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Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr.

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Konrad Fiedler

sellschaft nicht glaubte erlassen zu dürfen. Nach der Art, wie Fiedler lebte
und wirkte, hätte wohl niemand das Recht oder den Mut gehabt, einen solchen
Anspruch an ihn zu erheben, aber er selbst stellte an sich diese Forderung. Er
wollte nicht nur thätig sein, er wollte auch etwas greifbares schaffen. Seine
persönliche Wirksamkeit, so einzig in ihrer Art und so köstlich sie war, war
doch etwas, was ihm vorwiegend nur Freude machte, war zu sehr ein fast
müheloses Ergebnis seiner Natur und Erziehung, als daß er es als Arbeit
empfunden hätte. Und arbeiten, etwas leisten wollte er, dazu fühlte er sich
berufen, dazu hatte er die Kraft, das Bedürfnis in sich. Und er hat ge¬
arbeitet, viel, bewundernswürdig viel, wenn es auch nur sehr wenige, selbst
von denen, die ihm nahe, ja am nächsten standen, zu beurteilen und zu schätzen
vermochten. Die Ergebnisse seiner Arbeit liegen vor aller Augen, und der
Verständige wird wissen, was dazu gehört hat, sie hervorzubringen.

Ehe sich Fiedler entschloß, sich ausschließlich dem Berufe des Kunstschrift¬
stellers zu widmen, um hier im kleinsten Punkte die größte Kraft zu sammeln,
hat er vielfach die Frage erwogen, und sie ist auch von außen an ihn gestellt
worden, ob er sich nicht zur Annahme einer festen Stellung, zum Eintreten
in ein Amt entschließen wolle. Es konnte für ihn, da ihn nun einmal seine
Interessen und Studien ganz auf das Gebiet der Kunst geführt hatten, nur
eine akademische Laufbahn oder eine Stellung als Museumsleiter in Betracht
kommen. Aber zu beide" konnte er sich nicht entschließen; nicht aus dem tri¬
vialen Grunde, den ihm solche, die ihn nicht näher kannten, Wohl unterschoben:
weil ers "nicht nötig hatte," sondern weil er auf dem Wege, den er wählte, und
den zu wählen er unter wenigen geistig befähigt und zugleich in der glück¬
lichen äußern Lage war, weil er auf diesem Wege mehr leisten zu können
glaubte. Als Museumsleiter wäre er wohl in der Lage gewesen, sich einen
umfänglichern Wirkungskreis zu schaffen wie als Privatmann; er hätte aber
nicht unabhängig dem Antriebe seiner Persönlichkeit folgen können. Und das
hielt er beim Wirken in Kunstangelegenheiten sür die Hauptsache. Er wußte
zu gut, daß alles Urteil über Kunstwerke auf subjektiver Empfindung beruht,
auf dem, was sich weder lehren, noch lernen, noch durch Überredung mitteilen
läßt; daß alles, was aus einem Kompromiß hervorgeht, was von Vereinen,
Komitees, Preisrichterkollegien oder gar von dem Ermessen einer hohen Be¬
hörde abhängt, in Sachen der Kunst zu den beklagenswertesten Ergeb¬
nissen führt.

In seinem Fach eine akademische Laufbahn mit Glück zu betreten, wäre
Fiedler sehr leicht gewesen; er hätte nur seine umfassenden kunstgeschichtlichen
Studien noch etwas mehr pflegen müssen. Aber gerade das widerstrebte nicht
nur seiner Neigung, sondern geradezu seiner ganzen Kunstauffaffung. Er be¬
trachtete die Kunstgeschichte als eine freilich kaum entbehrliche Anhäufung wert¬
loser Notizen, die, nach untergeordneten Gesichtspunkten rubrizirt und mühsam


Konrad Fiedler

sellschaft nicht glaubte erlassen zu dürfen. Nach der Art, wie Fiedler lebte
und wirkte, hätte wohl niemand das Recht oder den Mut gehabt, einen solchen
Anspruch an ihn zu erheben, aber er selbst stellte an sich diese Forderung. Er
wollte nicht nur thätig sein, er wollte auch etwas greifbares schaffen. Seine
persönliche Wirksamkeit, so einzig in ihrer Art und so köstlich sie war, war
doch etwas, was ihm vorwiegend nur Freude machte, war zu sehr ein fast
müheloses Ergebnis seiner Natur und Erziehung, als daß er es als Arbeit
empfunden hätte. Und arbeiten, etwas leisten wollte er, dazu fühlte er sich
berufen, dazu hatte er die Kraft, das Bedürfnis in sich. Und er hat ge¬
arbeitet, viel, bewundernswürdig viel, wenn es auch nur sehr wenige, selbst
von denen, die ihm nahe, ja am nächsten standen, zu beurteilen und zu schätzen
vermochten. Die Ergebnisse seiner Arbeit liegen vor aller Augen, und der
Verständige wird wissen, was dazu gehört hat, sie hervorzubringen.

