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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Konrad Fiedler

sich selbst, sagt Michelangelo. Dieses sein geistiges Ich, das das Ideal in
sich trägt, diese ihm angeborne Harmonie, oder den Sinn für die Harmonie,
die in der Welt liegt und von denen nicht wahrgenommen wird, deren Ohr
nur sür Nebengeräusche empfänglich ist, diese völlige Hingebung an die Natur,
für die allein die Welt der Erscheinungen kein Chaos, kein Rätsel ist, mit einem
Worte, diese seine Weltauffassung zum entsprechenden Ausdruck zu bringen, ist
vor allem das, was dem Künstler obliegt. Dadurch allein ist er etwas für
die Menschheit, bereichert er sie um etwas, das überflüssig sein mag, aber der
köstlichste, edelste Luxus ist, den die Kulturarbeit hervorbringt. In dieser In¬
dividualität sah sich der Glückliche, der Fiedler begegnete, begriffen und ge¬
würdigt.

So bestand denn auch der Nutzen, den er seinen Künstlerfreunden brachte,
in erster Linie wesentlich in einer innerlichen Förderung. In dem erwähnten
Aufsatz von Wilhelm Porte heißt es ganz richtig: "Es kam ihm nicht in den
Sinn, die Künstler, mit denen er in Verbindung stand, irgendwie beeinflussen
zu Wollen; daß sie sich im geringsten nach ihm zu richten hätten, nach seinen
Wünschen, Neigungen, Ansichten, das war in diesen Verhältnissen durchaus
ausgeschlossen. Er war überzeugt, daß dem Mäcen ganz und gar die Rolle
des Empfangenden zukomme, daß er einzig die Künstler in die Möglichkeit zu
versetzen habe, so zu arbeiten, wie es ihnen selbst am tauglichsten erschien!"
Fiedler war weniger ein beratender als ein erratender Freund. Aber desto
größer war sein ungesuchter Einfluß auf das Schaffen seiner Freunde. "Ein
solcher ungesuchter Einfluß, sagt Goethe, entspringt aus der Fähigkeit, das
Talent zu lieben, es zu begreifen, sich selbst zu entzünden beim Anblick der
Eindrücke, die es hervorbringt. Diejenigen, die wissen, wie der Gedanke sich
vergrößert und befruchtet, indem loir ihn vor einer andern Intelligenz ent¬
wickeln, daß die Hälfte der Beredsamkeit in den Augen derer ist, die euch zu¬
hören, daß der zur Ausführung nötige Mut aus dem Anteil geschöpft werden
muß, den das Unternehmen in andern erweckt," diese, fügen wir hinzu, werden
auch begreifen, welchen großen, segensreichen Einfluß Fiedler auf das künstle¬
rische Schaffen seiner Freunde haben mußte. Es war seine Liebe zur Kunst,
die ihn dazu befähigte; diese selbstlose Hingebung an eine Sache, die alles
Große im Menschen hervorbringt. Und er liebte die Kunst, wie er die Natur
liebte, mit derselben scheuen Ehrfurcht vor ihren Werken, ohne je auf die ver¬
messene Idee zu kommen, da eingreifen und vorgreifen zu wollen. Er ehrte
den künstlerischen Genius als die höchste Gabe, die der Mensch von Gott em¬
pfangen hat. freute sich seines Schaffens, ohne den Ehrgeiz oder die Eitelkeit
zu haben, anders dabei thätig zu sein, als es ihm seine eigne Begabung und
seine Mittel erlaubten. Es war in ihm nicht eine Spur von Dilettantismus,
deshalb stand er dem künstlerischen Schaffen und den schaffenden Persönlich¬
keiten so durchaus neidlos, so objektiv gegenüber.


Konrad Fiedler

sich selbst, sagt Michelangelo. Dieses sein geistiges Ich, das das Ideal in
sich trägt, diese ihm angeborne Harmonie, oder den Sinn für die Harmonie,
die in der Welt liegt und von denen nicht wahrgenommen wird, deren Ohr
nur sür Nebengeräusche empfänglich ist, diese völlige Hingebung an die Natur,
für die allein die Welt der Erscheinungen kein Chaos, kein Rätsel ist, mit einem
Worte, diese seine Weltauffassung zum entsprechenden Ausdruck zu bringen, ist
vor allem das, was dem Künstler obliegt. Dadurch allein ist er etwas für
die Menschheit, bereichert er sie um etwas, das überflüssig sein mag, aber der
köstlichste, edelste Luxus ist, den die Kulturarbeit hervorbringt. In dieser In¬
dividualität sah sich der Glückliche, der Fiedler begegnete, begriffen und ge¬
würdigt.

