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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Konrcid Fiedler

den die Beschäftigung mit der Kunst nichts weiter ist mis eine Unterhaltung
und Zerstreuung in müßigen Stunden, und der in dem Künstler selbst, der
ihm dieses Vergnügen verschafft, eben auch nur einen von den vielen sieht,
die für seine Bequemlichkeit und Annehmlichkeit arbeiten, nur daß er diesem
die Ehre erweist, ihn von Zeit zu Zeit an seine Tafel zu ziehen, mehr um
mit feiner eignen Liberalität zu prunken, als um dem .Künstler ein Vergnügen
zu machen. Fiedlers Verhältnis zu denen, die er förderte, war nicht --
aber wie viel könnte man noch sagen, was es nicht war. Ich habe ja hier
keine Anklageschrift zu schreiben; also genüge es, zu sagen, daß sich in dieses
Verhältnis kein egoistisches Motiv, keine unlautere Nebenabsicht mischte. Um
es auf die kürzeste Formel zu bringen: er war der Freund derer, die er als
Künstler beschützte.

Was das zu bedeuten hat, darüber wird man sich klar werden, wenn
man bedenkt, in welcher unsichern Lage sich der Künstler der Welt gegenüber
befindet.

Wer sich der Kunst widmet, der scheidet gewissermaßen aus der bürger¬
lichen Gesellschaft aus, weil er sich der Hauptverpflichtung entzieht, die diese
ihren Mitgliedern auferlegt: in erster Linie darauf bedacht zu sein, für ihren
und ihrer Angehörigen Lebensunterhalt zu sorgen, oder, wenn das nicht nötig
ist, doch überhaupt etwas nützliches zu thun, um ihren Platz am Lebenstische
M verdienen. Es heißt nun zwar: die Kunst geht nach Brot, aber dieses
Brot ist nicht ein im eigentlichen Sinne verdientes, sondern, um es kurz und
deutlich zu sage,,, ein Bettelbrot. Eine harte Wahrheit, die auch in dem
Sprichwort ihre Ausprägung erhalten hat: Kunst braucht Gunst. Soviel auch
der Künstler arbeiten, ja soviel Erfolge er auch erringen mag, immer ist das.
was er hervorbringt, nichts im eigentlichen Sinne nützliches, sondern ein völlig
entbehrliches, ein Luxus, und er hat daher keinen strikten Anspruch auf ein
Entgelt für seine Leistungen, er ist aus das angewiesen, was ihm die Großmut
oder -- die Filzigkeit derer, die an seinen Werken Gefallen finden, dafür
zuzuwenden beliebt, auf ein Honorar, das eben -- und leider oft genug
nicht nur im eigentlichen, tiefern Sinne, sondern auch nach der allgemein
angenommnen Bedeutung des Wortes -- ein Bettellohn ist. Dieser nicht
wegzuleugnende und nicht zu beseitigende Umstand ist es. der der Künstler¬
welt, die sich im Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft gebildet hat, der
Bohöme, ihren Stempel aufdrückt. Es ist eine Welt für sich, eine Welt
der Geächteten und Gemiednen. Geachtet, denn man verachtet sie wegen ihrer
offenbaren Vernachlässigung einer anerkannten Hauptpflicht; gemieden, weil
jeder, der mit ihr in allzu nahe Berührung kommt, die nicht unbegründete
Sorge hegen muß, früher oder später doch einmal finanziell von ihr in Mit¬
leidenschaft gezogen zu werden. Daß dieses Geachtet- und Gemiedensein von
leben Insassen dieses Wuuderhofs einPfunden wird und imstande ist, ihm


Grenzboten III 1395 35
Konrcid Fiedler

den die Beschäftigung mit der Kunst nichts weiter ist mis eine Unterhaltung
und Zerstreuung in müßigen Stunden, und der in dem Künstler selbst, der
ihm dieses Vergnügen verschafft, eben auch nur einen von den vielen sieht,
die für seine Bequemlichkeit und Annehmlichkeit arbeiten, nur daß er diesem
die Ehre erweist, ihn von Zeit zu Zeit an seine Tafel zu ziehen, mehr um
mit feiner eignen Liberalität zu prunken, als um dem .Künstler ein Vergnügen
zu machen. Fiedlers Verhältnis zu denen, die er förderte, war nicht —
aber wie viel könnte man noch sagen, was es nicht war. Ich habe ja hier
keine Anklageschrift zu schreiben; also genüge es, zu sagen, daß sich in dieses
Verhältnis kein egoistisches Motiv, keine unlautere Nebenabsicht mischte. Um
es auf die kürzeste Formel zu bringen: er war der Freund derer, die er als
Künstler beschützte.

Was das zu bedeuten hat, darüber wird man sich klar werden, wenn
man bedenkt, in welcher unsichern Lage sich der Künstler der Welt gegenüber
befindet.