Ehe sich Fiedler entschloß, sich ausschließlich dem Berufe des Kunstschrift¬
stellers zu widmen, um hier im kleinsten Punkte die größte Kraft zu sammeln,
hat er vielfach die Frage erwogen, und sie ist auch von außen an ihn gestellt
worden, ob er sich nicht zur Annahme einer festen Stellung, zum Eintreten
in ein Amt entschließen wolle. Es konnte für ihn, da ihn nun einmal seine
Interessen und Studien ganz auf das Gebiet der Kunst geführt hatten, nur
eine akademische Laufbahn oder eine Stellung als Museumsleiter in Betracht
kommen. Aber zu beide» konnte er sich nicht entschließen; nicht aus dem tri¬
vialen Grunde, den ihm solche, die ihn nicht näher kannten, Wohl unterschoben:
weil ers „nicht nötig hatte," sondern weil er auf dem Wege, den er wählte, und
den zu wählen er unter wenigen geistig befähigt und zugleich in der glück¬
lichen äußern Lage war, weil er auf diesem Wege mehr leisten zu können
glaubte. Als Museumsleiter wäre er wohl in der Lage gewesen, sich einen
umfänglichern Wirkungskreis zu schaffen wie als Privatmann; er hätte aber
nicht unabhängig dem Antriebe seiner Persönlichkeit folgen können. Und das
hielt er beim Wirken in Kunstangelegenheiten sür die Hauptsache. Er wußte
zu gut, daß alles Urteil über Kunstwerke auf subjektiver Empfindung beruht,
auf dem, was sich weder lehren, noch lernen, noch durch Überredung mitteilen
läßt; daß alles, was aus einem Kompromiß hervorgeht, was von Vereinen,
Komitees, Preisrichterkollegien oder gar von dem Ermessen einer hohen Be¬
hörde abhängt, in Sachen der Kunst zu den beklagenswertesten Ergeb¬
nissen führt.

In seinem Fach eine akademische Laufbahn mit Glück zu betreten, wäre
Fiedler sehr leicht gewesen; er hätte nur seine umfassenden kunstgeschichtlichen
Studien noch etwas mehr pflegen müssen. Aber gerade das widerstrebte nicht
nur seiner Neigung, sondern geradezu seiner ganzen Kunstauffaffung. Er be¬
trachtete die Kunstgeschichte als eine freilich kaum entbehrliche Anhäufung wert¬
loser Notizen, die, nach untergeordneten Gesichtspunkten rubrizirt und mühsam


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[0330] Konrad Fiedler sellschaft nicht glaubte erlassen zu dürfen. Nach der Art, wie Fiedler lebte und wirkte, hätte wohl niemand das Recht oder den Mut gehabt, einen solchen Anspruch an ihn zu erheben, aber er selbst stellte an sich diese Forderung. Er wollte nicht nur thätig sein, er wollte auch etwas greifbares schaffen. Seine persönliche Wirksamkeit, so einzig in ihrer Art und so köstlich sie war, war doch etwas, was ihm vorwiegend nur Freude machte, war zu sehr ein fast müheloses Ergebnis seiner Natur und Erziehung, als daß er es als Arbeit empfunden hätte. Und arbeiten, etwas leisten wollte er, dazu fühlte er sich berufen, dazu hatte er die Kraft, das Bedürfnis in sich. Und er hat ge¬ arbeitet, viel, bewundernswürdig viel, wenn es auch nur sehr wenige, selbst von denen, die ihm nahe, ja am nächsten standen, zu beurteilen und zu schätzen vermochten. Die Ergebnisse seiner Arbeit liegen vor aller Augen, und der Verständige wird wissen, was dazu gehört hat, sie hervorzubringen. Ehe sich Fiedler entschloß, sich ausschließlich dem Berufe des Kunstschrift¬ stellers zu widmen, um hier im kleinsten Punkte die größte Kraft zu sammeln, hat er vielfach die Frage erwogen, und sie ist auch von außen an ihn gestellt worden, ob er sich nicht zur Annahme einer festen Stellung, zum Eintreten in ein Amt entschließen wolle. Es konnte für ihn, da ihn nun einmal seine Interessen und Studien ganz auf das Gebiet der Kunst geführt hatten, nur eine akademische Laufbahn oder eine Stellung als Museumsleiter in Betracht kommen. Aber zu beide» konnte er sich nicht entschließen; nicht aus dem tri¬ vialen Grunde, den ihm solche, die ihn nicht näher kannten, Wohl unterschoben: weil ers „nicht nötig hatte," sondern weil er auf dem Wege, den er wählte, und den zu wählen er unter wenigen geistig befähigt und zugleich in der glück¬ lichen äußern Lage war, weil er auf diesem Wege mehr leisten zu können glaubte. Als Museumsleiter wäre er wohl in der Lage gewesen, sich einen umfänglichern Wirkungskreis zu schaffen wie als Privatmann; er hätte aber nicht unabhängig dem Antriebe seiner Persönlichkeit folgen können. Und das hielt er beim Wirken in Kunstangelegenheiten sür die Hauptsache. Er wußte zu gut, daß alles Urteil über Kunstwerke auf subjektiver Empfindung beruht, auf dem, was sich weder lehren, noch lernen, noch durch Überredung mitteilen läßt; daß alles, was aus einem Kompromiß hervorgeht, was von Vereinen, Komitees, Preisrichterkollegien oder gar von dem Ermessen einer hohen Be¬ hörde abhängt, in Sachen der Kunst zu den beklagenswertesten Ergeb¬ nissen führt. In seinem Fach eine akademische Laufbahn mit Glück zu betreten, wäre Fiedler sehr leicht gewesen; er hätte nur seine umfassenden kunstgeschichtlichen Studien noch etwas mehr pflegen müssen. Aber gerade das widerstrebte nicht nur seiner Neigung, sondern geradezu seiner ganzen Kunstauffaffung. Er be¬ trachtete die Kunstgeschichte als eine freilich kaum entbehrliche Anhäufung wert¬ loser Notizen, die, nach untergeordneten Gesichtspunkten rubrizirt und mühsam

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 54, 1895, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341861_220325/330>, abgerufen am 16.06.2024.