicht das Verhältnis des reichen Genußmenschen, für


Aonrad Fiedler

Paris. Denn die dritte Neuigkeit, die ich ihm mitgebracht hatte, war die
Schilderung des Eindrucks gewesen, den Paris auf mich gemacht hatte, das
er noch nicht kannte. Und so lockte es ihn vor allem dorthin, um zunächst
an der vornehmsten modernen Kulturstätte einen längern Aufenthalt zu nehmen.
Spätere Reisen führten ihn auch zu den Kulturstätten des Altertums, nament¬
lich zu denen, die sich um das Mittelmeer gruppiren, nach Spanien, Ägypten,
Syrien, Palästina. Dauernder verweilte er verschiednemal in Italien, erst in
Rom, später in Florenz.

In den Jahren 1868 bis 1872 hatte ich noch einmal das Glück, längere
Zeit mit ihm zusammen im vertrautesten persönlichen Verkehr in Berlin zu
leben. Es hatte sich wieder ein kleiner Freundeskreis gebildet, der aber doch
noch durch wichtigere und klarer erkannte Ziele verbunden war, als der noch
jugendlichere und harmlosere Kreis, in dem ich ihn kennen gelernt hatte.

Nach seiner Verheiratung im Jahre 1875 ließ sich Fiedler zunächst in
Berlin nieder und siedelte dann dauernd nach München über, der Heimat seiner
Gattin.

Diese kurzen Angaben über den äußern Lebensgang Fiedlers und über
meine persönlichen Beziehungen zu ihm mögen genügen. Ich will mich nun
zu der Hauptaufgabe wenden, die ich mir gestellt habe: ein, wenn auch nur
unvollkommnes, so doch möglichst getreues Abbild des Wesens und Wirkens
eines der edelsten, begabtesten Menschen zu geben.

Seine Reisen, besonders sein erster längerer Aufenthalt in Rom hatten
Fiedler in persönliche Berührung mit einigen jungen Künstlern gebracht, die er
in den schwierigen Anfängen ihrer Laufbahn ermutigte und unterstützte. Diese
Entwicklung vom Kunstfreunde zum Künstlerfreunde, die eine ihn immer mehr in
Anspruch nehmende, aber mit steter Freudigkeit und aufopfernder Liebe von ihm
erfüllte Lebensaufgabe für ihn wurde, hat ihm mit Recht den Ruf eines Be-
schützers von Kunst und Künstlern, den Namen eines Mäcen eingetragen.

Ein kurz nach seinem Tode in der Frankfurter Zeitung erschienener Aufsatz
von Wilhelm Porte hat ihn in dieser Eigenschaft, sowie auch als Kunstschrift¬
steller so vortrefflich charakterisirt und gewürdigt, daß ich eigentlich nichts
besseres thun könnte, als diese meisterhafte Skizze hier wiederzugeben. Doch
möchte ich, selbst auf die Gefahr hiu, mit andern Worten manches schon in
jenem Aufsatz enthaltene zu wiederholen, meine eigne Auffassung darlegen.
Es läßt sich ja auch noch viel zur Ergänzung und Erläuterung jener kurz ge¬
faßten Charakteristik hinzufügen.

Alle Schwächen, die dem landläufigen Mäzenatentum anzuhaften Pflegen,
waren der Art, wie sich Fiedler dieser Aufgabe unterzog, fremd. Sein Ver¬
hältnis zum Künstler war nicht das des Dilettanten, der den Umgang mit
Künstlern sucht und sich etwas kosten läßt, um sich selbst als Künstler zu
fühlen. Es war auch nicht das Verhältnis des reichen Genußmenschen, für


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[0280] Aonrad Fiedler Paris. Denn die dritte Neuigkeit, die ich ihm mitgebracht hatte, war die Schilderung des Eindrucks gewesen, den Paris auf mich gemacht hatte, das er noch nicht kannte. Und so lockte es ihn vor allem dorthin, um zunächst an der vornehmsten modernen Kulturstätte einen längern Aufenthalt zu nehmen. Spätere Reisen führten ihn auch zu den Kulturstätten des Altertums, nament¬ lich zu denen, die sich um das Mittelmeer gruppiren, nach Spanien, Ägypten, Syrien, Palästina. Dauernder verweilte er verschiednemal in Italien, erst in Rom, später in Florenz. In den Jahren 1868 bis 1872 hatte ich noch einmal das Glück, längere Zeit mit ihm zusammen im vertrautesten persönlichen Verkehr in Berlin zu leben. Es hatte sich wieder ein kleiner Freundeskreis gebildet, der aber doch noch durch wichtigere und klarer erkannte Ziele verbunden war, als der noch jugendlichere und harmlosere Kreis, in dem ich ihn kennen gelernt hatte. Nach seiner Verheiratung im Jahre 1875 ließ sich Fiedler zunächst in Berlin nieder und siedelte dann dauernd nach München über, der Heimat seiner Gattin. Diese kurzen Angaben über den äußern Lebensgang Fiedlers und über meine persönlichen Beziehungen zu ihm mögen genügen. Ich will mich nun zu der Hauptaufgabe wenden, die ich mir gestellt habe: ein, wenn auch nur unvollkommnes, so doch möglichst getreues Abbild des Wesens und Wirkens eines der edelsten, begabtesten Menschen zu geben. Seine Reisen, besonders sein erster längerer Aufenthalt in Rom hatten Fiedler in persönliche Berührung mit einigen jungen Künstlern gebracht, die er in den schwierigen Anfängen ihrer Laufbahn ermutigte und unterstützte. Diese Entwicklung vom Kunstfreunde zum Künstlerfreunde, die eine ihn immer mehr in Anspruch nehmende, aber mit steter Freudigkeit und aufopfernder Liebe von ihm erfüllte Lebensaufgabe für ihn wurde, hat ihm mit Recht den Ruf eines Be- schützers von Kunst und Künstlern, den Namen eines Mäcen eingetragen. Ein kurz nach seinem Tode in der Frankfurter Zeitung erschienener Aufsatz von Wilhelm Porte hat ihn in dieser Eigenschaft, sowie auch als Kunstschrift¬ steller so vortrefflich charakterisirt und gewürdigt, daß ich eigentlich nichts besseres thun könnte, als diese meisterhafte Skizze hier wiederzugeben. Doch möchte ich, selbst auf die Gefahr hiu, mit andern Worten manches schon in jenem Aufsatz enthaltene zu wiederholen, meine eigne Auffassung darlegen. Es läßt sich ja auch noch viel zur Ergänzung und Erläuterung jener kurz ge¬ faßten Charakteristik hinzufügen. Alle Schwächen, die dem landläufigen Mäzenatentum anzuhaften Pflegen, waren der Art, wie sich Fiedler dieser Aufgabe unterzog, fremd. Sein Ver¬ hältnis zum Künstler war nicht das des Dilettanten, der den Umgang mit Künstlern sucht und sich etwas kosten läßt, um sich selbst als Künstler zu fühlen. Es war auch nicht das Verhältnis des reichen Genußmenschen, für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/280>, abgerufen am 16.06.2024.