So bestand denn auch der Nutzen, den er seinen Künstlerfreunden brachte,
in erster Linie wesentlich in einer innerlichen Förderung. In dem erwähnten
Aufsatz von Wilhelm Porte heißt es ganz richtig: „Es kam ihm nicht in den
Sinn, die Künstler, mit denen er in Verbindung stand, irgendwie beeinflussen
zu Wollen; daß sie sich im geringsten nach ihm zu richten hätten, nach seinen
Wünschen, Neigungen, Ansichten, das war in diesen Verhältnissen durchaus
ausgeschlossen. Er war überzeugt, daß dem Mäcen ganz und gar die Rolle
des Empfangenden zukomme, daß er einzig die Künstler in die Möglichkeit zu
versetzen habe, so zu arbeiten, wie es ihnen selbst am tauglichsten erschien!"
Fiedler war weniger ein beratender als ein erratender Freund. Aber desto
größer war sein ungesuchter Einfluß auf das Schaffen seiner Freunde. „Ein
solcher ungesuchter Einfluß, sagt Goethe, entspringt aus der Fähigkeit, das
Talent zu lieben, es zu begreifen, sich selbst zu entzünden beim Anblick der
Eindrücke, die es hervorbringt. Diejenigen, die wissen, wie der Gedanke sich
vergrößert und befruchtet, indem loir ihn vor einer andern Intelligenz ent¬
wickeln, daß die Hälfte der Beredsamkeit in den Augen derer ist, die euch zu¬
hören, daß der zur Ausführung nötige Mut aus dem Anteil geschöpft werden
muß, den das Unternehmen in andern erweckt," diese, fügen wir hinzu, werden
auch begreifen, welchen großen, segensreichen Einfluß Fiedler auf das künstle¬
rische Schaffen seiner Freunde haben mußte. Es war seine Liebe zur Kunst,
die ihn dazu befähigte; diese selbstlose Hingebung an eine Sache, die alles
Große im Menschen hervorbringt. Und er liebte die Kunst, wie er die Natur
liebte, mit derselben scheuen Ehrfurcht vor ihren Werken, ohne je auf die ver¬
messene Idee zu kommen, da eingreifen und vorgreifen zu wollen. Er ehrte
den künstlerischen Genius als die höchste Gabe, die der Mensch von Gott em¬
pfangen hat. freute sich seines Schaffens, ohne den Ehrgeiz oder die Eitelkeit
zu haben, anders dabei thätig zu sein, als es ihm seine eigne Begabung und
seine Mittel erlaubten. Es war in ihm nicht eine Spur von Dilettantismus,
deshalb stand er dem künstlerischen Schaffen und den schaffenden Persönlich¬
keiten so durchaus neidlos, so objektiv gegenüber.


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[0283] Konrad Fiedler sich selbst, sagt Michelangelo. Dieses sein geistiges Ich, das das Ideal in sich trägt, diese ihm angeborne Harmonie, oder den Sinn für die Harmonie, die in der Welt liegt und von denen nicht wahrgenommen wird, deren Ohr nur sür Nebengeräusche empfänglich ist, diese völlige Hingebung an die Natur, für die allein die Welt der Erscheinungen kein Chaos, kein Rätsel ist, mit einem Worte, diese seine Weltauffassung zum entsprechenden Ausdruck zu bringen, ist vor allem das, was dem Künstler obliegt. Dadurch allein ist er etwas für die Menschheit, bereichert er sie um etwas, das überflüssig sein mag, aber der köstlichste, edelste Luxus ist, den die Kulturarbeit hervorbringt. In dieser In¬ dividualität sah sich der Glückliche, der Fiedler begegnete, begriffen und ge¬ würdigt. So bestand denn auch der Nutzen, den er seinen Künstlerfreunden brachte, in erster Linie wesentlich in einer innerlichen Förderung. In dem erwähnten Aufsatz von Wilhelm Porte heißt es ganz richtig: „Es kam ihm nicht in den Sinn, die Künstler, mit denen er in Verbindung stand, irgendwie beeinflussen zu Wollen; daß sie sich im geringsten nach ihm zu richten hätten, nach seinen Wünschen, Neigungen, Ansichten, das war in diesen Verhältnissen durchaus ausgeschlossen. Er war überzeugt, daß dem Mäcen ganz und gar die Rolle des Empfangenden zukomme, daß er einzig die Künstler in die Möglichkeit zu versetzen habe, so zu arbeiten, wie es ihnen selbst am tauglichsten erschien!" Fiedler war weniger ein beratender als ein erratender Freund. Aber desto größer war sein ungesuchter Einfluß auf das Schaffen seiner Freunde. „Ein solcher ungesuchter Einfluß, sagt Goethe, entspringt aus der Fähigkeit, das Talent zu lieben, es zu begreifen, sich selbst zu entzünden beim Anblick der Eindrücke, die es hervorbringt. Diejenigen, die wissen, wie der Gedanke sich vergrößert und befruchtet, indem loir ihn vor einer andern Intelligenz ent¬ wickeln, daß die Hälfte der Beredsamkeit in den Augen derer ist, die euch zu¬ hören, daß der zur Ausführung nötige Mut aus dem Anteil geschöpft werden muß, den das Unternehmen in andern erweckt," diese, fügen wir hinzu, werden auch begreifen, welchen großen, segensreichen Einfluß Fiedler auf das künstle¬ rische Schaffen seiner Freunde haben mußte. Es war seine Liebe zur Kunst, die ihn dazu befähigte; diese selbstlose Hingebung an eine Sache, die alles Große im Menschen hervorbringt. Und er liebte die Kunst, wie er die Natur liebte, mit derselben scheuen Ehrfurcht vor ihren Werken, ohne je auf die ver¬ messene Idee zu kommen, da eingreifen und vorgreifen zu wollen. Er ehrte den künstlerischen Genius als die höchste Gabe, die der Mensch von Gott em¬ pfangen hat. freute sich seines Schaffens, ohne den Ehrgeiz oder die Eitelkeit zu haben, anders dabei thätig zu sein, als es ihm seine eigne Begabung und seine Mittel erlaubten. Es war in ihm nicht eine Spur von Dilettantismus, deshalb stand er dem künstlerischen Schaffen und den schaffenden Persönlich¬ keiten so durchaus neidlos, so objektiv gegenüber.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/283>, abgerufen am 16.06.2024.