Wer sich der Kunst widmet, der scheidet gewissermaßen aus der bürger¬
lichen Gesellschaft aus, weil er sich der Hauptverpflichtung entzieht, die diese
ihren Mitgliedern auferlegt: in erster Linie darauf bedacht zu sein, für ihren
und ihrer Angehörigen Lebensunterhalt zu sorgen, oder, wenn das nicht nötig
ist, doch überhaupt etwas nützliches zu thun, um ihren Platz am Lebenstische
M verdienen. Es heißt nun zwar: die Kunst geht nach Brot, aber dieses
Brot ist nicht ein im eigentlichen Sinne verdientes, sondern, um es kurz und
deutlich zu sage,,, ein Bettelbrot. Eine harte Wahrheit, die auch in dem
Sprichwort ihre Ausprägung erhalten hat: Kunst braucht Gunst. Soviel auch
der Künstler arbeiten, ja soviel Erfolge er auch erringen mag, immer ist das.
was er hervorbringt, nichts im eigentlichen Sinne nützliches, sondern ein völlig
entbehrliches, ein Luxus, und er hat daher keinen strikten Anspruch auf ein
Entgelt für seine Leistungen, er ist aus das angewiesen, was ihm die Großmut
oder — die Filzigkeit derer, die an seinen Werken Gefallen finden, dafür
zuzuwenden beliebt, auf ein Honorar, das eben — und leider oft genug
nicht nur im eigentlichen, tiefern Sinne, sondern auch nach der allgemein
angenommnen Bedeutung des Wortes — ein Bettellohn ist. Dieser nicht
wegzuleugnende und nicht zu beseitigende Umstand ist es. der der Künstler¬
welt, die sich im Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft gebildet hat, der
Bohöme, ihren Stempel aufdrückt. Es ist eine Welt für sich, eine Welt
der Geächteten und Gemiednen. Geachtet, denn man verachtet sie wegen ihrer
offenbaren Vernachlässigung einer anerkannten Hauptpflicht; gemieden, weil
jeder, der mit ihr in allzu nahe Berührung kommt, die nicht unbegründete
Sorge hegen muß, früher oder später doch einmal finanziell von ihr in Mit¬
leidenschaft gezogen zu werden. Daß dieses Geachtet- und Gemiedensein von
leben Insassen dieses Wuuderhofs einPfunden wird und imstande ist, ihm


Grenzboten III 1395 35
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[0281] Konrcid Fiedler den die Beschäftigung mit der Kunst nichts weiter ist mis eine Unterhaltung und Zerstreuung in müßigen Stunden, und der in dem Künstler selbst, der ihm dieses Vergnügen verschafft, eben auch nur einen von den vielen sieht, die für seine Bequemlichkeit und Annehmlichkeit arbeiten, nur daß er diesem die Ehre erweist, ihn von Zeit zu Zeit an seine Tafel zu ziehen, mehr um mit feiner eignen Liberalität zu prunken, als um dem .Künstler ein Vergnügen zu machen. Fiedlers Verhältnis zu denen, die er förderte, war nicht — aber wie viel könnte man noch sagen, was es nicht war. Ich habe ja hier keine Anklageschrift zu schreiben; also genüge es, zu sagen, daß sich in dieses Verhältnis kein egoistisches Motiv, keine unlautere Nebenabsicht mischte. Um es auf die kürzeste Formel zu bringen: er war der Freund derer, die er als Künstler beschützte. Was das zu bedeuten hat, darüber wird man sich klar werden, wenn man bedenkt, in welcher unsichern Lage sich der Künstler der Welt gegenüber befindet. Wer sich der Kunst widmet, der scheidet gewissermaßen aus der bürger¬ lichen Gesellschaft aus, weil er sich der Hauptverpflichtung entzieht, die diese ihren Mitgliedern auferlegt: in erster Linie darauf bedacht zu sein, für ihren und ihrer Angehörigen Lebensunterhalt zu sorgen, oder, wenn das nicht nötig ist, doch überhaupt etwas nützliches zu thun, um ihren Platz am Lebenstische M verdienen. Es heißt nun zwar: die Kunst geht nach Brot, aber dieses Brot ist nicht ein im eigentlichen Sinne verdientes, sondern, um es kurz und deutlich zu sage,,, ein Bettelbrot. Eine harte Wahrheit, die auch in dem Sprichwort ihre Ausprägung erhalten hat: Kunst braucht Gunst. Soviel auch der Künstler arbeiten, ja soviel Erfolge er auch erringen mag, immer ist das. was er hervorbringt, nichts im eigentlichen Sinne nützliches, sondern ein völlig entbehrliches, ein Luxus, und er hat daher keinen strikten Anspruch auf ein Entgelt für seine Leistungen, er ist aus das angewiesen, was ihm die Großmut oder — die Filzigkeit derer, die an seinen Werken Gefallen finden, dafür zuzuwenden beliebt, auf ein Honorar, das eben — und leider oft genug nicht nur im eigentlichen, tiefern Sinne, sondern auch nach der allgemein angenommnen Bedeutung des Wortes — ein Bettellohn ist. Dieser nicht wegzuleugnende und nicht zu beseitigende Umstand ist es. der der Künstler¬ welt, die sich im Gegensatz zur bürgerlichen Gesellschaft gebildet hat, der Bohöme, ihren Stempel aufdrückt. Es ist eine Welt für sich, eine Welt der Geächteten und Gemiednen. Geachtet, denn man verachtet sie wegen ihrer offenbaren Vernachlässigung einer anerkannten Hauptpflicht; gemieden, weil jeder, der mit ihr in allzu nahe Berührung kommt, die nicht unbegründete Sorge hegen muß, früher oder später doch einmal finanziell von ihr in Mit¬ leidenschaft gezogen zu werden. Daß dieses Geachtet- und Gemiedensein von leben Insassen dieses Wuuderhofs einPfunden wird und imstande ist, ihm Grenzboten III 1395 35

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/281>, abgerufen am 16.06.2024.